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Die Welt da draußen

Was man zu versprechen verspricht – das Wahlprogramm der Union

ein Kommentar von Matthias Böttger

Nachdem man sich lange geziert hat und alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien bereits ihre Eckpunkte abgestimmt haben, gibt es nun auch Vorschläge von der Union. Schrittweise kommt heraus, was die Partei der Kanzlerin vorhat, immer mehr Punkte des Wahlprogramms der CDU werden in den Raum geworfen, angeschnitten, mehr oder weniger kritisch diskutiert. Doch kann dieses Programm für konservative, liberale und klassische bürgerliche Wähler wirklich Anreiz sein, diese Partei zu wählen?

 Wie die aktuelle Koalition eigentlich schon mehrfach beschlossen hat, sollen die Mütterrenten für vor 1992 geborene Kinder in der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst verdoppelt, mittelfristig verdreifacht werden. Was das kostet kann man sehr genau sagen: im ersten Schritt werden es wohl 6,5 Milliarden sein, im zweiten abermals soviel. Das zu bezahlen soll angeblich kein Problem sein, schließlich sei es Sache der Rentenkasse, die bekanntlich auf hohen zweistelligen Milliardenbeträgen sitzt. So einfach wird die Rechnung aber nicht sein. Dem Äquivalenzprinzip von Beitrag beziehungsweise Leistung und später ausgezahlter Rente nach müssen für jedweden Anspruch auch Beiträge gezahlt werden – im Falle der Erziehungszeiten kommen diese aus dem Bundeshaushalt. Der Druck, Steuern zu erhöhen, würde also nicht sinken. Das aber hat die Union ausgeschlossen. Auch die Lohnkosten sollen stabil bleiben und das, obwohl die Pflegeversicherung immer teuerer wird – nicht zuletzt wegen der Ausweitung der Leistungen für Demenzkranke. Im Gegenzug soll wohl der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abgesenkt werden. Schwer vorzustellen, meine ich, nachdem man den Bundeszuschuss abgeschafft hat und schon in diesem Jahr ein nicht unerhebliches Defizit erwartet. Ewig werden die Reservern der Bundesagentur für Arbeit sicherlich nicht ausreichen. Steigende Lohnkosten nur herauszuzögern, scheint nicht sonderlich zukunftsweisend.

 Mehr Aufmerksamkeit verdient ein Vorstoß, das Kooperationsverbot des Bundes im Bereich der Kultuspolitik aufzuweichen und Rahmenverträge für einheitlichere Maßstäbe in der Bildungslandschaft zu erreichen. Hier gibt es aber zwei Probleme: nicht nur, dass bei einer niveaumäßigen Angleichung im Zweifel die schlechteste Qualität verallgemeinert wird. Die CDU stellt auch keinen einzigen Landesminister mehr, der für dieses Ressort zuständig ist. Es wäre wohl besser sich auf Staatsverträge zwischen den Ländern zu beschränken, anstatt vom Bund aus Vorschriften zu machen.

 Positive Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit und damit auch auf die Konjunktur wird sicherlich das Investitionsprogramm für die Bundesfernstraßen haben. Auch wenn eine Milliarde nicht sonderlich viel erscheint und vermutlich wegfallende Strukturhilfen der EU für die neuen Bundesländer ausgeglichen werden müssen, ist es doch ein Signal, das marode Straßen, zugestaute Städte und große Umwege zumindest etwas seltener werden.

 Ein anderes Projekt im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsministeriums, das unter dem Stichwort des förmlich zugegebenen Ideenklaus für Aufsehen gesorgt hat, ist die Mietpreisbremse, auf die eigentlich Rot-Grün ein Monopol zu haben schien (abgesehen davon, dass die Linke Mietpreissteigerungen gänzlich verbieten will). Nun meint die Kanzlerin, dass da doch etwas erfunden worden sei, das Sinn mache. Dabei hat die Bundesregierung zum Mai dieses Jahres bereits das Mietpreisdeckelungsgesetz in Kraft gesetzt. Nach diesem legen die Bundesländer für Ballungszentren fest, dass Mieten höchstens um 15% in 3 Jahren steigen; zuvor lag die entsprechende Grenze bei 20%. Doch selbst dagegen wehrt sich beispielsweise das Rot-rot regierte Brandenburg, da man befürchtet, es würden mehr Neubauten von Potsdam nach Berlin verlagert. Die neue Idee ist nun den Zeitraum auf 4 Jahre zu verlängern, bei Neuvermietungen eine Maximalmiete festzulegen und Sanierungskosten über einen Zeitraum von 11 Jahren gestreckt werden müssen. Dass das die Bautätigkeit hemmen wird und am eigentlichen Problem, dem Wohnraummangel, nichts ändert – es im Gegenteil sogar verschärfen kann – scheint keinem auch nur in den Sinn zu kommen. Dass sich die Union nun liberal gibt und einen gewissen Wettbewerb zwischen den Ländern fordert, kaschiert die Problematik nur bedingt. Wenigstens die FDP lässt sich auf diese Überbieterei nicht ein.

 Das eigentlich große Thema neben Euro und Rente könnte allerdings auch noch die Familienpolitik werden. Von den Debatten um die Rechte Homosexueller überschattet haben nämlich beide Volksparteien große Versprechen gemacht. Die SPD will die Unterstützung durch den Kinderzuschlag im unteren Einkommensbereich ausweiten und stattdessen die Kinderfreibeträge so deutlich absenken, dass letztlich jeder lediglich Erstattungen in Höhe des Kindergeldes bekommen kann. Die CDU möchte demgegenüber unter dem Stichwort Familiensplitting den Kinderfreibetrag und damit verbunden auch die Kindergeldsätze erhöhen. Nach einer Familienförderung aus einem Guss sehen beide Konzepte aber nicht aus. Sinnvoller wäre es gewesen, gleich auf ein Vollsplitting zu setzen, das Kinder gleichwertig zu Ehegatten behandelt. So bleibt der Begriff leer, unscharf und vage. Das genaue Gegenmodell, dem man auch einiges Gutes abgewinnen kann, vertreten übrigens die Grünen. Sie wollen, dass für jedes Kind der gleiche Betrag gezahlt wird, und nicht, wie im Falle der CDU, Gutverdienende bevorteilt oder, wie bei der SPD, Gutverdienende schlechter gestellt werden.

Nach einer großen Reform sucht man bei der CDU also vollkommen vergebens. Nicht nur traditionelle Wert sind der Partei abhanden gekommen, auch den reformistischen Eifer, der noch 2005 und in abgeschwächter Form 2009 zu finden war, sucht man heute vergebens. Visionen, wie man sie in der Gesundheitspolitik genauso wie im Steuerrecht hatte, unterbleiben – nicht zuletzt der europäische Gedanke lässt Weiterentwicklung vermissen. Viel lieber lässt man sich vom Verfassungsgericht (möglicherweise bald auch dem europäischen Gerichtshof?) und den bösen „Märkten“ treiben, als wäre man ohnmächtig. Um nicht den Eindruck zu erwecken, man schlafe wirklich, wirft man mit Geld um sich, das entweder jedem etwas bringen soll oder wenigstens einem sogenannten sozialen Zweck dienlich ist. Ein Detail, dass im Wahlprogramm der Union wohl mehrmals anzutreffen sein wird, habe ich bislang verschwiegen: den Finanzierungsvorbehalt!

 

Bildquelle: By Michael Panse (own work), (CC-BY-SA-2.0(http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en)), via Wikimedia Commons.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 20. June 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

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2 Kommentare zu “Was man zu versprechen verspricht – das Wahlprogramm der Union”

  1. 1. Die CDU hat sich nicht lange geziert, sie hat regiert (im Gegensatz zu den anderen Parteien). Dies hat der Autor ja hervorragend recherchiert.
    2. “Wenigstens die FDP lässt sich auf diese Ãœberbieterei nicht ein” – meiner Meinung nach kann die FDP an neoliberalem Rumgeheule gar nicht überboten werden.
    3. “Traditionelle Werte sind der Partei abhanden gekommen” – nur, weil wir endlich eingesehen haben, dass Schwule ganz normale Menschen sind, haben wir jetzt nicht gleich die Wähler verraten.
    4. Ein politischer “Linksruck” ist nicht falsch, im Gegenteil. Als christliche Partei sollte die CDU noch MEHR Wert auf soziale Gerechtigkeit im Zeichen der Soziallehre legen. Wir sind nicht die Unternehmer-Partei, die dazu da ist, um die Lobbyisten und Kapitalisten der Liberalen in den Bundestag zu hieven.
    5. Der Vorschlag der Grünen zu Familienpolitik ist von den dreien der am wenigsten Kluge, weil er WEDER Kinderkiegen in besserverdienenden Haushalten fördert NOCH den sozial schwachen weiterhilft.

    Geposted von Christian | June 20, 2013, 18:21 | Antworten
  2. Ein sehr informativer und gelungener Artikel, Matthias! Gut, dass du so viel über aktuelle Politik schreibst.

    Christian, ich denke, was du da schreibst, ist deine subjektive Meinung, und da Matthias’ Artikel auch nicht vollständig objektiv ist (wie soll er denn auch) könnt ihr zwar darüber diskutieren, aber seine Ansichten mit deinen zu verbessern, wird wohl sehr schwierig.

    Geposted von Marie | June 20, 2013, 22:40 | Antworten

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