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Die Welt da draußen

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet

Bild: Pressebild FDP

Bild: Pressebild FDP

Wie schnelllebig das Geschäft der Politik ist, lässt sich die letzen Monate in tragischer Art und Weise anhand der Freien Demokratischen Partei, kurz FDP, aufzeigen.

Ziemlich genau zwei Jahre ist es nun her, dass den Liberalen mit einem noch nie dagewesenen Wahlergebnis von 14,6 Prozent der Einzug in den Deutschen Bundestag gelang. Die Wunschkoalition mit der CDU war Realität geworden und die FDP konnte nach  neun langen Jahren die harten Oppositionsbänke endlich den politischen Konkurrenten überlassen und auf die komfortablen und so begehrten Regierungssessel wechseln.Doch dem Höhenrausch folgte ein gewaltiger Kater am nächsten Morgen.

Die Schonzeit in den ersten 100 Tagen im Amt, die jeder neuen Regierung zustehen, wurde stark ausgereizt – von Westerwelles persönlichen Reisebegleitungen bei Auslandsbesuchen bis hin zur sogenannten “Mövenpick”-Steuer.

Pseudomoralischen Ergüssen über “spätrömische Dekadenz” oder der CSU als “Wildsau” folgte eine äußerst strittige Entscheidung im Weltsicherheitsrat, die causa Libyen betreffend.

Flankiert wurden diese “Unsicherheiten” von zwei immer wiederkehrenden FDP-Gespenstern: zum einen die wohl nie endenden Forderungen nach Steuersenkungen und zum anderen die ewige Personaldebatte um den Bundesaußenminister und (mittlerweile) ehemaligen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle.

Im Bundestagswahlkampf 2009 mit dem Wahlversprechen angetreten, die Steuern zu senken, glaubt heute niemand mehr an einen effektiven Nutzen von tatsächlichen Senkungen der bürgerlichen Abgaben – abgesehen davon sieht das Gros der Deutschen mittlerweile die Haushaltskonsolidierung als oberstes Ziel der Finanzpolitik. Keiner will mehr Steuersenkungen – außer der FDP. Und diese vergisst auch niemals jene Forderung gebetsmühlenartig zu wiederholen.

Das andere Problem, Guido Westerwelle, sollte eigentlich durch den Bundesparteitag im vergangenen Mai ein für alle mal aus der Welt geschafft werden – parteipolitisch gesehen. Die Liberalen erhofften sich durch eine Umbesetzung der Parteiführung einen Aufschwung in den Umfragewerten. Also machten sie sich an eine waghalsige Umstrukturierung: Philipp Rösler wurde neuer Parteichef und Rainer Brüderle neuer Fraktinsvorsitzender. Totaler Neuanfang? Fehlanzeige. Getreu dem Motto der 90er-Jahre “aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix” machte sich also die neue (alte) Parteiführung daran den zukünftigen Kurs der FDP zu setzen. Von jetzt an werde man “liefern”, versprach der neue Bundeswirtschaftsminister Rösler noch euphorisch auf dem Parteitag in Rostock.

Und jetzt, vier Monate nach dem Aufbruchssignal der Freidemokraten?

Philipp Rösler hat noch immer nicht den Kurs gefunden, mit dem er seine Parte wieder auf die Erfolgsspur bringen kann. Zugegeben, er hat sich schon vieles einfallen lassen: vom besten Freund der Kanzlerin und Euro-Freund über die Drohung eines Koalitionsbruchs bis hin zum Euro-Skeptiker hat der studierte Mediziner schon vieles versucht. Jedoch alles vergeblich.

Bild: Liberale @ flickr.com

Bild: Liberale @ flickr.com

Aus fünf Landesparlamenten ist die Partei dieses Jahr geflogen, aus drei während der Ägide Röslers. In den letzten Wahlen in Mecklemburg-Vorpommern und Berlin konnte sogar die rechtsradikale NPD mehr Wähler für sich mobilisieren. Die Liberalen liegen im bundespolitischen Trend bei rund drei Prozent und würden so nicht einmal den Sprung in das hohe Haus, den Bundestag, schaffen. Die Krux an der Sache ist, dass Rösler mit einer solchen Perspektive der Kanzlerin nicht ernsthaft mit dem Bruch der schwarz-gelben Koalition drohen kann – dies würde politischem Selbstmord gleichkommen. Das weiß Rösler und das weiß Merkel. Also ist die FDP dazu verdammt der CDU getreu Beifuß zu gehen, selbst wenn einige freidemokratische Parteigranden ab und an wenig nützliche Kritik am Kurs des Koalitionspartners tätigen. Es sind schlicht und einfach die letzten vergeblichen Versuche einen selbstbestimmten Eindruck zu erwecken.

Das Problem der FDP scheint zur Zeit darin zu liegen, dass sie als überflüssig gilt. Dazu hat sie im Ãœbrigen durch eine Reduzierung auf ihr Motto “Mehr Netto vom Brutto” selbst beigetragen.

Stark vereinfacht lassen sich die Stimmenverluste der freien Demokraten so erklären:

Der Kern der ehemaligen FDP-Wähler ist schon längst enttäuscht zu den Christdemokraten abgewandert oder bleibt bei Wahlen einfach Zuhause.

Selbständige und sogenannte Besserverdiener machen ihr Kreuz lieber bei den Grünen – diesen ist es geglückt sich in der Öffentlichkeit klar zu positionieren, zwar nicht auf wirtschaftspolitischer Sicht, aber immerhin als Öko-Partei.

Bürgerrechtler sehen sich in der Partei, die einst von Größen wie Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff geführt wurde, kaum mehr vertreten und wählen deshalb lieber den Protest, z.B. die Piratenpartei.

Etliche Appelle man müsse sich wieder auf die Grundtugenden der FDP beziehen und Vertrauen in der Bevölkerung gewinnen sind wirkungslos verhallt. Nur noch einzelne stehen wirklich für traditionelle Linien der Liberalen. So wehrt sich etwa Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schon seit geraumer Zeit gegen die Vorratsdatenspeicherung und pflegt so wenigstens einen kleinen Teil des geschundenen FDP-Herzens.

Doch das größte Problem der Partei ist: kaum einer weiß für was die FDP überhaupt noch steht und schon gar nicht warum man sie wählen sollte. Sie hat ein ersichtliches Profil verloren.

Wenn also der ehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Friedrich Merz, in der Maiausgabe des CICERO meint, die FDP würde in der politischen Landschaft gebraucht, fragen sich heute viele, wofür?

Die Werte einer Bürgerrechtspartei werden sicherlich gebraucht, auch dürfen die Errungenschaften der FDP-Vergangenheit nicht vergessen werden.

Doch wenn die Partei nicht bald versteht sich auf ihr Klientel zu konzentrieren, anstatt vergeblich zu versuchen eine Art Volkspartei zu werden, in der sich jeder wiederfindet,  wird sich tatsächlich bald die Frage stellen, ob die Freidemokraten noch gebraucht werden.

Die FDP ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Doch leider sind Bettvorleger schon seit dem letzten Jahrhundert außer Mode.

Von Johannes Gansmeier

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 29. September 2011
Kategorie: Die Welt da draußen

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