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Die Welt da draußen

Bildungsplan unterm Regenbogen

File:Rainbow flag and blue skies.jpgvon Theresa Friedle

Nach Schweinegrippe, Vogelgrippe und Ehec nun die neueste Skandalkrankheit: Homosexualität. Mögliche Symptome sind, wie uns ein Lehrer aus dem Nordschwarzwald mitteilt, Drogenmissbrauch und erhöhte Suizidgefahr. Ansteckungsgefahr besteht hauptsächlich an Schulen, wenn den Schülern zum Beispiel mitgeteilt wird, diese Krankheit sei gar keine Krankheit. Zack! Ist die gesamte Klasse homosexuell.

Bevor mich jetzt die Ersten für verrückt erklären: Nein, das ist nicht meine Meinung. Aber anscheinend ist es die von fast 150.000 Menschen, die die Petition gegen den neuen Bildungsplan unterschrieben haben. Für viele ist diese Zahl ein erschreckendes Zeichen der Homophobie. Doch wie passt dazu, dass 62 % der Männer und 72% der Frauen laut eigener Aussage „keine oder nur wenige Vorbehalte gegen Homosexuelle“ haben? Immer frei nach dem Motto, sollen sie doch schwul sein, solange ich ihnen dabei nicht zuschauen muss?

So einfach  ist es nicht. Aus der Petition gegen den Bildungsplan 2015 spricht nämlich nicht nur die Angst vor einer „ideologischen Umerziehung“ der Schüler, sondern vor allem die Befürchtung, dass die Schule als homophober Ort abgestempelt werden soll. Denn wenn die Schule nicht homophob wäre, müsste man den Lehrern ja nicht vorschreiben, dass sie weniger homophob werden sollen. Hinzu kommt das Verhältnis zwischen Schule und Elternhaus, dass durch den neuen Bildungsplan gefährdet werde. Dieses Thema scheint der Petition sehr wichtig zu sein, dennoch geht sie hier von falschen Annahmen aus. Denn die Aufgabe der Schule ist nicht, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, sondern die  Schüler zu Erwachsenen zu erziehen, die sich als wertvoll für unsere Gesellschaft erweisen. Und zu dieser Gesellschaft gehört eben zunehmend der Umgang mit sexuellen Minderheiten, die im Allgemeinen unter LSBTTI (Lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell) zusammengefasst werden. Daher ist es notwendig, die Schüler darauf vorzubereiten, mit diesen Minderheiten respektvoll umzugehen, ebenso wie in Schulen auch dem Rassismus und dem Sexismus vorgebeugt wird. Damit wird auch die Angst vor einer Umerziehung ad absurdum geführt.

Das eigentliche Problem ist jedoch wohl wirklich die erhöhte Anzahl an Suizidversuchen unter homosexuellen Jugendlichen. Es sind sich auch alle einig, dass sich das ändern muss. Nur nicht darüber, wie. Wie vermutlich die meisten, geht die Landesregierung davon aus, dass die erhöhte Abrutschgefahr homosexueller Jugendlicher eine Folge der Diskriminierung und Ausgrenzung ist. Daher soll das Thema präsenter werden, um diesen Jugendlichen das Gefühl des „nicht-dazugehörens“ zu nehmen.

Im Gegensatz dazu gehen die Befürworter der Petition davon aus, dass die Landesregierung die Probleme homosexueller Jugendlicher auf „gesellschaftliche Akzeptanzfragen“ verkürze. Vielmehr gebe es einen direkten Zusammenhang zwischen Homosexualität und Suizidgefahr. Als Beweis werden mehrere Studien angeführt, die zeigen, dass Homosexuelle, die einen Suizidversuch überlebten, meist Gründe für den versuchten Suizid angaben, die nichts mit ihrer Homosexualität zu tun haben. Jedoch stellt sich die Frage, ob das genannte Beispiel Liebeskummer wirklich nichts mit der eigenen Sexualität zu tun hat.

Den unwahrscheinlichen Fall einmal angenommen, diese These ist richtig, birgt sie dennoch keine Lösung. Denn die Sexualität eines Menschen ist keine Entscheidung, die er bewusst trifft. Daher hilft es auch nichts, sie feige zu verschweigen, in der Hoffnung, damit irgendetwas zu verhindern. Denn das Diskriminierung die Lage sexueller Minderheiten zumindest nicht verbessert, ist auch klar.

Die Befürworter der Petition sollten sich überlegen, für was es sich lohnt, zu kämpfen, denn es gibt wahrlich echte Missstände in Deutschland. Und es ist traurig genug, dass es nötig ist, Schülern den Respekt vor anderen Menschen in der Schule beizubringen.

Bild: Ludovic Bertron via Wikipedia.org

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 24. January 2014
Kategorie: Die Welt da draußen

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3 Kommentare zu “Bildungsplan unterm Regenbogen”

  1. Nach einer bewusst polemisch-überzogenen Einleitung, die dennoch einen gewissen Unterhaltungswert hat, und nach der Bemühung des ideologischen und problematischen Begriffs der Homophobie, der in diesen Tagen in der Debatte nie fehlen darf, wenn die Autorin auch die Definition des Begriffs oder die Studien vermissen lässt, die deren Existenz überhaupt belegen, und nach einem Mittelteil der im Wesentlichen aus der Präsentation von Wertungen als angebliche Fakten und aus Zirkelschlüssen besteht, auf den ich nicht weiter eingehen möchte, wird doch zumindest gegen Ende eine kurze argumentative Abhandlung über den Zusammenhang zwischen Suizid und Homosexualität gebracht. Diese Tatsache, der Versuch die Diskussion zu versachlichen, muss sehr begrüßt werden. Denn auf ein Argument kann man antworten und auch das trägt zu einer Versachlichung der Diskussion bei. Wer weiß, vielleicht können die Schüler des LGH in dieser in weiten Strecken irrational geführten gesellschaftlichen Auseinandersetzung mehr Sachlichkeit in die Diskussion bringen, was sehr zu begrüßen wäre.
    Nun aber zu dem Argument.
    Unbestritten ist die erhöhte Anzahl von Suiziden unter Homosexuellen. Je nach Studie kann von einem drei bis zehnfach erhöhten Risiko ausgegangen werden. Sowohl Bildungsplan-Befürworter als auch Bildungsplan-Gegner sind sich darin einig. Uneinigkeit besteht in der Interpretation der Ursachen. Und die Interpretation von Ursachen ist immer eine heikle Angelegenheit, weil in diesem Gebiet immer sehr gerne spekuliert wird. Und auch die Tatsache der unterschiedlichen Ursacheninterpretation (Diskriminierung versus direkter Zusammenhang Homosexualität – Suizid) wird im Artikel schön herausgearbeitet.
    Dann wird die Argumentation etwas schwammig, weil der Suizidgrund “Liebeskummer” zwar schon etwas mit Homosexualität zu tun hat, aber dennoch nicht mit Diskriminierung aufgrund von Homosexualität. Es ist also kein Argument für den Bildungsplan.
    Demgegenüber muss festgehalten werden dass Studien in besonders homosexuellen-freundlichen Staaten belegen, dass Suizid und Diskriminierung nicht korrelieren. Die Oxford Studie “The association between relationship markers of sexual orientation and suicide: Denmark, 1990-2001″ in Dänemark beispielsweise belegt, dass die Selbstmordrate unter Homosexuellen immer noch 8-mal höher ist als im Bevölkerungsdurchschnitt. In Dänemark ist bereits seit 1990 die eingetragene homosexuelle Partnerschaft legal. Interessant ist auch dass die Selbstmordrate unter Männern, die in einer solche legalen Beziehung leben sogar noch höher ist als unter Homosexuellen allgemein.
    Die Studie “Marriage, cohabitation and mortality in Denmark: national cohort study of 6.5 million persons followed for up to three decades,1982-2011″, veröffentlicht in der Zeitschrift “Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology” kommt zum Ergebnis, dass Männer, die in einer staatlich sanktionierten Verbindung leben sich mindestens viermal häufiger selbst töten als Männer, die mit einer Frau verheiratet sind.
    In jedem Fall muss deutlich festgehalten werden dass die Interpretation der Ursachen für die erhöhte Suizid-Tendenz von Homosexuellen alles andere als eindeutig ist. Und die Schlussfolgerungen, die aus unterschiedlichen Ursachen gezogen werden müssen, sind ebenso vollkommen unterschiedlich. Denn wenn sich herausstellt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Homosexualität und Suizid gibt, dann ist es mehr als kontraproduktiv darauf hinzuwirken, dass Schüler zu einer “Akzeptanz” der Homosexualität als mit der Heterosexualität gleichwertig verpflichtet werden sollen – was im Ãœbrigen auch der Gewissensfreiheit widerspricht.
    Da der Bildungsplan aber keinen Raum mehr lässt, um diese wichtige kontroverse Diskussion überhaupt zu führen, sondern verpflichtend und einseitig die “Akzeptanz” von SLBTTIQ Lebensformen von schulischer Seite aus vorschreibt, eben darum ist es so wichtig die Petition zu unterstützen, die sich gerade gegen die Ideologisierung der Debatte richtet. Denn es gäbe in diesem Zusammenhang noch zahlreiche weitere Fragen zu beleuchten, nämlich warum die Verhaltensweisen SLBTTIQ nun ausgerechnet akzeptabel sind, aber andere darüber Hinaus gehende nicht. Auf das ist völlig intransparent und erscheint willkürlich. Beispielsweise konnte die Frage nach der Definition der “sexuellen Vielfalt” in der Landtagsdebatte am 21.1. von den Regierungsparteien nicht beantwortet werden. Es ist wichtig die Freiheit zu erhalten die verschiedenen Positionen mit klarem Verstand zu beleuchten und nicht im Licht der Vorgabe einer vorgeschriebenen Meinung, Haltung oder Einstellung.
    Es sollte eher Gewicht darauf gelegt werden Toleranz im Sinn der Respektierung einer Person zu lehren, auch wenn man deren Einstellung zu LSBTTIQ (oder zu einem anderen Thema) nicht teilt. Denn es gibt im schulischen Alltag zahlreiche Gelegenheiten die es erfordern respektvoll miteinander umzugehen, das beschränkt sich in keiner Weise auf diese Frage.

    Geposted von Familienmensch | January 25, 2014, 10:23 | Antworten
  2. @Familienmensch
    Also zuerst habe ich gehofft von ihnen ein gutes Argument zu hören, welches sachlich bleibt und nicht unterschwellig angreift. Doch dann beginnen sie damit zu sagen, dass niemand verpflichtet sei Homsoexualität zu akzeptieren und man dürfe Menschen auch nicht dazu zwingen. Dann frage ich sie, was hindert sie daran zu akzeptieren das jeder Mensch sexuell Selbstbestimmt handelt ? Und dann mit der Gewissensfreiheit zu argumentieren kommt wieder dem “Ich hab nichts gegen Schwule, aber ich wäre trotzdem froh wenn mein Sohn keiner wird” denken gleich.

    Es ist wichtig das in den Schulen darüber aufgeklärt wird, dass auch Homosexuelle einfach nur Menschen sind – um so Mobbing vorzubeugen, denn das ist leider an der Tagesordnung, auch wenn sie davon noch nichts mitbekommen haben. Wenn sie Homosexualität nicht mit der Heterosexualität gleichsetzen, widersprechen sie übrigens auch einem Urteil des BVerfG, welches eben genau das entschieden hat.

    Dieser Kommentar ist ein Schlag ins Gesicht aller “anders lebenden Menschen” und ich schäme mich dafür in unter so einem guten Artikel lesen zu müssen.

    Ãœbrigens hat dieser Bildungsplan nicht zum Ziel ihre Kinder zu Homsexuellen zu machen. Just Sayin.

    Geposted von Crticonrage | February 4, 2014, 02:20 | Antworten
  3. Ein guter Artikel.

    Ein Gedanke: im Artikel ist die Rede ‘vom Umgang der Gesellschaft mit sexuellen Minderheiten’.
    Dass klingt für mich so nach zwei getrennten Gruppen, hier die Gesellschaft, dort die Minderheiten, die anderen, die Unbekannten, irgendwelche Menschen in der Distanz.

    Ich würde bei diesem Thema an meine Tischnachbarn, Büronachbarn, Mitschüler denken. Ein, zwei, drei … Mitschülerinnen und Mitschüler der Klasse werden homosexuell sein! Ein, zwei, drei Dutzend in der Schülerschaft, ein paar der Lehrerinnen und Lehrer. Viele Heranswachsende werden gleichgeschlechtlich fühlen oder sich eines späteren Tages damit auseinandersetzen müssen.
    Liebe Theresa Friedle, vielleicht offenbart sich eines Tages ein Mädchen, eine Frau, dass sie in Dich verliebt ist, wie würdest Du damit umgehen? Ich hoffe genauso wertschätzend, wie gegenüber einem jungen Mann, der unglücklich verliebt ist, dessen Liebe Du nicht erwidern kannst.

    Das Thema sexuelle Orientierung betrifft uns alle und immer. Es ist nicht das Thema irgendeiner fernen Minderheit, es steht neben uns und mitunter auch in uns.

    Und bei der Reform des Bildungsplanes sollte es um Toleranz gehen. Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Ethnie, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, der Religion oder des Alters. Und ich meine es ist keine freigestellte Diskussion, sondern wir haben den gesellschaftlichen Willen, dass wir niemanden aufgrund seines Geschlechtes, seiner Rasse, seiner Behinderungen, seiner Orientierung, seiner Religion oder seines Alters diskriminieren.

    Auf ein freidliches, freundliches und wertschätzendes Miteinander.

    Geposted von Myself | June 18, 2014, 15:28 | Antworten

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