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Die Welt da draußen

Die Piraten

Bild: Bastian Haas

Bild: Bastian Haas

von Theresa Friedle

Eine Gruppe junger, hipper Menschen, die mit vollkommener Transparenz gegen die Politikverdrossenheit ankämpfen oder ein Haufen sexistischer Hacker in schlechten Klamotten, die eine Menge Schnapsideen haben?

Seit 6 Jahren besteht die Piratenpartei nun und schon genauso lange scheiden sich die Geister an ihr. 2006 nach dem Vorbild der schwedischen „Piratenpartiet“ gegründet, fanden sich zu Beginn vor allem junge Menschen in der neuen Partei repräsentiert: die meisten Entscheidungen fallen basisdemokratisch, die Parteioberen informieren regelmäßig über Twitter und das Grundanliegen der Partei ist die Freiheit des Internets.

Allerdings sind inzwischen neue Fragen aufgetaucht. Da wäre zum Einen die Frage der Gleichberechtigung: wie steht es damit in dieser Partei? Stimmt der Vorwurf, dass sie nur aus Computerfreaks besteht, die naturgemäß männlich sind? Im Programm der Partei steht das Ziel einer „Postgenderpolitik“, in der das Geschlecht nicht mehr im Personalausweis ersichtlich sein soll und auch sonst keine Rolle spielt. Doch in der Partei selbst scheint es noch nicht ganz so gleichberechtigt zuzugehen. So wurde am Karfreitag 2012 ein offener Brief der Jungen Piraten auf ihrer Website veröffentlicht, in dem sie massive sexistische und rassistische Kommentare anprangern. Zum Beispiel soll eine Frau als „zu hübsch“ um ernst genommen zu werden bezeichnet worden sein. Darauf konterten die führenden Piraten mit der Antwort, dass in jeder Partei Idiotien vorhanden seien und diese in der Piratenpartei nur aufgrund der Basisdemokratie vernehmlicher seien. Über die Anzahl der weiblichen Mitglieder gibt es keine Zahlen, da die Partei das Geschlecht ihrer Mitarbeiter nicht erhebt. Die Partei begründet jedoch auch das mit der Emanzipation: echte Gleichberechtigung herrsche erst, wenn nicht mehr gezählt werde. Vom Prinzip her mag das zwar stimmen, der Umkehrschluss trifft aber auf keinen Fall zu.

Dies sind jedoch beileibe nicht die einzigen Probleme der Partei. Auch die vielen Rücktritte im letzten Jahr haben der Partei zugesetzt. Nach der Vorzeigepiratin Marina Weisband haben im vergangenen Jahr auch die beiden Pressesprecher und der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion aufgegeben. Die Gründe dafür waren verschieden: teilweise wollten die jungen Menschen nur ein normales Leben führen, wie beispielsweise Weisband, die ihre Diplomarbeit schreiben will. Aber einige der Aussteiger gingen auch wegen Mobbings oder des vielen Stresses. Andere erwiesen sich wegen politisch unkorrekter Aussagen als unhaltbar. Diese Probleme hängen zum Teil auch mit der Parteistruktur zusammen und damit, dass die meisten Mitarbeiter der Piratenpartei ehrenamtlich neben dem normalen Job bzw. dem Studium arbeiten. Außerdem ist auch Politik ein Beruf, der gelernt werden muss, was die meisten der Mitarbeiter nicht getan hatten.

Doch trotz all dieser Startschwierigkeiten bleibt die Partei in der Tradition ihrer Namensvettern: genau wie Seeräuber andere Schiffe versetzt die noch junge Partei die etablierten Parteien in Angst und Schrecken. Vor allem junge Leute, die bisher die Grünen gewählt haben, laufen massenweise zu den Piraten über. Aber auch andere Parteien sehen in den Piraten eine Bedrohung, denn die „Orangenen“ besetzten im vergangenen Jahr einen Landtag nach dem anderen und auch in bundesweiten Umfragen lagen sie im April konstant über 5 Prozent. Die traditionellen Parteien kämpfen dagegen an, indem sie die Partei entweder als „bizarres Experiment“ darstellen und als „kindliche Erwachsene“ bezeichnen oder im Gegenteil die Gemeinsamkeiten betonen, wie zum Beispiel Andrea Nahles, die nach dem Wahlsieg der Piraten im Saarland auf die Netzpolitik der SPD hinwies. Andere SPD-Politiker sprechen gleich davon, dass die neue Partei die FDP und die Linke „aus den Parlamenten raushalten“ könne.

Doch egal, wie die Parteien jetzt noch reagieren: irgendwie werden sie sich mit diesem neuen Spieler im Kampf um die Wähler arrangieren müssen – denn so schnell werden sie die Piraten nicht mehr los.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 12. October 2012
Kategorie: Die Welt da draußen

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