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Die Welt da draußen

Ein Ruck durch die Parteienlandschaft?! – die „Alternative für Deutschland“

von Matthias Böttger

Schienen im vergangenen Jahr noch die Piraten auf dem Vormarsch, sind diese in den Umfragen nun wieder weit zurückgefallen. Gerade einmal zwei, drei Prozent, also nicht viel mehr als bei der Bundestagswahl 2009, traut man ihnen noch zu. Das ist, gemessen an den Wahlerfolgen des letzten Jahres, ein mickriger Wert – und auch im Vergleich zu dem, was die neue „Alternative für Deutschland“ (AfD) an Potential zu erwarten hat. Bis zu ein Viertel der Wahlberechtigten kann sich vorstellen, eine eurokritische Partei zu wählen, das Meinungsforschungsinstitut YouGov sieht sie schon jetzt bei drei Prozent Wähleranteil, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Doch wo ist die Partei im Parteienspektrum zu verorten und für was genau steht sie? Ein Überblick.

Ähnlich wie bei den Piraten, die in erster Linie in der Rolle einer Protestpartei groß geworden sind, wird von den politischen Neulingen bislang kaum mehr als ein Thema wahrgenommen. Es geht um die Auflösung des gemeinsamen Währungsgebiets, des Euro. Gegebenenfalls über verschiedene Zwischenschritte soll erreicht werden, dass jedes Land wieder seine eigene Währung einführen darf oder kleinere Währungsverbünde, etwa ein Nord- und ein Südeuro, geschaffen werden. Dies trägt laut Parteisprecher Lucke, der die Rolle des Parteivorsitzenden innehat, vor allem dem Rechnung, dass die gemeinsame Währung durch die Rettungsbeschlüsse und Spardiktate Europa spalte und die Völker gegeneinander aufbringe. Der europäischen Union als solcher steht er jedoch positiv gegenüber, was die Partei von rechtsradikalen Kreisen unterscheidet. Gerade der gemeinsame Binnenmarkt, also die Freihandelszone, wird als große Chance begriffen. Davon muss allerdings das Budgetrecht unberührt bleiben, wie dem Parteiprogramm zu entnehmen ist. Ferner sieht die Partei ein Demokratiedefizit und fordert bundesweite Volksabstimmungen.

Diese Punkte können wohl als Konsens der Partei verstanden werden und finden sich so im sehr kurz gehaltenen Wahlprogramm zur Bundestagswahl, wobei die Teilnahme an dieser per Akklamation beschlossen wurde. Ob die Zustimmung zu den anderen, eher provisorisch und allgemein gehalten festgeschriebenen Punkten auch entsprechend groß ist, wird sich zeigen. Hier stehen traditionelle, konservative und wirtschaftsliberale Positionen im Vordergrund. Das ist wohl dem geschuldet, dass etwa jedes zehnte Parteimitglied, wie auch Sprecher Lucke, zuvor in der Union war.

Im Bereich der Steuer- und Finanzpolitik wird die Einhaltung der Maastricht-Kriterien und der Schuldenbremse in den Vordergrund gestellt. Eine Vereinfachung des Steuerrechts hin zu einem Stufentarif in der Einkommensteuer sieht man vor allem aus Gründen der Transparenz als erforderlich an. Noch genereller formuliert ist das Bekenntnis, Deutschland müsse familienfreundlicher werden. Der Erziehungsauftrag wird, wie im Grundgesetz formuliert, den Eltern zugeschrieben – der Staat solle lediglich unterstützend tätig werden. Im Gegensatz zu den Regierungsparteien besteht man auf der großen Bedeutung der Gesetzlichen Rentenversicherung. Die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank wird dabei besonders angegriffen, da durch diese das Sparvermögen, etwa in privaten Lebensversicherungen, entwertet wird. Dadurch würden alle Bemühungen der Politik in diese Richtung zu Nichte gemacht.

Weitere Positionen versucht die Partei in der Energiepolitik zu besetzen. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) müsse aus den allgemeinen Steuermitteln bestritten werden, um Stromkunden nicht zusätzlich zu belasten. Dabei gehe es auch darum, ärmeren Haushalten nicht zu viel zuzumuten. Die Einwanderungspolitik darf als tendenziell liberal betrachtet werden. Qualifizierte Zuwanderer sollen angelockt werden, nach einem Punktesystem, wie schon seit Jahren in Kanada praktiziert, möchte man auswählen. Das Asylrecht sieht man als verwässert an – jeder, der tatsächlich verfolgt wird, muss Asyl erhalten.

Staatliche Investitionen hält man vor allem im Bildungsbereich für nötig. Chancen- und Leistungsgerechtigkeit sind der neuen Partei also wichtig, die soziale Gerechtigkeit muss eher zurückstecken. Daher wird sie, auch wenn man sich selbst nicht links, nicht rechts, aber auch nicht in der Mitte sieht, wohl eher Wähler der CDU/CSU und der FDP ansprechen. Der rechte Flügel der SPD kann ebenso zum Klientel zählen, einige Sozialliberale scharen sich in der Partei. Somit sind aber auch die Umfragen mit Vorsicht zu genießen, die teils enorm hohe Potentiale vorhersehen. Die meisten Eurokritiker gibt es in der Linkspartei, dass jedoch auch nur ein einzelner Anhänger der SED-Nachfolgepartei zur AfD wechseln wird, erscheint äußerst fragwürdig.

 Doch wo genau steht die AfD nun? Über die einfachen Mitglieder, deren Zahl 7000 bereits überschritten hat, was sie zur neuntgrößten in Deutschland macht, zu sprechen ist aktuell noch kaum möglich. Abschließend wird diese Frage wohl auch bezüglich der Parteispitze noch einige Zeit nicht beantwortet werden können. Sicher ist lediglich, dass nicht alle Positionen passgenau in das allgemeine Raster passen.

„Wir setzen uns dafür ein, dass auch unkonventionelle Meinungen im öffentlichen Diskurs ergebnisoffen diskutiert werden, solange die Meinungen nicht gegen die Werte des Grundgesetzes verstoßen.“

Durch Aussagen wie diese, die bereits gegenüber einer ersten Version durch das Auslassen des Vorwurfs der Gängelung der öffentlichen Meinung abgeschwächt worden sind, rückt man sich doch allzu leicht in die rechte Ecke. Extremistische und radikale Kräfte unterstützen das genauso, dennoch ist die Partei klar demokratisch organisiert und nimmt keine Personen auf, die bereits in der NPD oder DVU tätig waren, auf. Auf eine weitgehende Gleichbehandlung setzt die AfD darüber hinaus in den Parteigremien. So gibt es drei Sprecher anstelle eines Vorsitzenden und, da die regionalen und lokalen Gruppierungen gerade erst im Aufbau sind, wurde der erste Parteitag mit Mitglieder anstatt von Delegierten abgehalten.

Schlussendlich muss man sich fragen, ob es sich hierbei um die lange von konservativen in der CDU/CSU gefürchtete „demokratische Partei rechts der Union“, für die eigentlich seit Franz-Josef Strauß nach eigener Aussage kein Platz sein sollte, handelt. Einige Anzeichen hierfür gibt es, doch das wird sich erst bei der Landtagswahl in Bayern und darauffolgende der Bundestagswahl sowie der Landtagswahl in Hessen zeigen. Bei beiden Ländern handelt es sich um eher konservative Gebiete. Der Erfolg der Freien Wähler 2008 in Bayern hat darüber hinaus gezeigt, dass zumindest eine kommunal verwurzelte Partei der CSU gefährlich werden und auch hohe Stimmanteile erreichen kann. Die Alternative für Deutschland bringt mit Sicherheit etwas Schwung ins Wahljahr und kann vielen, denen die Politik zu alternativlos geworden ist, eine Alternative bieten – ob gut oder schlecht, bleibt abzuwarten!

Bildquelle: By Mathesar (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 18. April 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

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