„Bewedi Beweg dich wo du kannst! Bewedi Beweg dich wo du kannst! Gesundheit! Bewedi beweg dich wo du kannst! Fitness! Woduka beweg dich wo du kannst!“, höre ich meine Zimmerpartnerin leise im Schlaf mantramäßig rezitieren. Genervt drehe ich mich und das aufgeschlagene Sportbuch auf die andere Seite und versuche, mich daran zu erinnern, wie noch einmal das blöde Phosphat hieß.
Inzwischen ist sie von der Umschlaggestaltung zu den netten kleinen Comics im Inneren gewechselt. „Der Sportunterricht ist also unnötig“, zitiert sie Woduka, oder war es Bewedi? Egal. Wenn dies das einzige Fazit ist, das wir alle aus diesem dämlichen blauen Heft ziehen, dann soll es wohl so sein. Ich bin jetzt auf Seite drei. Von achtunddreißig. Und versuche, die Stimme in meinem Kopf zu ignorieren, die mich daran erinnert, dass Seite drei das Inhaltsverzeichnis ist.
Eine Bewegung im Augenwinkel sorgt dafür, dass ich mich wieder von den künstlerisch äußerst ansprechenden Portraits Wodukas und Bewedis abwende und stattdessen zu meiner Zimmernachbarin herüberschaue, die mit den Händen wild Laktatkurven in die Luft malt. Ihr Schnarchen wird immer lauter, immer frustrierter. Und das Phosphat hieß Creatin, meine ich mich zu erinnern.
Ausdauer ist die Fähigkeit, psychisch und physisch Belastungen möglichst lange zu widerstehen und sich danach schnell zu regenerieren. Und die Sportklausur ist ein guter Test für die psychische Ausdauer. Die meisten haben bereits nach den ersten Seiten aufgegeben, sich die Tabellen und Graphen mit Gewalt ins Langzeitgedächtnis zu prügeln, oder es gar nicht erst versucht, Motto „Sport kann man ja klammern“. Kann man. Wird man.
Das bringt jetzt auch nichts mehr, das konzentrationslose Betrachten der Buchstaben und Zahlen auf Seite vier. Ich schlage das Buch zu und werfe es irgendwo in Richtung Schreibtisch. Das metallene Scheppern des Eimers bestätigt, dass ich getroffen habe, was ich treffen wollte. „Bewedi beweg dich wokadu wo kannst… nein wodaku… woduka“, kommt es verzweifelt von der anderen Zimmerseite. Mich begleiten die beiden kugelförmigen Maskottchen zum Glück nicht in den Traum.
Nächster Morgen, Sportklausur. Die Atmosphäre in der Mensa – einzigartig. Elfer wie Zwölfer sitzen, über blaue Heftchen gebeugt, an den Mensatischen, wiederholen Herzfrequenzen, Kraftdefinitionen und die Präfixe der Energiebereitstellungswege des Körpers. Die allgemeine Unruhe steckt alle an, selbst die, die schon vor Tagen geprüft haben, ob sie auch wirklich alle vier Halbjahre Sport klammern können.
Dann, endlich, die Prüfung. Nur Stichworte sind gefragt, möglichst kurz und prägnant, keine ganzen Sätze. Definition von Ausdauer, Trainingsgrundsätze, Auswirkungen auf den Körper, Trainingspläne erstellen. Anforderungsbereich I, hauptsächlich, Reproduktion von Gelerntem. Die Ersten geben nach zwanzig Minuten ab, die Letzten nach etwa einer Stunde; die einen schreiben eine Seite, andere über fünf.
Die kleinen Olympiaringe unten auf dem Blatt eignen sich perfekt für eine misslungene Zeichnung Wodukas und Bewedis. Doch dieses Jahr bleiben die beiden unter sich, obwohl in allen Köpfen die Erinnerung an die legendäre „Dukamima“ schwebt.
Zum Ende hin möchte ich gerne noch einen Satz aus dem Sportbuch zitieren, der dort des öfteren am Ende eines Paragraphen steht: „Für nähere Informationen muss auf die weiterführende Literatur oder das Internet verwiesen werden“ – zum Beispiel auf das Youtube-Video, das ähnlich verstörte Oberstüfler 2012 hochgeladen haben, in dem eine Stimme die Schriftzüge des Covers vorliest, während eine animierte Version Bewedis mit den Armen wackelt. Auch in den Kommentaren darunter trifft man auf Gleichgesinnte („bewedi und woduka. diese ausgeburten der hölle. diese schergen luzifers. diese erzdämonen, die ihr satanisches manuskript als sportbuch verbreiten.“).
Aber, ganz ehrlich, egal wie schlecht Sport lief – man kann, und wird, es immer noch klammern.
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