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Wir hier drinnen

Du darfst auch Sie zu mir sagen

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von Pascal Winterhalter

Gespannt wartete ich auf die Frage die allen Gerüchten nach am Anfang der Oberstufe gestellt werden würde. Siezen oder Duzen? Die Tage vergingen, der erste Turnus ging vorüber und nicht ein Lehrer hat mir diese Frage gestellt.

Sollte das Siezen doch nur eine Mythe sein, überliefert aus einer Zeit ohne IKEA?

Wir leben mit unseren Lehrern auf unserem gemeinsamen Campus, werden von ihnen geweckt, unterhalten uns mit ihnen, kochen gemeinsam mit ihnen und werden von ihnen unterrichtet. Wir bilden, ob es uns nun passt oder nicht, eine große LGH-Familie, zu der eben auch unsere Lehrer gehören; und trotzdem siezen wir unsere Lehrer, weil es sich so gehört.

In Schulbüchern, in Aufgabenstellungen, in Studienratgebern und sogar im Abitur werden wir Schüler gesiezt, nur unseren Lehrern fällt das nicht einmal ein.

„Dürfte ich bitte Ihren Ausweis einmal kurz sehen?“, die nette Dame an der Supermarktkasse siezt mich; „Entschuldigen Sie bitte, wo geht es denn hier zur Landesgartenschau?“, der orientierungslose Autofahrer siezt mich; „Womit kann ich Ihnen behilflich sein?“, der forsche Beamte, der meinen Reisepassantrag bearbeitet, siezt mich; nur unseren Lehrern fällt das nicht einmal ein.

Sherlock siezt Watson, Lanz siezt Lohmann,  Netzer siezt Delling; nur unseren Lehrern fällt das nicht einmal ein.

Es ist sicherlich ein komisches Gefühl bei einem Schüler, den man jahrelang geduzt hat, plötzlich zum Sie zu wechseln. Gerade das  Internat kann da ein Gefühl der Beklommenheit hervorrufen – hat man den Schüler in der WG, spielt mit ihm Skat, hat man ihn als GM-Schüler, so ist es durchaus nachzuvollziehen warum die Lehrer gerne beim Du bleiben würden.

Suggeriert man den Schülern mit dem Sie nicht aber andererseits auch, dass sie jetzt reifer sind, mehr Freiheiten, Pflichten, Verantwortung haben und die Erwartungen an Sie höher geschraubt werden?

Ich erwarte keinesfalls gesiezt zu werden – ich gehöre zu den Leuten, die das als unangenehm empfänden. Aber finde es dennoch mehr als schade, dass die fakultative Frage – meinetwegen mit dem hastig angefügten „Aber wir bleiben doch beim Du!?“ – ausbleibt und einfach das Thema totgeschwiegen wird.

Bildquelle: privat

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 12. October 2014
Kategorie: Wir hier drinnen

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2 Kommentare zu “Du darfst auch Sie zu mir sagen”

  1. Meiner Meinung nach wird das Thema keinesfalls totgeschwiegen. In den meisten Kursen wird den Schülern Anfang des Jahres immer – wenn auch nur pro forma, da es sowieso schon klar ist, dass alle beim du bleiben wollen – das Sie angeboten. Wenn das dann mal irgendein Lehrer oder irgendeine Lehrerin auslässt, dann doch sicherlich nicht, weil das Siezen der Schüler “totgeschwiegen” werden soll, vielmehr weil man es vermutlich einfach vergisst, da – wie Du ja bereits erwähnt hast – es den meisten Schülern nicht anders gehen wird als Dir und ihnen gesiezt zu werden unangenehm wäre.

    Geposted von Anonymous Orange | October 12, 2014, 12:44 | Antworten
    • In den meisten Kursen wird leider nicht pro Forma das Sie angeboten. In jedem einzelnen meiner Kurse – und wen ich auch gefragt habe, keiner konnte mir etwas Gegenteiliges berichten – wurde die Frage vergessen bzw. einfach nicht gestellt. Natürlich ist es eine Möglichkeit, dass die Frage vergessen wird. Ich finde dennoch, dass das Sie angeboten werden sollte, einzig und allein um uns aufzuzeigen, dass wir ernst genommen werden und jetzt auch im internatlichen Bereich mehr Freiheiten haben, sowie für uns selbst verantwortlich sind.
      Meiner Meinung nach sollte man auch zu seinen Kommentaren unter Artikeln stehen und seinen richtigen Namen dafür benutzen. Aber das bloß am Rande.

      Geposted von Pascal | October 12, 2014, 13:08 | Antworten

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