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Die Welt da draußen

Vom ganz gewöhnlichen Traum eines naiven Landes

von Leonie TöpertStatue_of_Liberty_and_WTC_fire

Es ist einer der Gründe, weswegen Scharen von Menschen in die USA einwandern wollen. Es ist das Werbebanner Amerikas und einfach jeder möchte etwas von ihm haben; es ist das, was die USA wie das Hasenloch zum Wunderland erscheinen lässt. Es ist der „American Dream“! Dieser – oder viel eher gesagt das Ideal des American Dreams – geistert schon seit langer Zeit in den USA herum und streckt nun auch seine Klauen nach Europa aus. “The American way of life” oder “den amerikanischen Traum träumen – auch außerhalb der USA” so wird das ganze Phänomen betitelt. Doch blickt man einmal hinter die Fassade des Wunderlandes, so ähnelt es doch eher einer düsteren Version von Alice im Wunderland, in welcher die Herzkönigin gewinnt. Von wegen all umfassende Freiheit und (Chancen-)Gleichheit!

Ãœber die Aussage Rafael Cruz’ – ein amerikanischer Politiker – bezüglich des American Dream kann man eigentlich nur zynisch lächeln: “Only in America can someone start with nothing and achieve the American Dream. That’s the greatness of this country!” Es tut mir sehr leid Herr Cruz, aber irgendwie kann ich nicht nachvollziehen, was den American Dream so speziell macht. Denn eigentlich besagt der Amerikanische Traum, dass jeder das Recht hat, nach Glück zu streben, jeder alles durch genug Arbeit erreichen kann, dass es Gleichheit und Freiheit gibt und so weiter und so weiter. Es ist ja nicht so, als würden wir hier in Europa mit Trauermienen herumlaufen und nicht nach Glück streben, es ist auch nicht so, dass uns Freiheit und Gleichheit nichts bedeuten, auch wenn man sich in Deutschland nicht einfach so eine Pistole anschaffen kann, was aber sicherlich anderen Tatsachen geschuldet ist. Und das Phänomen à la „vom Tellerwäscher zum Millionär“… tja, das tritt hier genauso selten auf wie in Amerika. Warum den American Dream nicht einfach „The worldwide Dream“ nennen? Und was soll an Amerika so besonders sein, dass dieses Phänomen oder Wunder nur dort auftritt?

Dennoch: Tatsache bleibt, dass sich tausende von Immigranten pro Jahr auf den Weg nach Amerika machen, um diesen ominösen Traum zu finden; jeder will sein Stück vom amerikanischen Traum abhaben, doch die wenigsten – wenn überhaupt einer – erreichen es.

Irgendwer mag jetzt kommen mit „Aber Amerika macht doch so viel Großartiges….“ und das möchte  ich hier auch gar nicht bestreiten, sicherlich wären wir ohne Amerika heute ganz wo anders, aber die Frage ist doch eher, wohin sich Amerika gerade entwickelt.

Irgendwie ist es ja auch ein schöner Gedanke im Superduperland, das in meinen Augen denselben Wirklichkeitsanspruch wie Alice im Wunderland hat. Hier gibt es keine Problem hinsichtlich der Ansichten von Gerechtigkeit, denn jeder kann ja praktisch alles erreichen. Wer nichts hat, ist selber schuld. Der Großteil der Bevölkerung des Regenbogenzuckersuperduperlandes, feiert die Toleranz und generell sind hier alle glücklich. Doch wie bei Alice im Wunderland, kann auch hier alles in sich zusammenbrechen und zurück bleibt die wütende Herzkönigin, die einsam und allein über das Gerippe des American Dreams schaut.

Soziale Ungerechtigkeit, fehlende oder unzureichende Sozialversicherungen, immer noch existierender Rassismus, Fundamentalismus, Guantanamo, … – all diese Missstände in den USA sind offene Geheimnisse, offene Tatsachen, die dem American Dream schon vor langer Zeit die Maske vom Gesicht hätten reißen sollen. Und doch glauben viele noch daran.

Vielleicht ist es wegen der „One-Hit-Wonders“ der Nation, vielleicht liegt es an den wenigen, die tatsächlich so viel Glück hatten. Vielleicht liegt es an den wenigen Tellerwäschern, die Millionäre wurden, dass man an so etwas wie Gerechtigkeit glaubt ; vielleicht ist es wegen Präsident Obama, dass man denkt, Amerika hätte keine Probleme mehr mit Rassismus. All diese Phänomene, die eine Nation bis in dem Himmel hypt, sodass man leichter über die offenen Missstände hinweg sieht. Oder vielleicht geht die große Anziehungskraft Amerikas auch einfach von den Rockey Mountains aus, was weiß ich.

Eins ist klar, das große Lachgesicht, dass über Amerika scheint, ist weitaus mehr als Illusion. Denn „Illusion“ wäre dafür noch ein Euphemismus. Muss man den American Dream also für tot erklären? Vielleicht sollte man in Amerika der Wahrheit ins Auge blicken und schon mal vorsorglich eine Graberede für den Amerikanischen Traum verfassen und den Sarg unter die Erde bringen. Vielleicht wäre es aber auch einfach besser weiter im Quietscheentenwunderland zu verbleiben, denn einige wenige in diesem riesigen Land schaffen es ja schließlich dem „American way of life“ zu folgen und damit auch den American Dream zu leben, der Rest träumt während dessen weiter vor sich hin.

Oder vielleicht versteckt sich hinter dem Begriff des American Dreams auch etwas ganz anderes, vielleicht ist der American Dream auch einfach nur Geldschaufelei. Hier bediene ich mich ebenfalls wieder eines Zitates von Rafael Cruz, über das man nicht mal mehr lächeln kann. “Social justice is a cancer. Social justice means you are ruled by whatever the mob does. What social justice does is destroing individual responsibility.” Vielleicht meint der American Dream in dem Sinne ja einfach nur mit individueller Freiheit auf der einen Seite stinkreich zu werden und zu sein, ohne an soziale Gerechtigkeit denken zu müssen, und auf der anderen Seite die Freiheit zu haben, zu verhungern.

Und während ich so über den Friedhof des Quietscheentenlandes laufe, wird mir klar, dass die Bewohner vielleicht ihren American Dream brauchen, damit es ihnen schlicht besser geht. Traum heißt ja nicht zwangsläufig Wirklichkeit. Ob das nun an Naivität oder einfach bewundernswerter, optimistischer Einstellung liegt, nun ja, das bleibt jedem selbst überlassen. Wie auch beim Genie und Wahnsinn wird dies nur durch einen schmalen Grat getrennt.

Letzendlich lässt sich sagen: Entweder der amerikanische Traum ist tot oder aber hinter dem Begriff versteckt sich eine unangenehme Wahrheit. So oder so: Die Exportfähigkeit von beidem zweifle ich stark an.

Bildquelle: National Park Service über Wikimedia Commons

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Quelle: derfarbfleck
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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 28. November 2014
Kategorie: Die Welt da draußen

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