derfarbfleck

Die Welt da draußen

Wo Bayern und Hessen kämpfen

https://mail-attachment.googleusercontent.com/attachment/u/0/?ui=2&ik=cb1f5cd9f6&view=att&th=13de68d60fae9348&attid=0.1&disp=inline&realattid=f_hf8p4uug0&safe=1&zw&saduie=AG9B_P-hlPDZ5_UXOaT8C_ibklbk&sadet=1365966989660&sads=COOz87WTWOpX_0KmYC_3omIFv08&sadssc=1Matthias Böttger über die Bedeutung des Länderfinanzausgleichs

„Seit heute Morgen um neun Uhr wird geklagt!“ – bis die Länder mit Kriegsrhetorik aufeinander einschießen, muss es schon hart auf hart kommen. Am Montag vor zwei Wochen haben das Land Hessen und der Freistaat Bayern beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht; Klage gegen ein Gesetz, das man einst unterstützt hatte, da es finanziell entlastete; Klage gegen ein Gesetz, das einen nun aber teuer zu stehen kommt.

Wie schnell, so träumt man in beiden Bundesländern, wäre man doch frei von Schulden, wäre dieses „total bescheuerte System“, wie Winfried Kretschmann das aktuelle Prinzip des Länderfinanzausgleichs nennt, nicht mehr nötig. So einfach ist es jedoch nicht. Gegen das grundsätzliche Bestehen des im Grundgesetz verankerten Mechanismus, der die Finanzkraft der Länder, also ihre Einnahmen pro Einwohner, auszugleichen gedacht ist, können die aufgebrachten Herrschaften nichts unternehmen. Vielmehr geht es um Verfahrensfragen, deren einzelne Aspekte in der Klageschrift trotz allem viele Seiten füllen.

Um das nun aufgeworfene Problem und das daher eingeleitete Verfahren zu verstehen, muss man zur Kenntnis nehmen, dass bereits vor 14 Jahren eine (erfolgreiche) Klage angestrengt worden war. In dem damaligen Urteil allerdings beschränkte sich Karlsruhe darauf, den Ländern aufzutragen, das System zukunftsfähig zu machen. So entwickelte man das „Maßstäbegesetz“. Dieses erfüllt aber kaum den Charakter einer Rechtsverordnung, ist es doch nur das eigentliche Finanzausgleichsgesetz in umformulierter Fassung.

 Der Ausgleich zwischen den Ländern erfolgt im Wesentlichen in drei Stufen: Zuerst wird die Umsatzsteuer auf die Länder verteilt. Grundsätzlich geschieht dies nach Einwohnerzahlen, aber ein Teil des Aufkommens wird dazu genutzt, den Ländern mit geringer Finanzkraft zu einer näher am Durchschnitt liegenden zu verhelfen. Danach werden dann nach bestimmten Formeln die überdurchschnittlichen Einnahmen abgeschöpft und auf die Länder verteilt, die aus Landes- und Gemeindesteuern sowie dem Anteil an den Gemeinschaftssteuern nur geringe Beträge vereinnahmen.

Wer schließlich immer noch weniger als 99,5% des Durchschnitts hat, wird vom Bund unterstützt. Diese Gelder werden als Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) bezeichnet. Es gibt noch weitere Pauschalbeträge für die Neuen Länder und solche, die angeblich überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung haben.

Die Komplexität des Systems wird schnell ersichtlich, seine Erklärung eher unzureichend, die oft geforderte Normenklarheit wird vergeblich gesucht. Neben diesem Punkt sind es aber insbesondere einige Unregelmäßigkeiten, die Bayern und Hessen willkürlich erscheinen und viel Geld kosten. Dabei geht es um die sogenannten „abstrakten Mehrbedarfe“, zum Beispiel für die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg. Aufgrund ihrer spezifischen Situation wird ihnen dadurch mehr Geld zugebilligt, sodass man ihre Einwohnerzahl veredelt. Die hohe Einwohnerdichte wird als Begründung dafür herangezogen, dass die Einwohnerzahlen mit 135% zu gewichten sind. Abgesehen von der Bundeshauptstadt Berlin, lässt es sich wohl kaum begründen, dass die Stadtstaaten überhaupt existieren müssen; Besteht man dennoch darauf, kann einfacher geholfen werden, denn obwohl die einkommensbezogenen Steuern schon heute „zerlegt“ werden, sind die Länder, in denen wenige Menschen leben, aber viele arbeiten, benachteiligt. Schließlich zahlt man beispielsweise die Lohnsteuer an seinem Wohnsitz, nicht aber im Land/ der Gemeinde des Betriebes. Die gering besiedelten Länder im Osten (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt) erhalten im Gegensatz dazu übrigens auch eine Aufwertung, aber nur bezüglich ihrer Gemeindeeinnahmen.

 Ein besonderes Paradoxon ist bei den zehn Ländern zu beobachten, die die BEZ für „überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung“ erhalten. Das sind alle Länder außer den heutigen Zahlern des Länderfinanzausgleich im Allgemeinen, plus Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, aber ohne Niedersachsen, für das der Tatbestand aufgrund seiner schieren Größe nicht begründet hätte werden können.

Vor allem daher ergibt sich ein Problem: Weder soll die Finanzkraft ganz angeglichen werden, noch darf sich die Reihenfolge der Länder nach Finanzkraft ändern. Das tut das Gesetz aber, die Ostdeutschen haben nach der Zuteilung der Ergänzungszuweisungen mehr als die Zahlerländer. Das macht auch aus dem Grunde keinen Sinn, dass in wirtschaftlich schwächeren Regionen annähernd immer niedrigere Preise vorzufinden sind. Nicht nur die Bürger, auch der Staat kann seine Leistungen so kostengünstiger beziehen.

Wie sollte nun verfahren werden? Aus meiner Sicht spricht wenig für die Klage. Es ist mehr als fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht weite Teile der Gesetze für ungültig erklärt. Beispielhaft der Umsatzsteuerausgleich ist rechtlich derweil kaum anzuzweifeln, obwohl er substanziell dem gesunden Menschenverstand eindeutig widerspricht. Durch ihn wird NRW eine Milliarde Euro entzogen, die sonst als allgemeine BEZ vom Bund aufgebracht werden müsste. Somit sollte er in den Verhandlungen, an denen ohnehin kein Weg vorbei führt, da das Gesetz bis 2019 befristet ist, möglichst schnell zum Opfer fallen. Es muss vielmehr als anhin darum gehen, eine positive Entwicklung der Einnahmen zu gutieren. Des Weiteren sollte, auch in Bezug auf die aktuell willkürlich zu 64% einbezogenen Einnahmen der Gemeinden, darüber nachgedacht werden, welche Steuern überhaupt relevant sind. Der Ausgleich könnte auch auf die Einkommensteueranteile der Länder und ihrer Gemeinden beschränkt bleiben.

 Eine Maßnahme, die hierbei gleichfalls in den Mittelpunkt rücken wird, ist die Steuerautonomie der Länder. Aktuell können sie nur über die Höhe der Grunderwerbsteuer bestimmen, wovon auch rege Gebrauch gemacht wird. Allerdings werden so insbesondere Mieten, gleichfalls aber auch junge Familien, die sich ein Haus kaufen möchten, belastet. Es braucht zielgerichtete Möglichkeiten. Bayern möchte, dass die Länder Auf- und Abschläge zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erheben können, sowie das Recht erhalten, Erbschaft- und Vermögensteuer als Landessteuern selbst zu bestimmen. Da versteht sich natürlich, dass keine der beiden Steuern in Bayern erhoben würden. Dennoch hat auch dieser Vorschlag weitreichende Vorteile: die ostdeutschen Länder haben aus der Erbschaftsteuer heute so oder so kaum Einnahmen, da der Vermögensaufbau wie in den ersten vierzig Jahren der Bundesrepublik kaum möglich war. Durch deren Abschaffung kann es gerade für Familienbetriebe zu einer Entlastung kommen, die die Konkurrenzfähigkeit der strukturschwachen Regionen stärkt und so hilft, die heute vorhandene Negativspirale, die aus der Abhängigkeit von den anderen Ländern resultiert, zu durchbrechen, ja, ins positive Gegenteil verkehren. Wettbewerbsföderalismus heißt meiner Meinung nach das Gebot der Stunde – gerade, wenn die EU auf absoluten Zentralismus in Steuerfragen drängt!

Bild: Michael Lucan und Oliver Abels (über Wikicommons)

Dieser QR-Code enthält den Link zum Online-Artikel
Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 14. April 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

Der Artikel ist urheberrechtlich geschützt und darf nur zu privaten Zwecken weiterverwertet werden. Jede andere Verwendung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. Für Leserbriefe nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion unterhalb des Online-Artikels.

Keine Kommentare bisher zu “Wo Bayern und Hessen kämpfen”

Lass einen Kommentar da