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Die Welt da draußen

Die ewig gestrige katholische Kirche

 ein Kommentar von Jakob Dürr

Die Hoffnungen waren groß, sowohl unter Kirchenanhängern, als auch unter Ungläubigen, dass der neue Papst Franziskus endlich der katholischen Kirche einen Schub versetzt und sie aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart bringt. Sie hat es aber höchstens ins 20. Jahrhundert geschafft, weiter ist unser aktueller Papst leider noch nicht, wie seine neuen Äußerungen zur Abtreibung zeigen.

Nachdem viele Menschen  darauf setzten, dass der neue Papst die katholische Kirche reformieren und sie weniger fortschrittsfeindlich machen würde, musste diese hoffnungsvolle Gruppe nun einen herben Rückschlag erleiden: Der Papst teilte am Montag in seiner Rolle als angeblicher Vertreter Gottes auf Erden mit, dass Abtreibung für die katholische Kirche immer noch ein Tabu darstelle und für ihn auf einer Stufe mit Kindesvergewaltigung, Kindesmord und dem Einsatz von Kindern als Soldaten stehe.

Die Argumentation gegen Abtreibung der katholischen Kirche ist fast immer dieselbe: Abtreibung ist Mord an einem Fötus und dies fällt unter das Verbot der 10 Gebote.

Selbst wenn wir das 5. Gebot als Verbot des Mordes an Menschen im Allgemeinen verstehen, tritt es nicht bei einer Abtreibung ein, die stattfindet, bevor ein Nervensystem entstanden ist, da zu diesem Zeitpunkt noch kein fühlendes Wesen und schon gar kein Mensch vorhanden ist.

Dennoch wird häufig angeführt, dass es sich bei einem Fötus um einen potentiellen Menschen handelt, welcher ein vollwertiger Mensch werden würde, gäbe man ihm Zeit zur Entwicklung. Selbst wenn sich eine Behinderung abzeichnen würde, könnte sich ein neuer Beethoven oder Hawking entwickeln.  Dies ist allerdings eine Scheinargumentation, da, wenn wir diesen Gedankengang fortführen, es ebenso verboten sein müsste, jegliche Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr auszulassen, da auch dabei ein potenzieller Beethoven oder Hawking entstehen könnte. So würden selbst hohe Kirchenvertreter, die noch im zeugungsfähigen Alter sind, ständig sündigen.

Davon abgeleitet muss man dann doch wohl in Kauf nehmen, dass nicht jedes mögliche Leben und nicht jede mögliche Kombination aus DNS- Bestandteilen auch so zustande kommt und nicht nur das Potenzial zu einem Menschen schon einen Menschen ausmacht. Wenn man diese Tatsache eingesehen hat, dann richtet sich der Blick auf die aktuell Lebenden und vor allem auf die lebenden Menschen. Dies ist die Gruppe derer, denen die Aufmerksamkeit der katholischen Kirche zukommen sollte und Mitgliedern dieser Gruppe der Lebenden kann durch die Möglichkeit der Abtreibung ungewollter Schwangerschaften sehr geholfen werden. Sie gibt Paaren die Möglichkeit der Planung und Frauen die Möglichkeit der Entscheidung darüber, was mit ihren eigenen Körpern passiert und passieren soll. Der Eingriff kann in vielen Situationen verhindern, dass sehr viel Leid entsteht, wenn eine werdende Mutter noch nicht oder überhaupt nicht auf eine Schwangerschaft eingerichtet ist, beziehungsweise  die äußeren Umstände gänzlich feindselig gegenüber einem Kind sind.

Eine Kirche wie die katholische, eine Kirche, die sich die Menschlichkeit und Nächstenliebe auf die Fahne geschrieben hat, eine solche Kirche verbietet ihren treuen Anhängern, die in Extremsituationen bei ihr Schutz suchen, eine Innovation, die Menschen Sicherheit und die Möglichkeit der Familienplanung gibt, die tagtäglich den Absturz von jungen, allein lebenden Frauen in prekäre soziale Verhältnisse verhindert oder zumindest verhindern könnte, wenn die Kirche, an die sie glauben, es ihnen erlauben würde die Innovation zu nutzen. Das tut sie allerdings nicht. Eine fortschrittliche Kirche, die im 21. Jahrhundert angekommen ist würde anders handeln. Sie würde erkennen, dass eine Frau selbst am besten über ihre Belange entscheiden kann und kein pauschales Urteil fällen, das das Umfeld und den Kontext einer Abtreibung außen vor lässt.

Es werden sich hier nun wohl Stimmen erheben, die einwerfen, dass Franziskus zwar bei dem Thema Abtreibung keine sonderliche Liberalität oder Fortschrittlichkeit an den Tag legt, aber immerhin in vielen Bereichen die Kirche modernisiert und reformiert hat: Er hat die Prunksucht seiner Vorgänger eingestellt, er öffnete sich auch gegenüber Nicht-Christen und vor allem Nicht-Gläubigen und er bezog endlich klar Stellung gegen Kindesmissbrauch und verurteilte diesen strikt.

Abgesehen davon, dass es Atheisten wohl eher belustigte, als sie erfuhren, dass sie doch noch in den Himmel kommen können (zumindest in den christlichen), sind diese „Reformen“ kein Schritt in die Zukunft, sondern höchstens ein Schritt aus der Vergangenheit in die grobe Richtung der Gegenwart. Sie erreichen diese aber bei weitem nicht. Dass ein Kirchenoberhaupt Kindesmissbrauch verurteilt sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit und kein Anlass zum Feiern sein, besonders wenn die entsprechende Kirche die Menschlichkeit propagiert. Des Weiteren ist eine Abkehr vom Prunk letztendlich ein christliches Grundgebot und ein Einhalten dessen durch einen Papst sollte keine Frage der Fortschrittlichkeit, sondern ebenfalls eine Selbstverständlichkeit sein. Darum müssen die Reformen des Franziskus im Kontext der Zeit betrachtet werden. Beurteilen sollte man ihn anhand seines Verhaltens gegenüber den Thematiken, in deren Zusammenhang die Kirche immer noch fortschrittsfeindlich und rückwärtsgerichtet ist und unter Franziskus wohl weiterhin sein wird: Homosexualität, Verhütung und Abtreibung. Die katholische Kirche kommt immer noch nicht einmal in der Gegenwart an und das wird eindrucksvoll durch die neuen Äußerungen des Papstes illustriert.

Bild: Dragan Tatic via Das österreichische Außenministerium auf flickr.com

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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 17. January 2014
Kategorie: Die Welt da draußen

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