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Die Welt da draußen

In Vielfalt vereint

2390666040_5a9d52b896_ovon Marie Völkering

Es trug sich zu im Jahre 2000, dass ein Schülerwettbewerb stattfand, ein Motto zu finden für den Staatenbund, der mittlerweile achtundzwanzig Staaten unseres Kontinents vereint. Nach vielen Diskussionen und mehreren Runden entschied man sich für ein Motto, das man noch leicht abänderte, um es perfekt auf diese Union anzupassen.

Die EU vertritt achtundzwanzig Länder aus Ost- und Westeuropa, vierundzwanzig Amtssprachen, zwölf Währungen, alle fünf Weltreligionen und unzählige weitere Glaubensgemeinschaften sowie Ethnien, die in ihrer Zahl diesen Text sprengen würden. Sie bildet mit vielen Staaten eine Wirtschafts- und Währungsunion, die den europäischen Binnenmarkt florieren lässt. Doch zu einer so großen und umfassenden Gemeinschaft gehört nicht nur das Geschäft, wir sind auch Europäer, wenn wir den Telefonhörer aus der Hand legen und alle Akten abheften, den Wachdienst im Containerhafen beenden und uns der Börse abwenden, wenn wir uns Familie und Freunden, Hobbys, Bildung, den persönlichen Dingen widmen, was heißen soll, dass die EU nicht zuletzt auch eine sozialgemeinschaftliche Seite umfasst – umfassen muss.

Schön wär’s! Seit 1990 aber ließen 184 Menschen ihr Leben. Allein in Deutschland – allein wegen rechter Extremisten, die es für notwendig halten, Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion zu demütigen und ihnen ihr Leben zu nehmen, nur weil es unter anderen Umständen erfolgt als das eigene. In Ostdeutschland steigt stetig die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten. Und auch politisch feiert die extreme Rechte Erfolge: Geert Wilders kann längst voller Motivation für die niederländische PVV, „Partij voor de Vrijheid“, ins Europaparlament spazieren. Er möchte „den Völkern ihre Freiheit zurückgeben“, er will von Europa befreien. Wirtschaft ist gut – Vielfalt scheinbar eher unerwünscht, andere Völker sollen lieber wieder für sich selbst leben statt sich uns aufzudrängen. Es klingt absurd, doch gibt es offenbar Menschen, die in einer Gemeinschaft der Völker, einem Staatenbund, doch lieber keine anderen Völker haben wollen, aber dem Geld zuliebe muss es halt sein. Der Kompromiss sind unmenschliche Taten ohne jeden ordentlichen Beweggrund.

Opfer sind dabei aber nicht einmal nur andere Völker, sondern ausnahmslos alle, die anders sind. Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuelle haben es furchtbar schwer in unserer Gesellschaft. Zwar wird in der Schule oder bei der Arbeit nicht mit der Wimper gezuckt, weil Sanktionen drohen. Auf dem Heimweg begegnet jemand, der sich nicht hinter dem Durchschnitt versteckt, dennoch oft nur Beleidigungen, oft spielt auch hier Gewalt eine maßgebliche Rolle. Ist es denn so schwer, jemanden anzuerkennen, wie er ist?

Im Büro schließen wir Freundschaften mit Kollegen, in der Schule mit Klassenkameraden. Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, stehen auch fast immer in einer sozialen Beziehung zu uns. Begründete Antipathie ist nicht schlimm, sondern im menschlichen Umfeld unumgehbar und existenziell. Unbegründet zeugt sie lediglich von sozialer Inkompetenz. Ebenso ist es in unserer EU, unserer Wirtschaftsgemeinschaft, in der wir zusammenarbeiten. Soziale Beziehungen sind auch europaweit wichtig, ein gepflegtes Miteinander der Schlüssel zum Erfolg. Wenn man sich aber nicht einmal vor die Tür trauen kann, weil man Angst vor Intoleranz und Gewalt haben muss, ist eine Zusammenarbeit nicht möglich. Es ist grausam, dass hinter all den Geschäften das soziale Feld EU untergeht.

Im Jahr 2000 fand der Schülerwettbewerb zum Europamotto statt. Das Ergebnis war „In Vielfalt geeint“ – eine dreiste Lüge, die wir uns jeden Tag wieder selbst vorlügen.

Ein Europa der Wirtschaft und der Verachtung ist geboren, die Geld- und Hassunion. Es ist Aufgabe von uns allen, den Frieden Europas zu sichern und zu leben, statt uns selbst zu zerstören. Wer den Frieden haben und die soziale Freiheit und Möglichkeit bewahren will, sei gebeten, sich mit mehr als den eigenen vier Wänden zu beschäftigen, sich über die Gesellschaft zu unterhalten und die Gesellschaft politisch zu bereichern, indem er zu dem steht, was er ist und was er will. Er sei aufgerufen, seine Meinung am 25. Mai kundzutun, wenn er die Möglichkeit hat, ein Kreuz zu setzen. Wer die EU und unsere sozialen Werte zerstören will, hat Motivation, am Wahlsonntag teilzuhaben. Umso wichtiger ist es, dass die EU im Sinne ihrer sozialen Werte diese Zerstörung verhindert.

 

Bild: Rock Cohen via flickr.com

 

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Quelle: derfarbfleck
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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 21. May 2014
Kategorie: Die Welt da draußen

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