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“Die Politik ist nicht dazu da um die Autoproduktion zu regulieren”

Nach Politikern und Diplomaten hat sich derfarbfleck nun auch in die Wirtschaft vorgewagt. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der ZF Lenksysteme, Michael Hankel, stellte sich den Fragen der beiden Chefredakteure David Irion und Johannes Gansmeier und bekräftigte unter anderem die Wichtigkeit des Autos und der Industrie.

derfarbfleck: Herr Hankel, umweltfreundlich wie wir sind, haben wir die Anreise per Fahrrad bewältigt. Damit liegen wir ganz im Trend – auch die neue baden-württembergische Landesregierung plant die Neuanschaffung einer umweltfreundlicheren Fahrzeugflotte. Welchen Durchschnittsverbrauch hat denn Ihr Dienstwagen und wie sieht es mit der Fahrzeugflotte des Unternehmens aus?

Hankel: Bei meinem Dienstwagen kann ich es gar nicht genau sagen, denn das hängt stark davon ab, wie ich fahre (lacht). Ich fahre allerdings Diesel und von daher leisten wir schon einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz. Meiner Meinung nach identifizieren wir uns als Unternehmen nicht über die Fahrzeuge, die wir fahren, sondern über das, was wir als Unternehmen dazu beitragen, um effizient mit Ressourcen umzugehen. Hierbei trägt gerade die Elektrolenkung ganz erheblich dazu bei, dass wir CO2-Emissionen reduzieren und auch weniger Kraftstoff verbrauchen.

derfarbfleck: Wir fragen deshalb, weil für viele Menschen das Fahren eines bestimmten Autos große Aussagekraft darüber hat, inwiefern ein Unternehmen umweltfreundlich arbeitet. Wie wichtig ist Ihnen Umweltschutz und Ökologie im Hinblick auf das Image und die Ausrichtung der ZF Lenksysteme?

Hankel: Wie ich gerade sagte, entwickeln wir sehr umweltfreundliche Produkte. Im Augenblick werden Millionen von alten Hydrauliklenkungen durch Elektrolenkungen ersetzt, die wir herstellen. Eine solche neue Lenkung spart im Vergleich zur alten bis zu 0,7 Liter pro 100 Kilometer ein. Dasselbe umweltfreundliche Engagement gilt selbstredend auch für unsere beiden Muttergesellschaften ZF Friedrichshafen und Bosch. Darüber hinaus muss man erwähnen, dass wir uns grundsätzlich an unseren Standorten mit umweltfreundlichen Produktionsmethoden beschäftigen. Das heißt, nicht nur unsere Produkte sind so umweltfreundlich wie möglich, sondern auch die Produktionsverfahren.

derfarbfleck: Aus vorher bereits genanntem Grund, wird vor allem die Automobilbranche mit Argusaugen beobachtet und zum Teil auch durch moralischen Druck belastet. Politik und Gesellschaft fordern unisono gewaltige Innovationen, um den Traum und die Hoffnung von der emissionsfreien Mobilität zu verwirklichen.
Wie sehr sind Sie als direkter Zulieferer mit in solchen Innovationsprozesse involviert und wälzen womöglich die Automobilhersteller durch Outsourcing diese  Pflicht auf sie ab?

Hankel: Ich denke hier ist ein sehr starkes Irrbild in der Presse sichtbar. Das Automobil und die individuelle Mobilität sind einfach Dinge, die aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken sind. Es ist richtig, dass man hier versucht so gut es geht die Ressourcen zu schonen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht richtig ist, nur auf die Größe der Autos zu schauen oder darauf zu bestehen, dass jeder – so wie Sie heute – mit dem Fahrrad oder mit kleinen Autos unterwegs ist. Es wird oft unterschätzt, wie viel Entwicklungsleistung in größeren Autos bezahlbar gemacht wird und überhaupt erst möglich wird, damit dann diese neuen Technologien später in kleinere Fahrzeuge verbaut werden können. Aus wirtschaftlicher Sicht lohnen sich größere Entwicklungen und Forschungen eben nur bei großen Autos. Es gibt keine andere Branche in Deutschland, die so viel Geld für Forschungszwecke ausgibt, wie wir im Automobilsektor.

derfarbfleck: Klimawandel ist auf der Agenda der Politiker eines der permanenten Themen – ein weiteres ist der schnell voranschreitende demografische Wandel Deutschlands.  Stichwort Fachkräftemangel. In der Mai-Ausgabe des Cicero beschreibt Alexander Marguier einen „Aderlass [an Fachkräften], der die Bundesrepublik mit volkswirtschaftlichen Einbußen von mehr als einer Milliarde Euro teuer zu stehen kommt.“ Um Fachkräfte zu binden oder anzuwerben und somit international langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben sind sowohl die Politik, als auch die Wirtschaft gefragt. Wie können sich deutsche Unternehmen für Arbeitnehmer – sowohl aus dem Inland, als auch aus dem Ausland – lukrativer positionieren?

Hankel: Ich möchte gerne für beide Gruppen von Arbeitnehmern antworten, weil wir natürlich auch für Arbeitnehmer aus dem Inland interessant sind. Es gibt hier zwei Ebenen zu betrachten. Das eine ist der Fachkräftemangel für Facharbeiter: hier machen wir nach wie vor eine sehr umfangreiche Ausbildung für Fachkräfte. Wir bilden an unseren deutschen Standorten viele junge Menschen aus. Selbst in der Krise haben wir keinen einzigen Stammarbeitsplatz gestrichen oder Ausbildungsplätze zurückgeschraubt. Des Weiteren haben wir in unseren Betrieben meistens die neuesten Geräte, um den jungen Leuten auch die bestmögliche Berufsausbildung zu ermöglichen. Mit der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd haben wir ein Mentoring-Programm ins Leben gerufen, in dem wir vereinbart haben, dass die Studenten unseren Auszubildenden in manchen Fächern und Themengebieten unter die Arme greifen. Insgesamt versuchen wir speziell beim Thema Ausbildung verstärkt mit Bildungseinrichtungen zusammen zuarbeiten. So viel zu den inländischen Arbeitskräften.
Die andere Seite sind die akademischen Kräfte, die wir an uns binden wollen, wie z.B. Ingenieure oder Techniker, die eben aus dem Ausland kommen. Was die Erfahrung gezeigt hat, ist, dass gerade bei Akademikern unser Prinzip der Job-Rotation sehr gut ankommt. Hierbei können die Hochschulabsolventen teilweise rund um den Globus kommen und ein Stück weit die Welt erkunden. Übrigens bieten wir auch Studenten an, bei uns Praktika in den verschiedensten Standorten weltweit zu verrichten. Gleichzeitig zu allem bereits erwähnten muss man aber auch familienfreundlich orientiert sein. So haben wir etwa firmeneigene Krippenplätze, damit auch junge Frauen Familie und Job unter einen Hut bringen können.

derfarbfleck: Sie sprachen bereits die Bemühungen Ihres Unternehmens an, um ausländische Fachkräfte ins Land zu bringen. Doch wie sieht Ihrer Meinung nach ein effektiveres Einwanderungsmodell für ausländische Fachkräfte aus?

Hankel: Ich bin in diesem Themengebiet kein Spezialist und eigentlich ist das ja auch die Aufgabe der Politik, die Anforderungen der Unternehmen zu fördern. Generell gesprochen kann man sagen, dass zwei wesentliche Dinge wichtig sind für eine gelungene Einwanderung von Fachkräften: zum einen müssen wir offen sein für Fachkräfte, die eine gute Ausbildung haben, und es muss auch klar sein, in welchen Bereichen man überhaupt Bedarf hat. So könnte man gezielt eine Zuwanderung zulassen und fördern. Zum anderen sollte man sich Gedanken darüber machen, ob es sinnvoll ist, eine Einwanderung an ein bestimmtes Mindesteinkommen der jeweiligen Person zu knüpfen. Oder zumindest könnte man diese Regelung dafür nutzen, dass man z.B. dieses Mindesteinkommen in gewissen Branchen senkt, um so mehreren Leuten den Zugang zu erlauben.
Nichts desto trotz müssen auch Forderungen an die Einwanderer gestellt werden. Meines Erachtens muss die Problematik der – vor allem – sprachlichen Integration sehr deutlich gemacht werden. Eine gewisse sprachliche Qualifikation muss einfach da sein.

derfarbfleck: Zu all den schlechten Nachrichten gesellt sich auch noch die Erhöhung des Renteneintrittsalter auf 67. Sind Sie ein Befürworter dieser Neuregelung und glauben Sie, dass es einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat?

Hankel: Persönlich denke ich, dass die Menschen heute länger fit und leistungsfähig sind, als sie das noch früher waren. Hier muss man aber genau differenzieren, welchen Beruf die jeweiligen Arbeiter ausgeübt haben: ein Schichtarbeiter, der Jahrzehnte lang in diversen Schichten gearbeitet hat, ist sicherlich schneller an seine körperliche Leistungsgrenze gestoßen als manch anderer.
Aber eben weil wir eine solch drastische demografische Entwicklung haben und das Rentensystem auf Dauer so nicht mehr finanzierbar ist, ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 unabdingbar und grundsätzlich richtig. Auch im Hinblick auf den sogenannten Generationenvertrag sollte ja immer der Aspekt der Fairness stehen: sie als Jungjournalisten müssen schließlich die Rechnung für meine Generation später bezahlen.
Aus meiner Sicht hat man über die vergangenen Jahrzehnte sowohl in der Politik, als auch in der Gesellschaft einfach nicht wahrhaben wollen, wie die tatsächlichen Verhältnisse sind – nämlich eine rapide Alterung der Gesellschaft einhergehend mit der außer Kraftsetzung des Generationenvertrags.

derfarbfleck: Das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland liegt zur Zeit bei rund 63 Jahren. Somit könnte der neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann eigentlich bereits in Rente gehen. Eben dieser hat vor wenigen Wochen die Automobilbranche mit seiner Aussage „weniger Autos seien besser als mehr“ in Verlegenheit gebracht. Was halten Sie von derartigen Aussagen eines Mannes, der Ministerpräsident eines Bundeslandes ist, in dem der Automobilsektor als tragende Säule der Wirtschaft fungiert?

Hankel: Diese Aussage ist schlichtweg fatal! Des Weiteren halte ich sie für sehr anmaßend und an der Realität vorbeigehend. Die Politik ist nicht dazu da um die Autoproduktion eines Landes zu regulieren. Das ist Sache der Wirtschaft und die Politik hat die Rahmenbedingungen zu setzen. Ich halte es für vollkommen legitim, dass eine Regierung einen umweltfreundlichen Rahmen setzt – und dass eine grüne Regierung dies verstärkt tut, dürfte wohl niemanden wundern. Eine Sache darf man allerdings auf keinen Fall verkennen: wir leben in einem Land, das einen sehr großen Wohlstand genießt und das von einer großen Verteilungsmentalität getrieben ist. Die Gerechtigkeitsdebatte ist allgegenwärtig. Doch es gilt nach wie vor der Grundsatz, dass nur das verteilt werden kann, was vorher irgendjemand erwirtschaftet und verdient hat. Das ist nun mal das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns. Wir sehen an den Staatshaushalten, dass dieses Prinzip in den letzten Jahren massiv in Schieflage geraten ist. Wenn man die europäischen Staatshaushalte betrachtet, wird deutlich, dass wir am Rande einer wirtschaftlichen Katastrophe waren und teilweise noch immer sind. Jeder Staat muss sich entscheiden, ob er seinen Wohlstand sichern muss – und zu einer solchen Sicherung gehört eine Industrieproduktion. In Deutschland sind deutlich mehr als 27 Prozent Anteil des Bruttoinlandprodukts (BIP) Industrieproduktion und industrienahe Dienstleistungen. In Ländern wie Großbritannien ist dieser Wert auf zehn bis zwölf Prozent abgesackt. Da somit eine industrielle, wertschaffende Basis fehlt, ist Großbritannien auch viel stärker von irgendwelchen Schwankungen an den Finanzmärkten betroffen, als wir das hier in Deutschland sind. Der Wohlstand in England ist nicht so sehr gesichert wie der in Deutschland. Insgesamt ist unser Land durch die verschiedensten Entscheidungen in den letzten Jahren sehr viel wettbewerbsfähiger geworden, als wir es noch vor 20, 30 Jahren waren. Darauf sollten wir auch stolz sein. Dass man jetzt noch ökologisch produzieren sollte, ist richtig. Aber die Diskussion über die ach so schweren und Kraftstoff verbrauchenden deutschen Fahrzeuge kommt allzu häufig von unseren Nachbarn, z.B. Frankreich, Italien oder Spanien, die andere, kleinere Fahrzeugflotten herstellen. Hier sind ganz klar industriepolitische Interessen im Spiel.

derfarbfleck: Wo wir jetzt schon bei Baden-Württemberg sind: hier im Ländle steht der doppelte Abiturjahrgang und gleichzeitig die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht an. Neben der Frage nach den Ausbildungsplätzen stellt sich nun auch die Frage nach den Arbeitsplätzen. Welche Risiken und auch Chancen sehen Sie für die Schülerinnen und Schüler dieses Landes?

Hankel: Es ist sicherlich eine gewisse Anballung und Kumulation, die zeitlich zum Glück nur sehr kurz befristet sein wird. Meiner Meinung nach wurde bereits viel an den Hochschulen gemacht, ob es ausreichen wird, wird sich noch zeigen. Weiter denke ich auch, dass die Betriebe hier in der Region ihrer Pflicht nachkommen werden, dem Nachwuchs Plätze zu bieten, immerhin hängt hiervon auch unser zukünftiger wirtschaftlicher Erfolg ab. Auf der anderen Seite ist gerade bei diesem schweren Prozess auch die Politik gefragt, um Überbrückungselemente zu finden. Für junge Leute bietet sich aber auch nach wie vor ein freiwilliges, soziales Jahr an, denn gerade in diesem kann man um viele persönliche Erfahrungen reicher werden. Insgesamt muss man aber trotzdem sagen, dass der kommende Jahrgang eine Herausforderung für alle Beteiligten ist.

derfarbfleck: Wie bei so vielem spielt auch die Bildung bei dem eben Besprochenen eine immense Rolle. Des Weiteren ist sie auch Grundvoraussetzung für gutausgebildete Fachkräfte.

Inwiefern sind das Landesgymnasiums für Hochbegabte und ähnliche Schulen für Unternehmen tatsächlich beliebte Fördereinrichtungen, auf die man vielleicht besonders schielt und einige Schüler gleich im Auge behält?

Hankel: Natürlich versuchen wir alle Schulen, aus denen „potenzielle Mitarbeiter“ kommen könnten anzusprechen. Gerade wir als ZF Lenksysteme brauchen natürlich technikbegeisterte Schülerinnen und Schüler. Diese Technikbegeisterung, die leider immer mehr verloren geht, gilt es nun wieder zu erwecken. Bei euch an der Schule gibt es diese Technikbegeisterung verstärkt, was uns selbstredend sehr freut. Generell gesprochen halte ich das Landesgymnasium für Hochbegabte für eine hervorragende Einrichtung – nicht nur wegen der MINT-Fächer, sondern auch auf Grund des Gesamtkonzepts, dass eurer Schule zugrunde liegt. Insgesamt wird in Deutschland viel zu wenig für begabte junge Leute getan und deshalb sollte sich eigentlich jeder über Institutionen wie das Landesgymnasium freuen. Ich finde es richtig, dass in Deutschland sehr viel Geld für weniger Talentierte ausgegeben wird, um diese zu fördern. Ich finde es allerdings nicht richtig, dass wir uns mittlerweile weit davon entfernt haben, auch sehr begabten Jugendlichen die ihnen zustehende Förderung zu finanzieren. Gerade da wir in Deutschland keine Rohstoffe haben und so gesehen von unserer „Hirnleistung“ abhängig sind, sollten wir uns verstärkt um eine gezielte Förderung von Hochbegabten bemühen.

derfarbfleck: Herr Hankel, wir bedanken uns dafür, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.

Das Interview führten Johannes Gansmeier und David Irion

Michael Hankel, geboren 1957 in Bad Wildungen (Hessen),
Studium des Maschinenbaus,
ab 1998 1998 zum Mitglied der Geschäftsführung der Continental Teves AG & Co OHG,
ab 2001 Vorstandsmitglied der FAG Kugelfischer Georg Schäfer AG,
ab 2003 Vorstandsmitglied der ZF Sachs AG,
seit 01. Dezember. 2007 Vorsitzender der Geschäftsführung der ZF Lenksysteme.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 12. October 2011
Kategorie: Stars on Page

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Ein Kommentar zu ““Die Politik ist nicht dazu da um die Autoproduktion zu regulieren””

  1. Ihr immer mit euren Anzügen. Elite und so.

    Geposted von Oscar | October 12, 2011, 13:42 | Antworten

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