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Die Welt da draußen

Lampedusa – unvermeidlich?

von Theresa Friedle

Wer kennt sie nicht, die unsäglich nervigen, da allseits bekannten Mahnungen auf Facebook oder sonst wo: „Wenn du genug zu Essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf hast, bist du reicher als 75% der Weltbevölkerung. Wenn du zusätzlich noch Geld bei der Bank und in deinem Geldbeutel hast, gehörst du zu den reichsten 8% der Welt“ –und so weiter und so fort. Man liest es sich kurz durch, hat ein bisschen Mitleid mit den Unterprivilegierten und vergisst es dann wieder. Nicht dass sie einem egal wären. Aber man kann ja nicht den ganzen Tag unglücklich sein, weil es anderen schlecht geht. Wir können denen ja eh nicht helfen.

Wenn einer das macht, hat das wenig Auswirkungen. Wenn Millionen das machen, hat es weitreichende Folgen. Und wenn Politiker so denken, führt es zu Situationen wie dieser: Innerhalb von 10 Tagen ertrinken 400 Menschen im Meer und es passiert – nichts. Erschreckend ist dabei nicht nur die reine Zahl, sondern das, wofür sie steht. Denn die Menschen, die ertrinken, sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Denn längst nicht alle Flüchtlinge ertrinken im Meer, sondern werden in Italien und Spanien in eines der längst überfüllten Flüchtlingslager gestopft. Und längst nicht alle Menschen, die unter menschenunwürdigen Zuständen leben, fliehen nach Europa.

Der erste Aspekt: Wenn die Flüchtlinge es in winzigen Booten übers Mittelmeer nach Italien, Spanien oder Griechenland geschafft haben, sind die lokalen Behörden dort meist total überfordert. In Griechenland und Spanien hausen die Asylbewerber meist in total überfüllten Baracken, in Italien leben sie teilweise auf der Straße. Dies führt so weit, dass Italien zu ungewöhnlichen Maßnahmen greift: Jeder Flüchtling, der sich bereit erklärt, nach Norden weiterzuziehen, erhält einen gültigen Pass, der zum Aufenthalt in Europa berechtigt, jedoch keine Arbeitserlaubnis darstellt sowie einen 500 €-Schein, der als Übergangsgeld gedacht ist. Nach letzten Berichten haben sich die ersten Flüchtlinge über die Autobahn schon auf nach Bayern gemacht.

Doch auch in Deutschland sind die Asylbewerber nicht willkommen, allen Beteuerungen des Innenministers zum Trotz. In Deutschland würden mehr Asylanträge gestellt als in jedem anderen europäischen Land, sagt er. Das stimmt jedoch nur angesichts der absoluten Zahlen, betrachtet man die Anzahl der Anträge pro Einwohner, liegen ganz andere Länder vorne. Außerdem werden längst nicht alle Anträge bewilligt, im Gegenteil: während in Italien knapp 50 % der Anträge bewilligt werden, sind es in Deutschland gerade mal rund 30%. Die anderen werden aufgrund des Dublin-II-Abkommens direkt wieder in die Erstankunftsländer geschickt, womit wieder Italien und Co. in die Pflicht genommen werden.

Wie bereits erwähnt fliehen jedoch längst nicht alle Flüchtlinge nach Europa. Im Gegenteil: Mehr als 80% der Flüchtlinge weltweit suchen Unterschlupf in Ländern wie Pakistan, Iran oder Kenia, also Ländern, die teilweise selbst als Krisengebiete gewertet werden können.
Deshalb ist es dringend nötig, das bisherige System zu ändern. Das Dublin-II-Abkommen z. B. gilt unter Experten als gescheitert, da es nicht nur ungerecht, sondern auch zeitaufwändig, teuer und langwierig ist. Denn ein Großteil der Energie wird im Moment nicht darauf verwendet, den Flüchtlingen zu helfen, sondern die Zuständigkeiten laut dem Dublin-II-Abkommen zu klären, nach dem ein Asylbewerber nur in dem Land bleiben darf, in dem er als erstes angekommen ist. Durch die Nähe zu Afrika sind dies natürlich hauptsächlich die oben genannten Länder wie Griechenland und Spanien, weshalb viele der Flüchtlinge illegal nach Deutschland einwandern und umgehend in ihr Erstankunftsland zurückgeschickt werden.

Doch nicht nur das Dublin-II-Abkommen muss geändert werden, auch der Umgang in den Ländern selbst muss verbessert werden. In Italien wurde kürzlich eine „Flüchtlingsabwehr“ etabliert, die offiziell Menschenhändler abschrecken und Flüchtlingen in Not helfen soll. Die Realität ist jedoch nicht so rosig. Berühmt wurde der Fall, in dem vor ein paar Jahren Fischer als Menschenhändler angeklagt wurden, die Flüchtlingen an Land geholfen hatten. Sie wurden zwar freigesprochen, der Fall wirft trotzdem ein bezeichnendes Licht auf den Umgang mit den Flüchtlingen.

Selbstverständlich ist es zeitaufwändig und teuer, all diese Maßnahmen durchzuführen – und wirklich aus der Welt geschafft wird das Problem damit auch nicht, denn selbst wenn die Menschen Asyl bekommen, so richtig Fuß fassen sie selten. Deswegen sollte das Problem an der Wurzel gepackt werden und notleidenden Menschen schon in ihren Heimatländern geholfen werden. Dazu ist eine bessere Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge erforderlich, vor allem aber die Erkenntnis, dass ein Menschenleben nicht nur 500 € wert ist.

Bild: Oxfam East Africa über Wikmedia Commons

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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 20. October 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

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