„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ – dieses geflügelte Wort ist vielleicht der stärkste Ausdruck für die Flut an Statistiken und Forschungsthemen, die heutzutage in allen Teilgebieten der Wissenschaften anhält. Im Internet finden sich Diagramme, die den durchschnittlichen Haferkekskonsum eines Ikea-Besuchers verbildlichen (2,2kg im Jahr, repräsentativ unter zwei Befragten) und Vermutungen der Deutschen wiedergeben, welche Farbe die Unterwäsche der Spitzenpolitiker hat. Kurz und gut, zu so ziemlich jeder Frage, die gestellt werden kann, wurden bereits Interviews durchgeführt, Umfragen erstellt und Forschung betrieben.

Da überrascht es, dass einige Forschungsgebiete trotz dieser Unmenge an Daten quasi Neuland sind – so auch die Entwicklungszusammenarbeit. Aktuell beträgt das Budget für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 90,88 Milliarden Euro – Anlass genug, sich zu fragen, wohin dieses Geld genau fließt und wie effektiv die Investitionen des Ministeriums sind.

Doch genau diese Frage, die Frage nach der Effektivität und auch der Effizienz von Entwicklungszusammenarbeitsmaßnahmen, wurde lange Zeit nicht gestellt.

Entwicklungspolitik nahm ihren Anfang im Jahr 1949, als Truman sie in seiner Antrittsrede quasi erfand – tatsächliche Umsetzung, abgesehen von kolonialen Interessen, fand jedoch bis 1960 nicht statt. Es folgten fast vier Jahrzehnte Entwicklungspolitik, in der sich die Vorstellungen, was nun wirklich relevant sei und wie am besten geholfen werden könne, stetig abwechselten – mal überwog die eine Erklärung, mal die andere Theorie, und so entwickelte sich die Entwicklungszusammenarbeit vom Konzept des bloßen Wirtschaftswachstum über die Grundbedürfnisse zum bekannten Motto der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Debatten darüber, was nun sinnvoll sei, wurden lediglich auf theoretischer Ebene abgehalten – denn wie hätte auch mit der Praxis und Statistiken argumentiert werden können, wo es keine gab?

Die erste Studie im Zusammenhang mit dem Erfolg von Entwicklungszusammenarbeit fand 1998 statt, also ein halbes Jahrhundert nach der Erfindung. Durchgeführt wurde sie von Michael Kremer, der nun in diesem Jahr zusammen mit Esther Duflo und Abhijit Banerjee den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten hat, genau für die Forschung an Entwicklungszusammenarbeit, die die drei maßgeblich auf den Weg gebracht und gestaltet haben.

Anstatt Menschen wahlweise als rationale oder irrationale Akteure zu sehen, befand Kremer, dass es sinnvoller sei, Menschen so zu betrachten, wie sie sich in der Praxis auch verhalten – donquichottisch, also hin und wieder rational, hin und wieder irrational, meistens irgendwo im Graubereich. Und anstatt eine Theorie rund um ihr Verhalten im Falle von verschiedenen Methoden zur Entwicklungszusammenarbeit zu konzipieren, begann Kremer, randomisierte, kontrollierte Studien durchzuführen, das heißt, zwei Gruppen per Zufallsprinzip auszuwählen, die zu prüfende Methode an der einen anzuwenden und die zweite als Kontrollgruppe zum Vergleich heranzuziehen.

Was erst einmal ethisch problematisch scheint – immerhin wird die eventuelle Hilfsleistung hier gezielt auf eine einzelne Gruppe, beinahe in Form eines Menschenversuchs, beschränkt – wird von diesem Vorwurf schnell befreit, wenn man die entwicklungspolitische Realität betrachtet – mit dem derzeitigen Budget sind allumfassende Leistungen, die jedx bekommt, nicht möglich, und da also sowieso eine Auswahl der empfangenden Projekte getroffen werden muss, ist es nicht verwerflich, diese auch für die Beantwortung der Frage der Effektivität zu nutzen.

So wurde zum Beispiel im Laufe der Forschung herausgefunden, dass Mikrokredite nichts bringen, während Mückennetze zur Bekämpfung von Malaria durchaus sinnvoll sind – am effektivsten werden diese übrigens dann verwendet, wenn sie davor kostenlos verteilt wurden. Auch, was die Erhöhung der Schulbesuchsrate anbelangt, wurde mittlerweile ein Ranking verschiedener Methodene erstellt – so sind vor allem Maßahmen der allgemeinen Gesundheitsvorsorge hilfreich, ebenso die Bereitstellung kostenlosen Schulessens, während Investitionen in kostenlose Schuluniformen oder kostenlose Schulbücher so gut wie keine Auswirkung auf die Schulbesuchsrate haben.

Die aktuelle Forschung befasst sich vor allem mit der Effektivität von Direktzahlungen – einige Studien hatten das Ergebnis, das Direktzahlungen an einzelne Personen womöglich effektiver sein könnten als alle anderen bisherigen Maßnahmen, was die allgemeine Auswirkung anbelangt. Es bleibt also spannend, welche Ergebnisse die Forschung von Duflo, Banerjee und Kremer noch bringen wird und welche Revolutionen das BMZ in den nächsten Jahren noch erleben wird.

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