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Die Welt da draußen

Eine nicht unwesentliche Baustelle

von Viktoria Kamuf

Wir lieben die Schule und hassen sie zugleich. Die meisten von uns begleitet sie 12 Jahre der Kindheit und Jugend und es wäre eine Lüge, zu behaupten, sie würde einen nicht prägen.

Doch dann kommt der Tag, an dem jeder ein schlichtes Blatt mit Zahlen darauf in die Hand gedrückt bekommt und die Türen sich hinter einem schließen, während Luftballons in den Himmel aufsteigen. Und dann steht man da und fragt sich, wie es weiter geht. Die einen fragen sich das natürlich länger als die anderen und wohl alle machen sich ihre Gedanken auch schon weit vor diesem Tag.
Eine Zukunftsberatung von unserer Seite wäre hier nicht angebracht, hat doch jeder seine ganz eigenen, individuellen Vorstellungen, der eine wird getrieben von seinem Fernweh, während der nächste sich sofort ins Studium stürzt.

Heutzutage stehen einem alle Türen offen, die Möglichkeiten sind unbegrenzt und man wird förmlich überschwemmt mit Angeboten und Ideen. In nicht wenigen Zimmern dürften sich Flyer stapeln. Das ist wunderbar, das ist gut. Jeder hat die Chance, seinen eigenen Weg zu finden, auch wenn das mit der Gefahr einhergeht, immer die Angst zu haben, sich nun doch vielleicht für das Falsche entschieden zu haben und wäre das andere nicht besser und hätte ich lieber auf den hören sollen… Unter anderem aus diesem Grund gibt es nicht wenige Studienabbrecher.

30% der Schüler, die sich für ein Studium entschieden erreichten laut einer Studie aus dem Jahre 2010 einen Hochschulabschluss. Die Hälfte der Schüler hat überhaupt diese Möglichkeit. Und das bedeutet wiederum, dass die aktuelle Quote Hochschulabsolventen bei 6 Prozent liegt im Hinblick auf die Gesamtschülerzahl Deutschlands. Diese Zahlen sollen natürlich steigen und das sind sie auch schon in den letzten Jahren, die Chance auf eine hohe Qualifizierung soll nicht nur einer elitären Minderheit vorbehalten sein. Zudem muss der Bedarf an Arbeitskräften gedeckt werden.
Die Bildungsstätten Deutschlands stehen hier aber vor einer großen Aufgabe: Sie müssen es schaffen, die Zahl der Absolventen hoch zu halten und gleichzeitig die Gefahr der Noteninflation und dadurch entstehende Absenkung des Niveaus verhindern. Dieser Fall ist teilweise aber schon eingetreten: Der Notenspiegel in Deutschland hebt sich stetig. An den Universitäten herrscht oft eine Mentalität des Bulimie- Lernens, können die Klausuren inzwischen doch oft per Schablone von den Prüfern korrigiert werden. Die Nachhaltigkeit des Lernens bleibt hierbei auf der Strecke. Und auch die „Werkzeuge“, die Ausdruck, Sprache und Argumentation eines jeden Schülers bestimmen, muss sich niemand mehr aneignen. Praktischerweise muss der Schüler demzufolge auch nicht mehr selbst denken, keine eigenen Lösungen mehr finden, keine Kompetenzen beweisen.
Immer mehr können und wollen also an die Uni und der Prozentsatz soll weiter gehoben werden, von 50 auf 75%. Das Studium wird dieser geplanten Entwicklung angepasst. Somit entsteht allerdings auch eine Gegenbewegung einiger Schüler, die sich zunächst von den Universitäten und den, vor allem in den großen Studiengängen im Zuge der Bologna-Reform entstandenen Problemen, fernhalten und trotz sehr gutem Schulabschluss über eine Ausbildung nachdenken oder auf besondere, auf anglo-sächsischem Prinzip bestehende, Studiengänge ausweichen. In letzteren wird gezielt noch das Handwerk des Lernens vermittelt und der Student hat die Möglichkeit seinen eigenen individuellen Weg zu entwickeln.

Die Bildung in Deutschland ist fantastisch im Vergleich zu anderen Ländern, aber für sich gesehen bleibt auch sie eine Baustelle. Denn das Lehren und Lernen endet nicht mit dem Ende der Schule.Hier wird nur das extrem wichtige Fundament begründet für eine hoffentlich gute Zukunft.

Bildquelle: By s.u. [Public domain], via Wikimedia Commons

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 25. January 2013
Kategorie: Die Welt da draußen

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5 Kommentare zu “Eine nicht unwesentliche Baustelle”

  1. 50% von 30% sind nicht 6% sondern 15%; das andere wären 20%. Derweilen liegt das Problem nicht darin, dass das falsche studiert wird, sondern darin, dass der Schüler kaum erkennt, welche Grundlagen, welche zentralen Kompetenzen und welches Können von ihm abverlangt werden, wenn er das Abenteuer Studium beginnt. Doch selbst bei Schüler, die in Mathematik excellente Leistungen in der Schule erzielten, haben sich die Professoren zu beschweren: sogar bei diesen fehlt Wissen, das vormals jedem Abiturienten bekannt und somit als Studienvoraussetzung in Mathematik selbstverständlich gewesen wäre.

    Zum Äußeren des Texts: Absätze sollten mit Lehrzeichen untermauert werden!

    Geposted von Die Ente | January 25, 2013, 21:01 | Antworten
  2. Sehr geehrte Ente,
    vielen Dank für Ihre ernstgemeinte Kritik zu meinem Artikel.
    Um die Zahlen und ihre Korrektheit noch einmal zu verdeutlichen: 50 % der Schüler machen Abitur, 40 % davon beginnen ein Studium und 30 % wiederum davon erreichen einen Hochschulabschluss = 6 % eines Jahrgangs.

    Geposted von Viktoria Kamuf | January 26, 2013, 00:00 | Antworten
  3. http://www.studis-online.de/Studieren/art-839-studistatistik2008.php
    https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/StudierendeHochschulenVorb2110410128004.pdf?__blob=publicationFile

    Die Studienanfängerquote am gesamten Jahrgang 1990 – nicht nur der Abiturienten – lag bei etwa 40%!

    http://www.bmbf.de/pubRD/his-projektbericht-studienabbruch.pdf

    Die Studienabbrecherquote ist entsprechend noch gegenzurechnen und liegt schon länger um die 20/25%. Selbstverständlich bleibt zu beachten, dass sich die Daten auch verschiedene Jahrgänge beziehen, allerdings ist kaum zu erwarten, dass urplötzlich Sprünge auftreten sollten.

    Daraus ergibt sich eine Absolventenzahl von etwa 30% am gesamten Jahrgang, also alle Schulabbrecher und ehem. Hauptschüler mitgerechnet! Bei deinen Zahlen handelt es sich ja wohl eher um Schätzungen, oder auf was beziehst du dich??

    https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/BroschuereHochschulenBlick0110010127004.pdf?__blob=publicationFile

    Es ist in diesem Kontext auch nicht außer Acht zu lassen, dass heute schon deutlich mehr als 2% eines Jahrgangs promovieren. Kaum ein Studienabsolvent tut das, nicht etwa jeder dritte!

    Geposted von Die Ente | January 26, 2013, 18:57 | Antworten
  4. http://www.spd.de/aktuelles/87128/20130125_abbruch_lehrlinge.html;jsessionid=2BF258A12665C017004502370DD55817

    Die Abbrecherquote bei Ausbildungen liegt übrigens genauso hoch! Die Berufsschulen zu verbessern sollte Priorität der Landesregierung sein, nicht am dreigliedrigen System herumzudoktorn…

    Geposted von Die Ente | January 26, 2013, 19:00 | Antworten
  5. Ich beziehe mich auf einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die ja bekannt für ihren sehr seriösen Journalismus ist, und auf die, in diesem Artikel erwähnte, Studie aus dem Jahre 2010. Das sind nach meiner Rechnung 20 Jahre nach der von Ihnen aufgeführten Studie.
    Für die Aussage meines Artikels ist im übrigen die Abbrecherquote bei Ausbildungen nicht relevant.
    Ich bedanke mich trotzdem für die zusätzlichen Informationen zu diesem Thema, die jedem Leser sicher auch weiterhelfen, sich seine eigene Meinung zu bilden.

    Geposted von Viktoria Kamuf | January 26, 2013, 22:59 | Antworten

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