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Engagiert euch!

Ein Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker

Nachdem der Umweltpolitiker und Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Ernst Ulrich von Weizsäcker, uns bereits Anfang März diesen Jahres am Landesgymnasium besucht  und einen sehr informativen Vortrag zum Thema „Wohin geht die Zukunft – und wer ist der Motor?“ gehalten hatte, beschloss der Farbfleck, ihn noch einmal schriftlich per E-Mail zu interviewen. Hierbei standen vor allem aktuelle Fragen zu politischen Umweltdebatten, aber auch die Person von Weizsäckers im Mittelpunkt, sowie seine ganz persönliche Meinung zum Thema „Mensch und Umwelt“. Wir danken ihm für das informative Interview!

von Vivien Geldien und Lea Frauenknecht
vermittelt von Viktoria Kamuf

DerFarbfleck: Am 24. April fand das Treffen des International Ressource Panels (IRP)statt, auf dem Sie als Ko-Vorsitzender auch dabei waren und auf dem Umweltminister Altmaier forderte: „Unser Ziel muss es sein, durch bewussten Materialeinsatz die Rohstoffspirale zu unterbrechen“. Wie würde so ein „Durchbrechen“ Ihrer Meinung nach aussehen?

Ernst Ulrich von Weizsäcker: Anlass für Minister Altmaiers Bemerkung war die Veröffentlichung eines neuen Berichts unseres Ressourcenpanels, in dem es darum geht, das Recycling auch bei in kleinen Mengen verwendeten Hochtechnologiemetallen drastisch zu verbessern. Bislang gehen etwa 99% dieser Metalle nach Gebrauch verloren. Der neue Bericht, von Professor Markus Reuter aus Helsinki koordiniert, zeigt, dass mit verbessertem Produktdesign die Recyclingrate markant verbessert werden kann.

DerFarbfleck: Glauben Sie, dass so etwas wirklich jemals in einem nützlichen Ausmaß geschehen kann und wird? In einem Interview der Badischen Zeitung sagten Sie nämlich, die Politik hätte „zu starre Vorstellungen“ und „zu viel Angst vor den Lobbys“. Dies führe dazu, dass „man sich politisch nicht mehr bewege“. Hindert das nicht auch das Handeln im großen Stile?

Von Weizsäcker: Die Politik soll den Rahmen richtig setzen, nicht in technische Details eingreifen. Die Wirtschaftslobby umgekehrt muss akzeptieren, dass Rahmenvorschriften, wie sie etwa die neue EU-Energieeffizienzrichtlinie vorgibt, der Wirtschaft letztlich nützen und nicht schaden. Die Politik kann diese Auffassung offensiv vertreten.

DerFarbfleck: Sprechen Sie von dieser „Starrheit in der Politik“ auch aufgrund eigener Erfahrungen, die Sie in Ihren nun schon an die 50 Jahren in der SPD gemacht haben, zuerst als Vorsitzender der Freiburger Jungsozialisten, dann als SPD-Landesvorstand in Baden-Württemberg und schließlich als Vorsitzender des Umweltausschusses des Bundestags?

Von Weizsäcker: In den 1960er und 1970er Jahren war der Bewegungsspielraum größer. Das Volk und fortschrittliche Parteien wollten mehr Bildung, mehr Umweltschutz, mehr Aussöhnung zwischen Ost und West, und die Politik konnte das alles durchsetzen. Bei mir kam das Interesse am Thema Umwelt in den späteren 1960er Jahren, als sich die schlimmen Nachrichten über Luft, Gewässer und Böden häuften. Aber das hat ja eine ganze Generation beeinflusst, und bezüglich der lokalen Schadstoffe war die Politik bekanntlich sehr erfolgreich. In Zeiten der Globalisierung, wo das Finanzkapital die Staaten grausam unter Druck setzen kann („wir investieren nur dort, wo uns die Rahmensetzung gefällt“), entsteht die Starre, von der ich sprach..

DerFarbfleck: Droemer Knaur, der Verlag Ihres Buches „Faktor Fünf“, beschreibt den Inhalt auf der Verlagswebsite unter anderem mit den Worten: „Die Welt wird sich im 21. Jahrhundert grundlegend verändern. Entweder lernt die Menschheit, nachhaltig mit der Erde umzugehen, oder die Natur wird zurückschlagen“. Was halten Sie von der Gaia-Hypothese, die besagt, dass der Mensch eine Art „Organ“ für sich im Organismus der Erde ist, ohne das das gesamte Ökosystem nicht lebensfähig wäre? Widerspricht das nicht Ihren Beobachtungen am Umgang des Menschen mit der Natur?

Von Weizsäcker: Die Gaia-Hypothese habe ich nicht so anthropozentrisch verstanden. Richtig ist, dass die Lebewesen, insbesondere die Pflanzen, das Ökosystem Erde dramatisch beeinflusst haben. Und heute ist die Gattung Mensch extrem aktiv bei der Veränderung, – aber die biologischen Systeme wären ohne Menschen eher robuster und überlebensfähiger als mit einer Spezies, die in hundert Jahren mehr Tier- und Pflanzenarten ausgerottet hat als sonst in Jahrmillionen verschwinden.

DerFarbfleck: In einem Interview in der Wirtschaftswoche sagten Sie im Dezember vergangenen Jahres: „Leider ist vielen Menschen die kurzfristige Wohlstandsökonomie immer noch viel wichtiger als das Schicksal unserer Enkel“. Was können Sie jungen Leuten wie den Schülerinnen und Schülern an unserer Schule als Ratschlag zum nachhaltigeren Handeln im Einzelnen geben?

Von Weizsäcker: Lasst Euch nicht von der kurzfristigen Ökonomie mit ihren kindischen Vierteljahresabschlüssen an der Nase herumführen. Große Teile des Wohlstandes beruhen auf Infrastrukturen, die nur der Staat aufbauen und erhalten kann. Ein Marktfundamentalismus, der aktiv den Staat schwächt und auf Kurzfrist-Egoismus als alleinige Triebfeder setzt, ist heute die größte Gefahr für Euer zukünftiges Wohlergehen. Engagiert Euch in der Politik, im Beruf, in den „sozialen Medien“ für Eure Zukunft!

Bildquelle: By Bir2000/Holger Noß (own work), (CC-BY-SA-2.5(http://www.creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en)), via Wikimedia Commons

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 07. June 2013
Kategorie: Stars on Page

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