derfarbfleck

Ausgestrahlt und Abgedruckt

Zynismus pur, Tiefgründigkeit weniger

eine Buchrezension von Jakob Dürr

Timur Vermes Spiegel Besteller „Er ist wieder da“ handelt von Adolf Hitler, der 2011 in Berlin wiederaufersteht und alsbald erneut zum Star der Massen wird.

Sommer 2011 – Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück inmitten Berlins, seine letzte Erinnerung ist der Führerbunker im Jahre 1945. Trotz entsprechender Verwirrung ist er der Meinung, dass das Schicksal ihm die Aufgabe hat zukommen lassen, wieder das deutsche Reich zum Endsieg zu führen – oder zumindest diesmal. Er wird alsbald von Angestellten einer großen Produktionsfirma „entdeckt“ und schnell ein fester Bestandteil einer Comedyshow, in der er zur Hauptattraktion aufsteigt. Da sein Umfeld alles, was er aus voller Ãœberzeugung sagt und tut, als Satire auffasst, wird er ohne Probleme bald zum Kulturgut erhoben und zum Kämpfer gegen all das, was er eigentlich vertritt, stilisiert. Er bekommt seine eigene Sendung und den Grimme-Preis. Nachdem er von Neonazis, die meinen, dass er die deutsche Sache in den Dreck zieht, brutal zusammengeschlagen wurde, kann er sich vor Mitgliedschaftsanfragen der großen Parteien kaum retten, da er zum Symbol der jeweiligen Bewegung geworden sei. Der Schluss lässt eine Fortsetzung vermuten, in der Hitler von seinen Comedieauftritten wegkommen will um aktiver in die Politik einzutreten.

Auf seinem Weg wird Hitler mit vielen Neuerungen der heutigen Zeit konfrontiert und setzt sie meist in Bezug zu seinem eigenem politischen und moralischen Weltbild. Daraus ergeben sich dann meist sehr amüsante und zynische Gedankengänge, die teilweise aber etwas zu lang geraten sind. So ist Hitler anfangs der Meinung, dass es so viele Türken in Deutschland gibt, da der Türke im letzten Moment in Berlin eingriff, den Russen vertrieb und Deutschland verteidigte, oder dass die CSU nur ein jämmerlicher betrunkener Abklatsch der NSDAP von damals sei. Teilweise enthalten diese Gedankengänge aber auch etwas Wahrheit, was dem Leser immer wieder schmerzlich bewusst wird.

Der andere, weitaus flachere, Teil des Humors begründet sich darauf, dass Hitler mit der heutigen Zeit nicht richtig zurechtkommt, à la Hitler kann kein Smartphone bedienen oder, dass er sich genauso verhält wie damals und Klischees aufgearbeitet werden à la Hitler hat Wagners „Walkürenritt“ als Klingelton oder Hitler grüßt immer noch jeden mit dem deutschen Gruß.

Sehr viel mehr als diesen teils sehr zynischen, teils etwas flacheren Humor hat das Buch allerdings nicht aufzuweisen.

Mir ist es jedenfalls nicht wirklich gelungen, die von vielen Rezensenten angeführte „Kritik an der Erfolgsgeilheit und Quotenfixiertheit der Medien“ zu erkennen. Ich denke, dass der Hitler, als der er im Roman von anderen wahrgenommen wird, nämlich als Satire auf höchstem Niveau, als jemand, der seinen Finger immer in die Wunde legt, wirklich als Kulturgut gehandelt werden könnte und eben nicht nur ein Produkt der Medienindustrie wäre.

Den zweiten, auch oft angeführten Punkt, nämlich, dass Deutschland immer noch sehr leicht einem solchen Demagogen verfallen könnte und dass dieses Buch es zeige, kann ich auch nicht nachvollziehen. Der Hitler in diesem Buch kommt nur so schnell so weit, da er aussieht wie Hitler, redet wie Hitler und sich so verhält wie Hitler, was alle furchtbar lustig finden. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte dieser Roman wohl einen anderen Verlauf. Ich denke, das Gedankenexperiment um Hitlers Wiederauferstehung wäre –bei dieser Problematik – interessanter, wenn er im Körper eines vollkommen harmlosen Bürgers zurückkehren würde und keine Uniform trüge.

Ich möchte diesem Buch aber auf keinen Fall seinen Unterhaltungswert absprechen, welcher auf jeden Fall beachtlich ist. Ich möchte nur die von vielen erklärte politische Tiefgründigkeit anzweifeln.

Ähnliches gilt auch für meine Empfehlung: Ich kann dem, der auf der Suche nach einer etwas tiefgründigeren Auseinandersetzung mit dem Thema „Demagogie heute“ ist, das Buch nur bedingt empfehlen, da die Aspekte mehr angesprochen, als zu Ende gedacht sind. Wer allerdings nur einen sehr unterhaltsamen, zynischen Roman sucht, ist hier bestens bedient.

Timur Vermes

Er ist wieder da

Eichborn-Verlag

396 Seiten

ISBN 978-3-8479-0517-2

Bildquelle: von Rama (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-2.0-fr (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/fr/deed.en)], via Wikimedia Commons

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 14. January 2013
Kategorie: Ausgestrahlt und Abgedruckt

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Ein Kommentar zu “Zynismus pur, Tiefgründigkeit weniger”

  1. Ich habe das Buch geschenkt bekommen, aber noch nicht gelesen. Ich weiss allerdings auch nicht, ob ich es lesen werde, denn ich habe ausser dieser auch die Kritik von Denis Scheck (Druckfrisch, ARD) gesehen. Für alle Scheck-Fans: http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/druckfrisch/top-ten/index.html
    Darin heisst es u.a.: “müde Scherze”, “Humor pubertär”, “politische Phantasie bräsig”, “Unterm Strich ist dieses Buch ein Produkt eben jener zynischen Medienindustrie, die es vermeintlicht anprangert.”
    Beide Rezensionen klingen eher so, als ob man seine Zeit besser mit anderen Büchern verbringen sollte. ..

    Geposted von Stefan Münch | January 17, 2013, 00:48 | Antworten

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