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Die Welt da draußen

Der philosophische Krieg


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von Ira WelzIS Réfugié_kurde_à_MursitpinarIS Réfugié_kurde_à_MursitpinarIS Réfugié_kurde_à_Mursitpinar

Jeder weiß es, jeder sieht es, die ganze Welt zeigt mit dem Finger: Es ist wieder Krieg, in Syrien lebt der Terror. Und nicht nur das, es ist nicht Krieg zwischen dem Christentum und dem Islam, oder Krieg zwischen Syrien und den USA – Nein, es ist Krieg zwischen Syrern und Syrern.

Auch der IS teilt das  sowieso schon stark angeschlagene und von Unruhen durchzogene Land – und die Meinungen der Nationen rund um den Globus gleich mit. Die USA reagieren auf die Provokationen, als hätte ihnen ein räudiger Hund ans Bein gepinkelt, die Franzosen liefern Waffen und die Deutschen diskutieren. Ein Ende ist nicht in Sicht, die Berichterstattungen überschlagen sich und brechen jeden Tag aufs Neue wie eine Welle über den politikbewussten, deutschen Durchschnittsbürger ein. Und jeder spricht darüber. Darf man sich in die Angelegenheiten von anderen Staaten militärisch einmischen? Darf man Menschen töten, um andere vor dem Tod zu bewahren?  So manch ein Deutscher gerät in Rage beim Debattieren um die Todesstrafe, und stimmt doch für einen Einsatz in Syrien, um der Terrororganisation „Islamischer Staat“ ein für alle Mal ein Ende zu bereiten – militärisch natürlich, denn sie sollen mit dem Tod bezahlen, so wie alle unschuldigen Opfer, die ihre grausamen Taten die Welt gekostet hat. Die Ethik, Philosophie und Doppelmoral hinter dem Krieg ist groß, keiner kann es umgehen, sich Gedanken zu machen.

Und die große Frage, die über all den Geschehnissen und dem Geschehenen steht, ist das Warum.

Alle zeigen mit dem Finger, die ganze Welt schaut nach Syrien. Was bewegt den IS? Was bewegt alte und junge Menschen rund um den Globus, nach Syrien oder in andere Länder in den sicheren Tod für eine Organisation zu reisen? Was bewegt Teenager, von zu Hause los zu pilgern, um für die Ideale einer Rechtsradikalen Vereinigung  zu sterben, die bereits in der Vergangenheit viel Leid in die Welt getragen hat? Es muss einen Reiz geben, den wir nicht verstehen können, und als „wir“ lässt sich nicht einmal eine Gruppe definieren, nicht die Deutschen, nicht Europa, nicht der Westen. Stimmen und Berichte werden laut, die von Europäern, ja auch Deutschen schildern, die sich aufmachen, um in Syrien einen religiösen Tod zu sterben, jung und alt, männlich und weiblich, christlich und muslimisch, religiös oder nicht. Ist es die Verzweiflung? Weil sich der Sinn des Lebens niemals allgemein definieren lassen wird und vor allem Teenager oft erdrückt werden von der Absurdität des Lebens? Es scheint dieses allgemeine Phänomen zu sein, das vor allem Teenager Jahr für Jahr in den Bann von rechtsradikalen Vereinigungen zieht; so wie es damals NSU-Mitglied Beate Zschäpe erging. Der Wunsch nach Identität und Zusammenhalt ist mächtig; viele Teenager sind in Gefahr, und erschreckend ist, wie egal die soziale Stellung dabei ist. Nur, wofür kämpfen sie? Für eine Islamistische Welt? Und dann? Oder ist es nur der Geltungsdrang, der als Treibstoff für die Aktionen dient? Einmal im Leben etwas getan zu haben, was auf allen verschiedensten vorstellbaren Sprachen in aller Munde ist und wovon vielleicht sogar die Nachwelt noch erfahren wird?

Fakt ist, dass sich die Meinungen bezüglich allem rund um den Islamistischen Terror teilen, egal, in welcher Hinsicht. Und egal, welche Gründe die Beteiligten für ihre grausamen Taten haben mögen, gefährdet werden die Leben von vielen tausenden anderen Menschen, und die nächsten Fragen, die sich nicht jetzt und wahrscheinlich auch nicht in fünf Jahren beantworten lassen, sondern vielleicht erst in 50 oder 100, tun sich auf. Was ist das Richtige, was jetzt zu tun ist ? Was soll die Welt tun? Was kann man gegen rechtsradikales Gedankengut noch tun, außer zu versuchen, Jugendliche aufzuklären? Ist es die richtige Entscheidung, die Initiative zu ergreifen und radikal militärisch gegen Terror vorzugehen? Oder ist es doch richtig den Prozess langsam vorangehen zu lassen, ohne Öl ins sowieso schon auflodernde Feuer zu gießen? Man fühlt sich wie in einem Vakuum – Die Zukunft des Krieges scheint ungewiss, und es wird noch lange dauern, bis ein valides Urteil möglich sein wird.

Was Deutschland dem Konflikt beizutragen hat, scheint ebenfalls immer noch unklar zu sein. So manch eine Stimme aus dem Volk wird vorwurfsvoll laut und meint, dass Deutschland nie die Initiative ergreift, und sich aus sämtlichen Konflikten heraushält – und, dass es höchste Zeit ist, dass die Deutschen ebenfalls seinen (bedeutenderen) Teil zur Krise beiträgt. Vor allem Angela Merkel war zeitweise stark in der Kritik, was das anging. Ist das gerechtfertigt? Geht Deutschland eine Krise, die nicht nur territorial weit von Deutschland entfernt ist, etwas an? Sicher ist dabei jedoch eines, was oft doch außer acht gelassen zu sein scheint – Je mehr Parteien an einem Krieg teilnehmen, desto grösser, umfangreicher und vor allem auch weitreichender wird er. Die Gefahr ist, wenn sich der einen Seite Parteien anschließen, wird auch die andere Unterstützung bekommen. Die andere Frage ist, was Deutschland in der Krise denn beitragen könnte, mehr Soldaten und mehr Waffen werden den Krieg sicher nicht beenden. Es geht um Gedankengut, und, was nicht vergessen werden sollte, eine innenpolitische Krise. Und ob Waffen und mehr Soldaten eine solche Krise, bei der es auch um eine erhoffte politische Neuordnung eines gesamten Landes aufgrund des Willens nach mehr Freiheit zu Entscheidungen des Volkes geht, ist sicherlich auch nicht ganz unfragwürdig. Ist die Neuordnung eines Landes, welches Regierung oder gar Regierungsform, ändern möchte, nicht ein Prozess, der immer schon eine lange Zeit und mehr als eine Generation benötigt hat? Kann eine militärische Einmischung heutzutage dabei überhaupt noch hilfreich sein?

Es ist auf jeden Fall  (egal, was man darüber denkt) interessant, wie der Krieg sich entwickeln und ausgehen wird – denn die heutige Welt wird sicherlich noch des Öfteren in der kommenden Zeit auf solche Krisen vorbereitet sein müssen; immer öfter gibt es innenpolitische Schwierigkeiten, immer mehr Bürger kämpfen für mehr politische Mitbestimmung und Freiheit. Und auch rechte Gruppierungen, die ihre radikal religiösen Ansichten verbreiten wollen, werden dabei sicherlich noch öfters auftauchen, viele Menschen schließen sich ihnen an, auf der Suche nach Sinn, Mitbestimmung, Religion, oder was auch immer die Gründe sein mögen. Und  die Welt kann aus der Syrien-Krise sicherlich auch für die Zukunft viel lernen, denn die Philosophie, die hinter den Taten aller beteiligten und unbeteiligten Gruppen steht, ist sicherlich eines: zeitgemäß, interessant, und auch zukunftsweisend, denn viel verbreitetes Gedankengut und Einstellungen, egal, wie man selbst das eigene und das der anderen bewertet, entspricht einem Zeitgeist, der in eine bestimmte Zukunftsrichtung hinweist. Ob einem selbst das gefällt oder nicht, sei dahingestellt. Diesen aber trotzdem zu erkennen hilft sicherlich, kommende Krisen dieser Art bestmöglich zu lösen – Denn aus Fehlern lernt man.

Bildquelle: Al Jazeera English über Wikimedia Commons

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 23. October 2014
Kategorie: Die Welt da draußen

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