derfarbfleck

Die Welt da draußen

Schwarz-Rot-Rot-Grün

800px-Giebel_des_Reichstags_2005von Theresa Friedle
Wenn es in Bundestagsdebatten doch immer so fröhlich zuginge: Im Live-Ticker der Debatte zum NSA-Skandal im deutschen Bundestag wird ständig gelächelt, gegrinst und gejubelt. Allerdings immer von den falschen Leuten. So jubeln SPD-Mitglieder dem Linken-Redner Gysi zu. Von der Redaktion steht dahinter nur ein anklagendes „große Koalition?“. Und auch umgekehrt scheint der „Koalitionsreflex“ noch nicht ganz zu sitzen. Denn für die CDU-Redner, die ja jetzt zu den eigenen Reihen gehören, klatscht in der ersten Reihe nur Peer Steinbrück. Entsetzlich! Ein Skandal! Wie soll diese Koalition überhaupt funktionieren, wenn die Abgeordneten nicht einmal die einfachsten Benimmregeln beherrschen? Ist die große Koalition gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat?

Diese Fragen stellt sich derzeit auch die Bundeskanzlerin, wenn auch aus etwas anderen Gründen. Denn mit nur einem Satz hat es die SPD geschafft, „rechts zu blinken und links abzubiegen“. Denn während sie sich noch in Koalitionsverhandlungen mit der CDU befindet, macht die SPD den Weg frei für rot-rot-grün. „Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (außer mit Rechtsextremen oder Rechtspopulisten) grundsätzlich aus“. Diese Tatsache sollte eigentlich selbstverständlich sein – war es aber für die SPD lange Zeit nicht. Denn mit der DDR-Vergangenheit der Linken, der direkten Nachfolgerin der SED, der Einheitspartei der DDR, kam die SPD lange nicht zurecht. Dies würde ein echter SPDler jedoch nicht zugeben; die Linken positionierten sich einfach so verrückt, dass „kein vernünftiger Genosse“ mit ihnen koalieren könne.
Bei deutschen Journalisten führt die neue Ansage sogar schon zu Verschwörungsfantasien à la „nach zwei Jahren großer Koalition will Sigmar Gabriel die bestehende Regierung stürzen, um dann eine rot-rot-grüne Koalition aufzubauen“. Angela Merkel ist sich dieser Gefahr selbstverständlich bewusst – sie weiß, dass sie mit ihrer fast-absoluten Mehrheit in der schwächeren Position ist. Klar.

Doch so verwegen das klingt: Merkel am Ende und Gabriel schon am Lauern auf ihre erste Schwäche – so ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke nicht. Denn auch wenn die meisten Bürger sich inzwischen mit der großen Koalition abgefunden zu haben scheinen: Sie kann immer noch kippen.

Nämlich dann, wenn der Genosse es will. Als erste Partei Deutschlands will die SPD den ausgehandelten Koalitionsvertrag nämlich den Mitgliedern zum Votum vorlegen.
Doch was ist, wenn diese dagegen stimmen? Die erste Maßnahme wäre sicherlich eine Nachverhandlung. Doch dies ist nur möglich, wenn sich die SPD-Mitglieder in bestimmten Punkten unzufrieden zeigen. Sollten sie sich jedoch mit dem Gesamtbild nicht anfreunden können, wird es schwierig. Und diese Variante wäre vielen Mitgliedern im Moment gar nicht so unrecht. So spricht sich der JuSo-Vorsitzende aufgrund eines „schlechten Bauchgefühls“ gegen die Koalition mit der CDU aus, und auch eine Genossin gesteht, dass sie auf eine große Koalition „eigentlich nicht so Lust“ habe. Doch welche Alternativen gäbe es?
Keine sehr wahrscheinlichen. Der CDU wäre vermutlich die unwahrscheinlichste Möglichkeit am liebsten: wir erwecken die FDP einfach wieder zum Leben und alles geht weiter wie gehabt. Dies ist zugegebenermaßen wirklich ziemlich unwahrscheinlich. Aber was dann? Kommt doch noch Schwarz-Grün auf Bundesebene? Gegeben hat es Schwarz –Grün bisher nur in Hamburg, funktioniert hat es dort aber auch nur zwei Jahre. Neben einer Minderheitsregierung wäre dies die einzige Möglichkeit, wie Merkel ohne die SPD regieren könnte. Doch trotz der bisherigen Annäherung der Grünen und der CDU versuchen sich die Grünen gerade betont desinteressiert zu zeigen an dieser Option. Trotzdem scheint es nach einer großen Koalition die vielversprechendste Möglichkeit zu sein. Denn eine Minderheitsregierung, in der sich Merkel für jede Abstimmung neue Koalitionspartner suchen müsste, ist für sie viel zu unsicher.
Die anderen Möglichkeiten klingen noch mehr nach Träumerei: rot-rot-grün? Hätte nur eine dünne Mehrheit im Bundestag und außerdem müsste die SPD beweisen, dass sie mit ihrer Links-öffnung nicht etwa nur die CDU erschrecken wollte.
Und Neuwahlen will erst recht keiner. Daher werden sich CDU und die SPD trotz anhaltender Differenzen mit großer Wahrscheinlichkeit schon noch zusammenraufen, auch wenn die Unkenrufe der Journalisten bestimmt nicht aufhören, bis die Koalition steht.

Bild: RudolfSimon über Wikimedia Commons

Dieser QR-Code enthält den Link zum Online-Artikel
Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 05. December 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

Der Artikel ist urheberrechtlich geschützt und darf nur zu privaten Zwecken weiterverwertet werden. Jede andere Verwendung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. Für Leserbriefe nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion unterhalb des Online-Artikels.

Ein Kommentar zu “Schwarz-Rot-Rot-Grün”

  1. Sascha Vogt, seines Zeichens der angesprochene (noch) Bundesvorsitzende, hat sich gerade auf dem Bundeskongress der Jusos für die Große Koalition ausgesprochen.

    Geposted von critic | December 6, 2013, 20:11 | Antworten

Lass einen Kommentar da