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Die Welt da draußen

Alt, starr, reich und selbstverliebt

von Jakob Dürr

Alles scheint in unserer modernen Welt im Wandel zu sein. Jede Institution, jede Gruppierung, jede Marke versucht, mit der Zeit zu gehen. Jeder möchte modern sein. Jeder möchte sich weiterentwickeln. Nur die katholische Kirche nicht.

Die katholische Kirche mag keine Reformer. Das war schon zur Zeit Luthers so.  Man möchte so bleiben, wie man ist. Alt, ehrwürdig, erhaben und absolut starr in den Ansichten. Man mag weder Abtreibung, die Pille danach, Kondome, Missbrauchsopfer in seinen Kliniken noch Frauen im Pfarramt, Homo-Ehe,  Homosexualität im Allgemeinen und so ziemlich alle anderen Werte und Erfindungen, die wir als Errungenschaften unserer heutigen aufgeklärten Zeit verstehen.

Dies hat natürlich Konsequenzen. Die Mitglieder in Deutschland rinnen den Gesandten Gottes aus den Händen wie feiner Sand. Immer mehr Menschen treten bei stagnierenden Eintrittszahlen aus der Institution Gottes aus. Kaum jemand möchte unbedingt weiter Mitglied in einem Verein sein, der so rückwärtsgerichtet und reformstarr ist.

Warum traut sich die katholische Kirche nicht, über ihren Tellerrand hinauszublicken und im 21. Jahrhundert anzukommen?

Die Antwort auf diese Frage ist so simpel wie erschreckend. Angst. Angst vor Neuem verhindert jeglichen Fortschritt in dieser Institution.

Die katholische Kirche trauert immer noch der Zeit hinterher, in der sie praktisch das halbe Leben der Bevölkerung unter Kontrolle hatte. Fast jeder ging mindestens jeden Sonntag in die Kirche, wer dies nicht tat war ein Sonderling. Was der Pfarrer sagte war Gesetz und wer die Ehe brach würde in der Hölle schmoren müssen. Damals, vor Jahrzehnten war die Welt noch einfach und in Ordnung. Dann wurde es aber kompliziert. Durch die Einwanderung von Andersgläubigen ging das Religionsmonopol, das man sich mit den Protestanten geteilt hatte, verloren. Des Weiteren breitete sich der Atheismus aus. Die sexuelle Revolution brachte das heilige Familienbild ins Wanken und die Urbanisierung weichte das System der einzelnen Dorfgemeinschaften, die je einem Pfarrer unterstanden, auf. Man bekam Angst. Angst vor dem Neuen, das das klare und einfache Weltbild der Katholiken zerstört hatte.

Nun musste man reagieren. Man reagierte, indem man nicht reagierte. Dies liegt an der Angst einer kleinen, aber starken Elite in der katholischen Kirche, die sich verzweifelt an eine Welt klammert, die es nicht mehr gibt. Man möchte am liebsten zurück zum alten und einfachen Gut und Böse und man möchte nicht diese pluralistische und bunte Gesellschaft, in der jeder tun und lassen kann was er will. Und vor Allem glauben kann an was er will. Aus Angst, von der Veränderung mitgerissen zu werden und aus Angst, seine alten Werte zu verlieren, widersetzt man sich jeglichem Reformversuch. Man hat Angst, vollkommen zu verschwinden, wenn man sich anpassen sollte. Durch dieses Klammern an das Alte wird jeder Versuch unterbunden, sich konstruktiv mit der veränderten Welt und den dadurch veränderten Bedingungen auseinanderzusetzten. Anstatt auszuloten, welche Grundsätze unverändert stehen bleiben müssen und welche man modifizieren müsste, um sie auf heute zu übertragen, behält man blind alles bei, wie es schon immer war. Durch die veränderten Bedingungen im Vergleich zu früher entstehen aus Regeln und Grundsätzen, die früher vielleicht sinnvoll waren, absurde Glaubenssätze bei der unkritischen Übertragung auf die heutige Zeit.

Hierdurch ist das Bild, das die Öffentlichkeit von der katholischen Kirche sieht, das Bild einer Kirche, die vollkommen unkritisch und selbstverliebt versucht, ihre überholten Grundsätze auszuleben, aber übersehen hat, dass sich die Welt mittlerweile gewandelt hat. Verstärkt wird dieser Effekt durch die – „werbetechnisch“ – mehr als fragwürdige Besetzung von hohen Ämtern, die ausschließlich aus Männern besteht, die schon so lange in der Kirche sind, dass sie kaum noch Reformwillen oder besonderen Ehrgeiz zeigen, etwas zu verändern. Der einzige positive Aspekt dieser Besetzung ist, dass die Männer meist schon so alt sind, dass man ihnen besonders fragwürdige Äußerungen oftmals nachsieht. Der Austrittsstrom aus der Kirche ist also sicherlich kein Wunder.

Trotz Allem ist die Akzeptanz in der Bevölkerung im Hinblick auf diese Sturheit immer noch erstaunlich hoch, ganz zu schweigen von der staatlichen Förderung.

Einerseits hat dies natürlich historische Gründe. Unsere Gesellschaft und unser Rechtsystem bauen auf dem Christentum, also auch auf der katholischen Kirche, auf. Die Betonung liegt hier allerdings auf „aufbauen“. Unsere Gesellschaft hat mittlerweile ein Wertesystem, dessen Ursprung man zwar im Christentum sehen kann, das allerdings heutzutage als unabhängig von diesem zu bezeichnen ist.

Einer der wichtigsten Gründe, warum viele Menschen, die eigentlich nicht gläubig sind oder am Glauben zweifeln, nicht aus der Kirche austreten, ist jedoch der Glaube dieser Menschen daran, dass die Kirche sich durch die Kirchensteuer sehr sozial einbringt und bedürftigen Menschen hilft. Viele sind der Meinung, dass die Kirche von der Kirchensteuer ihre Pfarrer, Kindergärten und Krankenhäuser finanziert und darum auf die Kirchensteuer und Spenden angewiesen ist. Dies ist auch das häufigste Argument von Kirchenunterstützern, warum die Mitgliedschaft in der Kirche wichtig sei. Jenes Bild der Kirchenfinanzierung entspricht in vielen Fällen aber nicht der Realität.

Die ca. 9300 katholisch getragenen Kindergärten in Deutschland werden längst nicht alle von der Kirchensteuer finanziert. Die allermeisten leben von einer Mischfinanzierung aus staatlichen Geldern und Beiträgen von Eltern, vollkommen unabhängig von der Kirchensteuer. Die Kirche behält aber trotzdem das Sagen in diesen Einrichtungen.

Dasselbe gilt für kirchlich getragene Schulen, die wie alle anderen Privatschulen aus Zahlungen des Staates und Beiträgen der Eltern finanziert werden.

Pfarrer und Bischöfe werden zwar aus dem Topf der Kirchensteuer bezahlt, in diesen Topf fließen aber auch staatliche „Donationen“ aufgrund von Schädigungsverträgen, die in früheren Jahrhunderten geschlossen wurden. Die Besoldung für viele Würdenträger koppeln einige Bundesländer mit den Gehaltsklassen der Beamten.

Sanierung und Erhaltung kirchlicher Gebäude werden ebenfalls oft vom Staat durch Denkmalschutzprogramme oder auch durch jahrhundertealte Verträge übernommen.

Kirchlich getragene Kliniken und Krankenhäuser werden genauso komplett von Staat und Kassen finanziert wie nicht-kirchliche Einrichtungen dieser Art. Das einzige, das die Kirche bezahlt, sind die Gehälter von eventuellen kirchlichen Seelsorgern und die Kapelle im Krankenhaus.

Die katholische Kirche möchte ihr Vermögen nicht offenlegen, doch es wird – Sachwerte einbezogen – zusammen mit allen Unterorganisationen auf bis zu 270 Milliarden Euro geschätzt. Angesichts dieser Zahl wirken Spendenaufrufe und der Aufruf zum Leben in Enthaltsamkeit doch etwas janusköpfig.

Ich möchte hier nicht abstreiten, dass die katholische Kirche viele soziale Projekte und Initiativen unterstützt, doch ihre allgemeine Stilisierung als enthaltsamer Weltenretter scheint sicherlich nicht angebracht.

(Quellen: FAZ, Spiegel Online)

Bildquelle: By Andreas E. Neuhold (own work)  (CC-BY-SA-3.0(http://www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)), via Wikimedia Commons.

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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 15. July 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

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