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Die Welt da draußen

Ein Preis für den Tod

von Lea Müller

„Die beiden betrunkenen Studenten entdeckten ein Loch in der Wand, sie waren der Meinung, es sei der Wäscheschacht, daher rutschten sie aus Spaß hinunter – zu ihrem Pech war es nicht der Wäschetunnel, den sie gerade entlangrutschten, sondern die Müllpresse, die die beiden ohne Pardon zerquetschte. Der Wäscheschacht befand sich an der gegenüberliegenden Wand“.

Diese und andere Menschen wurden und werden mit dem sogenannten Darwin Award ausgezeichnet, einem Preis, den man für eine wirklich ungewöhnliche Leistung erhält: Auf eine unglückliche, skurrile, gar hirnrissige Weise zu sterben. Für den Verstorbenen selbst ist der Preis natürlich nicht mehr von Bedeutung, was die Frage aufkommen lässt, wozu er dann dient.

Zurückgeführt auf den Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin, möchte man mit der Verleihung des Darwin Awards das Ausscheiden einer in der Evolution des Menschen zurückgebliebenen Person aus dem Genpool  feiern. Es geht also nicht direkt darum, dass der Tod eines Menschen zur Unterhaltung dienen soll, sondern darum, dass es eine „schlaue Entscheidung“ dieses Menschen war, seine minderwertigen Gene nicht weiter zu vererben und damit das Überleben der menschlichen Rasse zu sichern.

Angehörige wie Außenstehende allerdings sind nicht sonderlich begeistert von dieser Auszeichnung, die man wohl nur verstehen kann, wenn man einen tiefschwarzen Humor hat.

Ist es gerechtfertigt, den Tod eines Menschen zu bejubeln, sogar auszuzeichnen und Angehörige jederzeit an den Verlust eines Verwandten oder Freundes zu erinnern? Ist es moralisch vertretbar, einen Tod als Nutzen für das Überleben der menschlichen Rasse zu bezeichnen?

Sicherlich berichten die Medien täglich von Unfallopfern und anderen Todesfällen, doch werden solche Meldungen für gewöhnlich mit Trauer und Demut verbunden und nicht etwa ins Lächerliche gezogen, wie es bei den Geschichten um das Ableben der Preisträger des Darwin Awards der Fall ist.

„Um den Kaugummi-Weitspuck-Wettbewerb zu gewinnen wollte er das Kaugummi vom Dach eines Hochhauses aus spucken. Er nahm Anlauf und fiel, da er noch zu viel Schwung hatte, über die Dachkante des Gebäudes, 42 Stockwerke in die Tiefe“.

Noch verrückter ist es, dass inzwischen ein Spiel existiert, das die lustigsten Geschichten in der „Funny Death Edition“ der Spielserie „Black Stories“ zusammenfasst.

Ob das moralisch vertretbar ist bleibt fraglich, jedoch scheint es die große Masse der Gesellschaft eher zu amüsieren und zu unterhalten, wenn man von absurden Todesfällen berichtet. Der schwarze Humor der Menschen scheint noch weit genug zu reichen um auszublenden, dass diese Geschichten von betrunkenen Studenten und kurzsichtigen LKW-Fahrern, die Mutproben veranstalten oder in Klärgruben fahren, wahr sind. Ob es von der persönlichen Unbetroffenheit oder der einfachen Schadenfreude kommt, dass sich nahezu jeder von den Preisträgern des Darwin Awards unterhalten fühlt, ist unbedeutend.

Sicher, Darwins Theorie zum Überleben der Stärkeren durch die natürliche Auslese der Schwächeren wird durch diesen Award unterstützt und bekommt ein Gesicht, man erhält eine moderne Vorstellung von Darwins Idee, auch wenn der logische Bogen zwischen den beiden Dingen nur schwer nachzuvollziehen ist. Vor allem auch die Art und Weise, durch die die Theorie untermalt wird, ist im Laufe der Zeit zu einem makabren Geschäft geworden und jeder, der kann, versucht Profit aus der Auszeichnung zu schlagen.

Wenn der Darwin Award also irgendeinen Sinn hat, ob Unterhaltung oder Aufklärung, dann sollte er zu diesem zurückkehren und weniger den materiellen Wert des Profits im Auge haben.

Bildquelle: Courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin, via Wikimedia Commons

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 21. February 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

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Ein Kommentar zu “Ein Preis für den Tod”

  1. Insgesamt ein schöner Artikel, aber “Darwins Theorie zum Ãœberleben der Stärkeren durch die natürliche Auslese der Schwächeren” ist eine oft gelesene, aber durch Wiederholung nicht besser werdende falsche deutsche Ãœbersetzung von “survival of the fittest”. “fit” ist nämlich nicht gleich “stark”, sondern “angepasst”, im Sinne von “an die Umgebung / Umweltbedingungen adaptiert”. Und gemeint ist auch nicht die Anpassung des Individuums (das ja mit dem Darwin Award geehrt wird), sondern der ganzen Art. Heute wird von Fachleuten eher der Begriff “natürliche Auslese” verwendet, siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Survival_of_the_fittest
    Mit stark und schwach hat das jedenfalls nichts zu tun, sondern das geht eher – sicherlich unabsichtlich – in Richtung braunes Gedankengut. Und braun passt so gar nicht zum Farbfleck. ;-)

    Geposted von Stefan Münch | February 26, 2013, 00:29 | Antworten

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