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Die Welt da draußen

Ist Streik der richtige Weg?

von Katharina JansKONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Jeder Mensch hat Wünsche, Forderungen und Erwartungen. Sowohl an sich selbst, als auch seine Umwelt. Einige davon lassen sich entweder problemlos erfüllen, andere benötigen viel Engagement, Ehrgeiz, Fleiß oder manchmal auch Geld. Wieder andere sind größer und komplexer und die Erfüllung hängt von vielen Faktoren ab.

Schon Kindern bringt man bei über seine Wünsche zu sprechen. Sie sollen sagen, warum sie den Wunsch haben und sollen dann auch verstehen, welchen Aufwand es für sie selbst und andere es bedarf, genau diesen Wunsch erfüllt zu bekommen. In einer Freundschaft oder Beziehung sollte man über seine Erwartungen reden, um dem anderen die Möglichkeit zu geben, diese zu verstehen und damit auch die Situation und das Verhalten des Partners zu verstehen. Und im Job muss man seine Forderungen ebenfalls verständlich formulieren und begründen, warum man für seine Leistung eine bestimmt Gegenleistung haben möchte.

Klingt alles ganz logisch. Aber warum machen das Erwachsene nicht immer? Warum benehmen sie sich wie schmollige Kleinkinder, streiken, lassen ihre Arbeit einfach liegen und schaden damit vielen Menschen, die für ihre Unzufriedenheit wegen unerfüllter Wünsche und Forderungen gar nichts können.

Wie zum Beispiel am Wochenende 18.-20. Oktober 2014 die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) es getan hat: 50 Stunden Arbeitsstreik. Zugausfälle an einem Wochenende, an dem in einigen Bundesländern die Ferien enden, in anderen beginnen, Fußballfans ins Stadion und natürlich die „ganz normalen Pendler“, oder Internatsanreisende wie wir, ihre geplante Strecke fahren möchten. Und nun steht schon die nächste Runde vor der Tür – vom morgigen Mittwoch bis zum Montag werden die vertrauten Pfiffe am Bahnsteig wieder nur unregelmäßig ertönen.

Doch zurück zu dem Fall am Wochenende: Rund zwei Drittel aller Züge sind ausgefallen und haben Chaos verursacht. Aber die meisten Betroffenen können nichts für die Diskussionen zwischen der GDL und den Vorsitzenden, sie werden in diesen Streit mit einbezogen ohne sich wehren zu können. Die Bahn-Kollegen der Lokführer (die Kollegen am Schalter oder an den Telefon-Hotlines) müssen deshalb ein Vielfaches mehr Einsatz bringen.

Ebenso können die Fluggäste nichts für die Streitigkeit zwischen der Vereinigung Cockpit und der Lufthansa. Aber leiden müssen die, die ihren geplanten Flug nicht wahrnehmen können. Oder die berufstätigen Eltern, die vor einigen Monaten vor verschlossenen Kindergärten standen, weil die Erzieher streikten. Oder Kranke, deren Operation verschoben wurde, weil die Ärzte ihre Arbeit niederlegten.

Ist ein Streik der richtige Weg, seine Forderungen durchzusetzen?

An sich ist die Idee des Streikens keine schlechte Idee, solange die Streikenden unersetzbar und die Forderungen gerechtfertigt sind. Leider ist es aber so, dass bei Streiks neben der Genervtheit der unschuldigen Betroffenen, extrem viel Neid aufkommt, weil plötzlich offen über Leistungen gesprochen wird und diese vergleichbar werden: wer arbeitet wie viel Stunden, wer bekommt welches Gehalt. Plötzlich werden Stundenlöhne und Arbeitszeiten verglichen, die nichts miteinander zu tun haben. Zahlen, die Verantwortung, Ausbildung, Werdegang komplett außer Acht lassen. Es ist wichtig, alle Details zu kennen, bevor man sich – nicht selten aus Wut oder Neid heraus – eine Meinung bildet.

Wichtig als Streikender ist es, auf dem Boden zu bleiben und zu überlegen, ob man seine Forderung der Öffentlichkeit auch als Einzelperson erklären könnte. Oder ob der Streik nur zustande kommt, weil man sich mit seiner Forderung gerne einer Gruppe anschließt, anonym bleibt und es in einer Gewerkschaft so einfach gemacht wird im Hintergrund unerkannt Druck zu machen. Müsste jeder einzelne Lokführer, jeder Pilot, jeder Kindergärtner oder Arzt (die oben angeführten Berufsgruppen, es gibt weitaus mehr Streikende!) seinem Chef unter vier Augen seinen persönlichen Mehrwert erklären, wäre der ein oder andere sicher doch mit seiner Bezahlung zufrieden. Oder müsste gar eingestehen, dass er im Vergleich gar nicht so schlecht dasteht.

Aber Anonymität in der Gruppe lässt manche Menschen anders werden.

 Bildquelle: bigbug21 über Wikimedia Commons

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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 05. November 2014
Kategorie: Die Welt da draußen

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