Einer der Gründe, weshalb meine Haare vor zwei Jahren tatsächlich noch nicht grün waren, war der, dass ich für mehrere Wochen eine katholische Familie in Hyères besuchte und dort mit bunten Haaren spätestens an der Tür der örtlichen Kirche gescheitert wäre, die ich – da ich über Ostern dort war – zu diversen ausgedehnten Veranstaltungen betreten durfte.

Irgendwann während der langen Grabwache, zwischen Karfreitag und Ostersonntag, stellte mir eine der älteren Damen, die regelmäßig die Kerzen neu entzündeten, dann die Gretchenfrage – ob ich an Gott glauben würde. Wahrheitsgemäß antwortete ich mit Nein, und sie fragte verwundert, warum ich dann hier sei und neben den anderen Franzosen über 24 Stunden schweigend vor dem Kreuz auf dem Boden hockte. „Weil es ein Austausch ist, und ein Austausch nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur beinhaltet – und schließlich feiere ich in Deutschland auch Ostern, obwohl ich nicht gläubig bin.“ „Aber warum feierst du denn überhaupt Ostern?“

Gute Frage – warum feiere ich Ostern? Warum feiere ich Weihnachten? Denn klar, die Existenz von einer Person namens Jesus ist bewiesen, und irgendwann muss diese Person dementsprechend auch geboren und gestorben sein, wenngleich auch vermutlich nicht an den Terminen, an denen wir es jeweils heute feiern, doch alles, was darüber hinausgeht – die Relevanz seiner Existenz, die Wunder, die Auferstehung – all das sind Dinge, die ich nicht teilen kann und an die ich nicht glaube. Warum also geselle ich mich Jahr für Jahr zu all den anderen ganz-, halb- oder nicht-christlichen Menschen in Deutschland und vielen anderen Ländern und singe Lieder darüber, wie die Engel die Ankunft des Heilands preisen und wie Maria und Magdalena das leere Grab vorfanden?

Zum einen sicherlich allein deswegen, weil meine Familie beides feiert und es somit ein Familienfest ist, das neben dem religiösen Charakter auch ein Beisammensein im trauten Heim beinhaltet. Zum anderen, weil sich Weihnachten und Ostern im Laufe der Zeit stetig weg von einem rein christlichen Fest hin zu einem Teil der (westlichen) Kultur entwickelt haben. Mein kleiner Bruder bekommt höchstens am Rande mit, dass wir an Weihnachten die Geburt Jesu feiern – wer der Weihnachtsmann ist, das weiß er aber, und vor allem, dass der Geschenke bringt. Ebenso zu Ostern – seit Wochen schallt „Stups der kleine Osterhase“ aus dem kleinen CD-Player und wird von ihm begeistert am Esstisch vorgesungen. Und gerade an Ostern scheint die ursprüngliche Bedeutung in den Hintergrund gerückt zu sein. Die Wenigsten, die ich kenne, fasten, und noch weniger nehmen an den traditionellen Zeremonien zu Aschermittwoch, Gründonnerstag und Co teil, stattdessen wird die Existenz dieser Feiertage quasi ignoriert. Einzig und allein Karfreitag sticht hervor, vermutlich aufgrund des gesetzlichen Feiertages und der alljährlichen kontroversen Debatte darüber, ob man denn nun tanzen dürfen sollte oder nicht. Am Karsamstag sind die Meisten einfach nur froh, dass inmitten all der Feiertage die Geschäft doch noch einmal geöffnet sind. Dann Ostersonntag und Ostermontag… doch tatsächlich christlich gefeiert wird nur in wenigen Familien wie in meiner französischen Gastfamilie.

Stattdessen ist Ostern Kulturgut. An die Auferstehung Jesu glauben nach einer Umfrage des Spiegel nur 58% der Protestanten und 61% der Katholiken – Ostern feiern dabei aber nahezu alle, und alle auch mit sehr ähnlichen Bräuchen.

Ein wichtiger Teil am Osterfest ist das Eierfärben. Hier steckt tatsächlich eine religiös begründete Tradition dahinter – in der Fastenzeit vor Ostern war der Konsum von Eiern verboten. Um diese länger haltbar zu machen, wurden sie gekocht, und um sie dann von den rohen Eiern zu unterscheiden, gefärbt – wenn auch nicht so aufwändig und bunt wie heutzutage üblich. Zudem steht das Ei als Sinnbild des Lebens für die Auferstehung. Die erste Erwähnung von bunten Eiern in Deutschland findet sich Anfang des 13. Jahrhunderts; der Brauch war allerdings davor auch schon vor allem in Armenien und Russland verbreitet.

Ende des 17. Jahrhunderts taucht dann in Deutschland der Osterhase auf, der die Eier für die Kinder versteckt. Dass gerade er die Eier bring, ist religiös allerdings nicht begründet, sondern vermutlich eher dem Umstand geschuldet, dass auf Wiesen herumhoppelnde Hasen gerade zur Oster- und somit Frühlingszeit häufiger gesichtet werden. In Frankreich zum Beispiel spielt der Osterhase in den meisten Regionen gar keine Rolle – dort werden die Eier und Süßigkeiten stattdessen von den Osterglocken mitgebracht, von denen man behauptete, sie flögen von Karfreitag bis Ostersonntag nach Rom, um das Nicht-Läuten während dieser Zeit zu erklären.

Ein weiterer Bestandteil deutscher Oster-Kultur ist das Osterlamm, das entweder als Fleischgericht oder in vegetarischer Form als Kuchen serviert wird. Hier liegt wieder die Religion zugrunde, wenn auch größtenteils das Judentum – es war üblich, an Pessach Lämmer zu schlachten. Da – je nach Evangelium – entweder die Kreuzigung oder das letzte Abendmahl zeitgleich zur Schlachtung stattfanden, fand dort die Übertragung des Brauchs statt. Zudem wird das Lamm im Neuen Testament des öfteren als Synonym oder Sinnbild Jesu verwendet.

Die Entwicklung weg vom rein christlichen Fest begann, was Ostern anbelangt, also schon deutlich früher als zum Beispiel an Weihnachten – der Weihnachtsmann wird erst 1931 in seiner heutigen Form erfunden. Vielleicht besteht hier auch ein Zusammenhang zum christlichen Anteil am Fest – denn der ist an Weihnachten meines Erachtens immer noch deutlich höher. Anders als an Ostern spielt die Zeit davor, die Adventszeit, tatsächlich eine Rolle – verbreitet sind Adventskalender, die Adventssonntage und Nikolaus.

Gleichzeitig geht das Weihnachtsfest allerdings nicht allein auf Jesus‘ Geburt zurück, sondern auf die Wintersonnenwende, die in diversen Kulturen als Winterfest und Fest des Sonnengottes zelebriert wurde. Um den Römern damals dieses Fest nicht verbieten zu müssen, legte Papst Pius I. das christliche Weihnachten auf das gleiche Datum. Die meisten der Weihnachtsbräuche wie der Weihnachtsbaum stammen aus eben jener prä-christlichen Zeit und wurden später wie der Termin übernommen. Was Weihnachten anbelangt, gibt es also noch einen dritten Grund, es zu feiern – man kann schließlich nicht die Geburt Jesu, sondern ein keltisches Vorgängerritual feiern.

Es ist also nicht unbedingt inkonsequent, als Agnostiker, Atheist oder Anhänger einer anderen Religion als des Christentums Weihnachten und Ostern mitzufeiern. Und zumindest als kulturelle Bereicherung kann ein derart traditionelles Prozedere wie in der französischen Kirche tatsächlich interessant sein – obwohl 36 Stunden auf kaltem Stein sich relativ bald bemerkbar machen.

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