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Vorweihnachtliche Entschleunigung

Kommt es mir nur so vor, weil ich in letzter Zeit kaum mehr Radio und seit langem keinen Fernsehen mehr benutze oder kann es wirklich sein, dass die super-frĂĽhe Weihnachtskommerzialisierung dieses Jahr nicht in vollem MaĂźe eingeschlagen hat?

Gut, ganz verschont bin ich nicht geblieben – schon als ich im Sommer wieder zurück in die Bundesrepublik kam, sahen mich aus den Supermarktregalen Schokoladen-Weihnachtsmänner an und standen Lebkuchen und Schokoladenadventskalender herum – doch über diese Lappalie schaut man doch wohlwollen hinweg, vor allem wenn das Thermometer noch über 25 Grad anzeigt und Schnee nicht einmal in den Träumen der Kleinsten vorkommt.
Doch als ich letzte Woche zu meinem ersten Weihnachtskonzert gefahren bin und mit Christbaum und Glühwein in Empfang genommen wurde, da hab ich es das erste Mal diese Saison gehört – ein Weihnachtslied. Nein, es war nicht Last Christmas, von Wham!

Da wurde es mir erst bewusst; anders als vermutlich alle Jahre zuvor, hab ich dieses Jahr bis in die letzten Novembertage nichts weihnachtliches gesehen oder gehört. Ich hätte es damals nicht hinausposaunen sollen, denn am folgenden Tag nahm mein Bruder dies zum Anlass im ganzen Haus Lichterketten aufzuhängen und Weihnachtssterne an die Fenster zu kleben. Allein von Plätzchen bin ich bisher verschont geblieben.

Nicht, dass ich Weihnachten nicht mögen würde oder ich kein Interesse daran hätte, aber ehrlich gesagt geht mir diese ganze Kommerzialisierung ziemlich gegen den Strich und das man schon Mitte September einen Weihnachtsmann essen muss, bevor man seine Kostüme für Halloween überhaupt benutzt konnte, die es seit Mitte April zu kaufen gibt, dass geht eindeutig zu weit. Der Anblick von Halloweenverkleidung, Schokoladenweihnachtsmänner, Silvesterraketen, Ostereiern, Skiausrüstung und Badeanzügen ist absolut grässlich!

Früher hat man den Christbaum am zweiten oder dritten Advent aufgestellt und an Weihnachten kam dann die Krippe hinzu, die an Epiphanie mit den Weisen aus dem Morgenland, Kamelen und Pferden ergänzt wurde. Dies macht auch wirklich Sinn, wie ich aus meiner Erfahrung als Christbaumlaudator und Dreikönigssänger berichten kann. Denn wenn in der Woche nach Weihnachten die Hälfte der Nadeln auf dem Teppich liegt und nicht am Baum hängt, dann muss statt den Nadeln, der Stamm als Laudationsobjekt herhalten.

Auch wirken Lichterketten im Oktober ganz anders, als um Weihnachten und eine Weihnachtsmannfigur bei knapp 30°C treibt die Perversion auf die Spitze. Nur weil etwas vorrätig ist, ist dies kein Grund es gleich aufzustellen. Wobei mir das mit dem Weihnachtsmann nicht einmal so große Sorgen bereitet, denn dieser gehört im ursprünglichen Sinn nicht zu Weihnachten.

Daher muss man schon in die Kirche gehen, um dem Weihnachtstrubel zu entgehen – normalerweise zumindest.

Dieses Jahr kam es mir nicht ganz so schlimm vor. Es mag daran liegen, dass man in der Schule noch einige Mahner hat, die es sich verbitten im Oktober Schneeflocken an die Fenster zu kleben und Süßer die Glocken nie klingen-singende Engelchen im Foyer aufzustellen.

Doch die Adventszeit, wird mit einigen wenigen Ausnahmen, doch völlig dem Alltagslauf ausgesetzt – von ruhiger oder besinnlicher Zeit mag keiner mehr sprechen, wenn zwischen Klausuren, Hausaufgaben, Proben, Präsentationen, Wettbewerben und Bewerbungsstress noch Zeit übrig bleibt, dann hat der Weihnachtsmarkt schon offen. Daher ist es doch verwunderlich, dass sich die Fachschaft Religion alle Jahre wieder trotz geringer Beteiligung dazu aufrafft einen morgendlichen Impuls zu veranstalten, was nichtsdestotrotz sehr lobenswert ist. Denn selbst wenn sich meine persönliche Empfindung der diesjährigen Verspätung der Weihnachtskommerzialisierung nicht als allgemeine Wahrheit herausstellt, so geben solche Angebote doch noch die Möglichkeit vor Weihnachten etwas zur Ruhe zu kommen und dem zweitwichtigste Fest der Christenheit ein wenig mehr Würde zu verleihen – Würde, welche dieses Fest der Familie, Liebe und Geburt Christi verdient hat.

Und daher wĂĽnsche ich euch eine besinnliche Adventszeit.

Von Sebastian Feifel

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 06. March 2012
Kategorie: Farbflecken, Wir hier drinnen

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