Spätestens in der ersten Klausur der Oberstufe muss man sich letzten Endes an das Punktesystem gewöhnen. Vorbei sind die Tage von 1-2, 2-3 und so weiter; es gibt nur noch 12 und 13, die harte Entscheidung zwischen eine Leistung im sehr gutem und gutem Bereich. Komanoten unerwünscht. Die Frage, warum man ein anderes Bewertungssystem in der Oberstufe einführt und die Schüler sich nicht schon von Anfang an das System von 15 Punkten gewöhnen lässt, erschließt sich nicht ganz. Warum kann man nicht den Schnitt einfach, wie es teilweise in unseren Nachbarländer gehandhabt wird, in Punkten anstelle von Noten darstellen – oder gibt es da zu viele Abstufungen?

Vielleicht wäre es dann leichter, meinen Eltern die schulische Performance zu vermitteln. Im Augenblick muss ich selbst nach einem Jahr immer noch nach den Punkten die Note als eine Art Übersetzung hinzuliefern. Erst dann haben sie eine Ahnung, was da nun wirklich auf der Klausur steht. Plötzlich merke ich, wie unterschiedlich das Empfinden der beiden Kategorien erscheint. Was sind genug Punkte? Fünf Punkte scheinen irgendwie härter zu klingen als eine Note Vier. Einen Punkt weniger und schon hat man unterpunktet und bei einer Vier gibt es ja noch sehr viele kleine Zwischenschritte zur Sechs. Neun Notenpunkte klingen fast schon freundlicher als eine 3+. Dem Gefühl nach ist es mehr als bloß befriedigend. Fast schon zweistellig. 12 Punkte scheinen ärgerlich, einer mehr und es wäre schon so gut wie eine Eins. Verschiebt sich das Empfinden von guten und schlechten Noten aber nicht grundsätzlich in der Oberstufe?

Doch es gibt noch eine letzte Hürde: der Anblick von 14 Punkten. Eine glatte Eins und irgendwie wurmt einen doch die Unzufriedenheit. Da geht noch mehr, die Skala ist noch nicht zu Ende. Die unerreichbar scheinenden 15 Punkte. Doch als was sind diese definiert? „Eins“ heißt Erwartungen übertroffen. Wie geht es noch besser?

Kaum gibt es so eine umstrittene Note. Während die einen sich weigern, sie überhaupt zu geben – und damit meine ich nicht spezifische Lehrer am LGH, sondern die gesamte Lehrerschaft – denken die anderen, dass Personen diese Note verdient hätten. Sie scheinen in diesen Fächern teilweise geschenkt zu sein und dann im nächsten Unterricht weit entfernt. Wann hat man alles erreicht und mehr? Wann hat man die Erwartungen gänzlich übertroffen, sodass die höchste Zahl verdient ist? 15 Punkte sind nicht immer die 15 im Vergleich mit anderen. Insbesondere bei den Geisteswissenschaften scheint die Disparität groß zu sein. Wie bewertet man einen Text mit fünfzehn Punkten? In den schriftlichen Naturwissenschaften scheint die Antwort irgendwie klar auf der Hand zu liegen. Eine richtig gelöste Aufgabe bekommt die volle Punktzahl. Ob es noch extra Punkte für elegante und kurze Wege gibt? Eher nicht.

Aber interessanterweise schleicht sich dann doch nach einiger Zeit das Gefühl für diese Note ein. Man hört die Beiträge, man liest die Texte, man schreibt die Erklärungen, die diese höchste Auszeichnung im schulischen Notensystem der Oberstufe verdient haben. Irgendwann versteht man auch, warum ein Lehrer jemandem 15 Punkte gibt anstatt nur 14 und wenn man sie dann selbst hat, vielleicht sogar im Zeugnis, breitet sich zumindest im Inneren ein kleines Lächeln aus. Die 15 Punkte sind also doch nicht komplett unerreichbar.

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