Etwas, das sowohl Sternen als auch Menschen gemein ist, ist die Endlichkeit ihres Lebens. Manche leben kürzer oder länger als andere. Doch am Ende wartet der Tod. Bei einem der markantesten Objekte des Sternenhimmels könnte es (im astronomischen Sinne) bald soweit sein, vermuten Forscher. Beteigeuze, oder α Orionis, der zweithellste Stern des Sternbilds Orion, befindet sich im Endstadium seines Lebens. Aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften gehört er zum Sternentyp der Roten Überriesen, welche ihr Leben in einer spektakulären Explosion als Supernova beenden.

Wenn Beteigeuze den Platz der Sonne im Zentrum des Sonnensystems einnehmen würde…
© ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/E. O’Gorman/P. Kervella
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Beteigeuzes Masse beläuft sich auf mehr als 10 Sonnenmassen – das sind etwa 20 Quintillionen Kilogramm. Noch viel beeindruckender ist jedoch die schiere Größe des Sterns: Würde man die Sonne im Zentrum des Sonnensystems durch Beteigeuze ersetzen, würde seine äußere Hülle bis zur Bahn des Jupiters reichen.

Lange Zeit war unklar, wann genau Beteigeuze explodieren wird. Auch heute ist es quasi unmöglich, einen genauen Zeitpunkt vorherzusagen. Astronomen rechnen mit mehreren tausend bis hunderttausend Jahren. Rein theoretisch könnte es aber jeden Moment geschehen – oder sogar schon passiert sein. Denn Beteigeuze befindet sich etwa 600 Lichtjahre entfernt von unserem Sonnensystem. Sollten wir also morgen feststellen, dass Beteigeuze zur Supernova geworden ist, bedeutet das, dass er zur Zeit des Spätmittelalters explodiert sein muss. Jedoch würden wir höchstwahrscheinlich „vorgewarnt“ werden. Denn ein Stern wird nicht einfach so zur Supernova. Der Explosion gehen Prozesse voraus, die wir auf der Erde messen können. Allerdings sind Veränderungen am Erscheinungsbild eines Sterns aufgrund der riesigen Entfernungen im Universum und unseren begrenzten technischen Möglichkeiten nicht unbedingt immer einfach zu deuten. Zwischen Herbst 2019 und Frühling 2020 wurde Beteigeuze nach und nach merklich dunkler – eigentlich ein typisches Anzeichen einer bevorstehenden Supernova, denn massereiche Riesensterne verringern ihre Helligkeit in unregelmäßigen Perioden, bevor sie letztendlich explodieren.

Dem liegt folgender physikalischer Prozess zu Grunde: Sterne fusionieren in ihrem Innern Wasserstoff zu Helium. Der Überschuss an Masse (vier Wasserstoffatome besitzen mehr Masse als ein Heliumatom) wird in Form von Strahlung ausgesendet. Solange die Kernfusion aufrechterhalten werden kann, befindet sich der Stern in einem stabilen Zustand, dem sogenannten hydrostatischen Gleichgewicht. Konkret heißt das, dass sich die durch die Rotation des Sterns nach außen wirkende Zentrifugalkraft, der durch die Strahlung entstehende, ebenso nach außen wirkende, thermische Druck und die durch die Masse des Sterns nach innen wirkende Gravitationskraft die Waage halten. Ist nun der Wasserstoffvorrat eines Sterns aufgebraucht, stoppt die Kernfusion vorerst und die Gravitation nimmt Überhand. Das hat einerseits zur Folge, dass sich die Helligkeit des Sterns temporär verringert und andererseits, dass er sich zusammenzieht. Dadurch erhöht sich die Dichte und der Stern erhitzt sich. Wird dabei ein bestimmter Wert überschritten, beginnt der Stern, Helium über Beryllium zu Kohlenstoff zu fusionieren. Ist wiederum die vorhandene Menge an Helium aufgebraucht, beginnt die Kontraktion des Sterns erneut, bis die nötige Temperatur zur Fusion von Kohlenstoff zu Neon erreicht wird. Dieser Zyklus wiederholt sich solange, bis es notwendig wäre, zur nächsten Stufe der Fusion Energie von außen zuzuführen, da mit jeder erneuten Fusion mehr Energie benötigt wird und weniger freigesetzt wird. Wenn die Fusionskette nun endgültig unterbrochen wurde, kollabiert der Stern. Seine äußeren Hüllen stürzen in Richtung des dichten Kerns und prallen dort ab. Dadurch wird eine extrem energiereiche Explosion initiiert – eine Supernova des Typs II. Die sich rasend schnell ausbreitenden Gashüllen bilden zusammen mit dem extrem dichten Kern des verendeten Sterns einen sogenannten Supernova-Überrest.

So dachten zunächst also auch Wissenschaftler, dass das plötzliche Verdunkeln von Beteigeuze ein Signal für das baldige Ableben des Roten Überriesen sei. Nachdem die Messungen von verschiedenen Forschungsteams geprüft und überarbeitet wurden, stellte sich jedoch heraus, dass der Grund für das Verblassen Beteigeuzes wohl darin lag, dass er eine Wolke aus Gas ausgestoßen hatte, deren Partikel als abgekühlter Staub zwischen uns und Beteigeuze schwebten und ihn somit aus unserer Sicht verdunkelten. Wir werden vermutlich noch ein wenig warten müssen, bis wir die Beteigeuze-Supernova erleben können. Eines steht aber jetzt schon fest: Egal, wann es auch passieren mag – wenn Beteigeuze sein Dasein als Stern mit einer gigantischen Explosion aufgibt, werden wir Menschen Zeugen eines stellaren Spektakels werden. Für das menschliche Auge wird sich zwar (abgesehen von der Helligkeit Beteigeuzes, welche sich mit der Supernova temporär vervielfachen wird) am nächtlichen Sternenhimmel nicht viel verändern. Für Astronomen jedoch könnte die Supernova günstiger kaum sein, da sie kosmisch gesehen relativ nah ist und an ihr somit noch nicht genau verstandene Details zum Tod von Sternen besser erforscht werden können.

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