derfarbfleck

Farbflecken

Mein Traumberuf: Nichts tun und berühmt werden

von Cosima Friedleman-534379_1920

In zwei Tagen ist es wieder so weit, dann werden tausende Schülerinnen und Schüler in Deutschland ihr Abitur ablegen. Doch der wirkliche Stress beginnt erst danach. Dann ist es nämlich an der Zeit, sich die Frage zu stellen, was nach dem erfolgreich absolvierten Schulabschluss folgen soll? Ein Studium beginnen, eine Ausbildung machen, oder doch erst mal für ein Jahr ins Ausland gehen – die Möglichkeiten sind vielfältig. Gerade moderne Berufe, sowie neue Studiengänge machen die Entscheidung nicht leichter.  Allen, die noch keine Idee haben, möchte ich hier einen sowohl modernen als auch äußerst verlockenden Beruf vorstellen. Du hast keine besonderen Talente, keinen überragenden oder gar keinen Schulabschluss? Du möchtest viel Geld verdienen, viel reisen, aber möglichst wenig Arbeit damit haben? Du willst von Beginn an selbständig und dein eigener Chef sein? Dir sollen deine Anhänger zu Füßen liegen und du willst mit Fanpost überhäuft werden? Dann ist dieser Job genau der richtige für dich. Alles, was du dafür tun musst, ist dein Leben zu filmen. Du nimmst die Kamera einfach überall hin mit und hältst alle wichtigen, unwichtigen, peinlichen und völlig privaten Momente fest. Damit das Ganze nicht zu lang wird, schneidest du anschließend noch ein paar Szenen raus, überarbeitest alles und filmst noch ein kleines Intro. Das Video lädst du dann noch auf einer Plattform hoch, und fertig ist ein Tageswerk. Hin und wieder solltest du auch mal ein etwas aufwändigeres Video drehen, zum Beispiel einen Haul, in welchem du deine Shoppingtour-Ausbeute vorstellst. Wichtig hierbei ist zu erwähnen, dass du zwar von den ganzen Firmen Geld dafür bekommst, dass du ihre Produkte zeigst, aber die Zuschauer profitieren natürlich auch davon. Logisch, oder? Auch privatere Videos kommen immer sehr gut an, wie beispielsweise TAGs, in welchen du einfach Fragen beantwortest. Besonders gut wäre es hierfür, wenn du eine dunkle Vergangenheit hast. Hierfür eignen sich besonders gut Mobbing in der Schule, häusliche Gewalt, lieblose Eltern oder Suizidversuche. Das sollte dann auch vor der Kamera möglichst ausführlich behandelt werden. Ãœber zu private Dinge wie Beziehungen oder deine Wohnung solltest du jedoch nicht berichten, da dies dann wirklich zu sehr in deine Privatsphäre eingreifen würde.Und, falls du mal von Freunden gefragt wirst, was du denn eigentlich von Beruf bist: Du bist Youtuber.

Selbstverständlich ist die Darstellung von sogenannten „Vloggern“  hier überspitzt und pointiert. Zweifelsohne müssen auch diese hart arbeiten und etwas für ihr Geld tun. Dennoch ist der Trend, welcher sich in den letzten Jahren entwickelt hat, dass diese eigentlich ganz normalen Menschen, die kein überragendes Talent haben, regelrecht wie Superstars gefeiert werden,  reichlich unverständlich. Schließlich sind die ganzen Themen, welche in den Videos regelmäßig behandelt werden, herrlich banal und offensichtlich. In „Abendroutinen“ wird erklärt, wie man sich Nudeln vom Vortag aufwärmt oder sich gründlich die Zähne putzt, in TMI ( too much information)-TAGs wird zu mehr Lebensfreude aufgerufen. Die Spitze des Eisbergs haben nun Sami, Dounya und Lamiya Slimani, ein Geschwistertrio aus Stuttgart erreicht. Mit ihrem neu erschienenen Buch „Das Slimani-Prinzip“ geben sie Tipps zu einem glücklicheren Leben und einer positiven Grundeinstellung. Aber wer sind sie denn, dass sie sich anmaßen, mit einem Selbsthilfebuch ganz Fan-Deutschland bekehren zu wollen? So unverständlich der Hype um die Helden unser Generation auch ist, muss man einräumen, dass die Fangemeinden der Youtube-Stars riesig sind. Wer weiß, möglicherweise wird es in der Zukunft sogar Studiengänge für Youtube-Vlogger geben? Obwohl, wie man Nudeln aufwärmt, sollten selbst die Schülerinnen und Schüler des heutigen Schulsystems noch wissen.

Bild: CCO Public Domain

Dieser QR-Code enthält den Link zum Online-Artikel
Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 16. March 2015
Kategorie: Farbflecken

Der Artikel ist urheberrechtlich geschützt und darf nur zu privaten Zwecken weiterverwertet werden. Jede andere Verwendung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. Für Leserbriefe nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion unterhalb des Online-Artikels.

Keine Kommentare bisher zu “Mein Traumberuf: Nichts tun und berühmt werden”

Lass einen Kommentar da