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“Der Protest ist eher zu uns gekommen, als wir zum Protest”

v.l. Johannes Gansmeier, Winfried Kretschmann, David Irion

Die Landtagswahl 2011 ist die historische Chance für die Grünen BW das Land zu ändern – so jedenfalls wenn man dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Winfried Kretschmann, Glauben schenkt. Der gläubige Katholik stellte sich kurz vor der Wahl den Fragen der farbfleck- Chefredakteure David Irion und Johannes Gansmeier im Haus der Abgeordneten in Stuttgart.  

derfarbfleck: Herr Kretschmann: Sie haben einmal gesagt, dass die Grünen keine „Auto“- sondern eine „Schienenpartei“ seien. In welchem Maße nutzen Sie denn die Bahn als Transportmittel?

Kretschmann: Wann immer es geht benutze ich sie. Selbstverständlich habe ich auch einen Dienstwagen, den ich benutze, wenn es abends mal später wird. Mit der Bahn würde ich oft gar nicht mehr nach Hause kommen, weil um diese Uhrzeit oftmals keine Züge mehr fahren. In der Regel fahr ich zweimal in der Woche mit der Bahn.

derfarbfleck: Die letzten Monate in Baden-Württemberg waren von einer Diskussion geprägt, die ebenfalls Schienen zum Thema hatte – die Schienen des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Stuttgart 21 erhitzte die Gemüter im ganzen Land, doch tut es das nach der Schlichtung immer noch?

Kretschmann: Ich bin mir sicher, dass es noch immer so ist. Stuttgart 21 ist auch jetzt noch präsent in den Gemütern, wenn auch nicht mehr so sehr in den Medien – das darf man jedoch nicht verwechseln. Es treibt alle Leute, egal ob pro oder contra, immer noch stark um, denn bei diesem Projekt geht es um viel Geld. Gerade nach einer so verheerenden Finanzkrise, wie wir sie hatten, ist der finanzielle Aspekt wichtiger geworden als vorher. Durch den Schlichterspruch sind sicherlich die Wogen größtenteils geglättet, aber genau das war ja Ziel Schlichtung. Die letzten machtvollen Demonstrationen aber zeigen, dass der Widerstand gegen Stuttgart 21 nach wie vor ungebrochen ist.

derfarbfleck: Sind Sie denn mit dem Ergebnis des Schlichterspruchs zufrieden?

Kretschmann: Jain. Mit den Bereichen, an denen wir mitgewirkt haben, sind wir zufrieden. So geht etwa der Stresstest, der jetzt gemacht wird, allein auf unser Konto. Von den Befürwortern des Projektes kam in diese Richtung rein gar nichts. Das heißt, wir haben das, wogegen wir ja eigentlich sind, sorgfältig getestet und gezeigt, was gemacht werden müsste, damit der Bahnhof überhaupt funktioniert. Ich sehe keine realistische Chance für die Bahn, diesen Stresstest ohne Nachinvestitionen von rund  ½ Milliarde Euro zu überstehen.

derfarbfleck: Die Bundeskanzlerin erklärte letztes Jahr die Landtagswahl in Baden-Württemberg kurzerhand zur Volksabstimmung über den Bahnhofsneubau. Hat Stuttgart 21 nach wie vor eine wahlentscheidende Relevanz oder haben die Grünen gewissermaßen auf das falsche Pferd gesetzt, als sie Stuttgart 21 zu ihrem Thema erklärten?

Kretschmann: Wir haben das ja genau nicht gewollt. Wir setzen uns für eine Volksabstimmung über den Bahnhofsneubau ein, das heißt, die Leute sollen unabhängig von ihrer Parteipräferenz oder Wahlentscheidung über Stuttgart 21 entscheiden dürfen. Wir wollten nie, dass die Landtagswahl zu einem Plebiszit gemacht wird. Jetzt ist es allerdings unvermeidlich, dass es so kommt.
Aufs falsche Pferd haben wir keineswegs gesetzt, denn wir begleiten dieses Projekt kritisch und zwar schon seit 1996. Von unserer Seite aus hat das also mit der Wahl gar nichts zu tun.

Insofern haben wir all das unabhängig davon gemacht, ob es uns bei der Wahl was nützt oder nicht. Man könnte fast sagen, der Protest ist eher zu uns gekommen, als wir zum Protest.

derfarbfleck: „Mehr Demokratie wagen!“ lautet eine Forderung Ihres Wahlprogramms. Dies soll durch mehr Volksentscheide erreicht werden, die möglicherweise zusätzliche, bürokratische  Hürden entstehen  lassen würden. Hindert bzw. behindert dies nicht den Fortschritt dieses Landes?

Kretschmann: Das glaube ich nicht. Zunächst sind Volksentscheide bereits Teil der Landesverfassung. Doch sind die Hürden dafür so hoch, dass sie nie überwunden werden konnten. Hierfür müssten nämlich 1,3 Millionen Menschen in zwei Wochen auf die Rathäuser gehen, was faktisch nicht zu schaffen ist. Im Nachbarland Bayern, wo es dieses Instrument mit niederen Hürden gibt, hat es bisher sieben Volksentscheide gegeben. Die repräsentative Demokratie bleibt weiterhin das Rückgrat der Demokratie und es ist lediglich eine Ergänzung Volksentscheide durchzuführen. Man muss wahrlich keine Angst davor haben, dass die Bürgerschaft dieses Mittel andauernd verwenden würde, denn dafür ist der Aufwand zu groß.

derfarbfleck: Was erwidern Sie Kritikern, die behaupten, bei Volksentscheiden würden Menschen über derartig komplexe Themen abstimmen, die sie gar nicht durchblicken können?

Kretschmann: Es gibt ja Beispiele, bei denen hervorragend aufgezeigt wird, wie es funktionieren könnte. Die Schweiz ist eine erfolgreiche Industrienation und hat direkte Demokratie in allen politischen Fragen. Auch die Wahlentscheidung für oder gegen eine Partei kann auf unzureichender Information beruhen. Ich würde gerne wissen, wer unser ganzes Wahlprogramm komplett gelesen hat – das sind wahrscheinlich gerade einmal Promille der Bevölkerung. Die Frage, wie kompetent jemand eine politische Entscheidung fällt, die hängt nicht davon ab, ob wir ein repräsentatives oder direktes System haben. Auch bei Wahlen setzen wir voraus, dass jedermann bestens informiert ist. Doch eigentlich ist dies bei einzelnen Projekten viel eher der Fall, denn wenn jene umstritten sind – und nur dann kommt es ja zu Volksentscheiden – informieren sich viel mehr Bürger über die Materie, als wenn sie nur alle fünf Jahre ihr Kreuzchen setzen müssen. Das ist ja genau der Vorteil der direkten Demokratie: sie fordert die Leute auf sich besser zu informieren. Wir sehen andererseits z.B. wie in Italien der Populismus regiert, also ist das immer eine verletzliche Flanke der Demokratie. Nur wenn die Demokratie glaubwürdig bleibt, kann sie verhindern, dass Demagogen Einfluss nehmen können.

derfarbfleck: Ist es bei einem Volksentscheid nicht einfacher die populistische Masse zu aktivieren, als die Leute, die mit dem status quo zufrieden sind?

Kretschmann: Die Gefahr besteht sicher. Ich sehe jetzt in diesem Wahlkampf, dass auch die CDU eine populistische Kampagne gegen mich fährt, z.B. indem behauptet wird, ich sei von Cem Özdemir gesteuert. Oder schauen wir nach Hamburg: Dort hat eine populistische Partei unter Ronald Barnabas aus dem Stand über 20 Prozent erhalten.  Also ist Populismus leider nicht nur ein Problem der direkten Demokratie. Die Gefahr ist immer da. Und sie hängt nicht von der Frage ab, ob direkt oder indirekt. Allerdings könnte bei uns so etwas wie das Minarett-Verbot in der Schweiz nicht durchgesetzt werden, da wir zusätzlich noch an eine Verfassung gebunden sind, die dergleichen verbieten würde.

derfarbfleck: Nach neuesten Umfragen liegen die Grünen bei rund 23%. Für wie realistisch halten Sie ein solches Ergebnis und was ist Ihre persönliche Zielsetzung?

Kretschmann: Das klare Wahlziel meiner Partei ist, dass wir an die Regierung kommen. Wir wollen die CDU nach 57 Jahren auf die Oppositionsbank schicken, das heißt, wir hoffen, dass es zu einer grün-roten Regierung kommt. Das halte ich für sehr realistisch.

derfarbfleck: Sie hoffen auf eine grün-rote Regierung, aber würden Sie auch notfalls mit der CDU koalieren?

Kretschmann: Andere Koalitionen wollen wir nicht. Wenn es aber zu einer Ausnahmesituation kommt, z.B. dass es keine klaren Mehrheiten gibt, wollen wir keine Auschließeritis betreiben. Sollte es nämlich zu einer solchen Situation kommen, muss sich die Politik als handlungsfähig beweisen. Wir schließen nichts aus – das bedeutet aber auch nicht, dass wir dann tatsächlich mit anderen Parteien koalieren. In einem Fünf-Parteien-Parlament muss man offen für alles sein, wobei ich der Meinung bin, dass die Linke nicht in den Landtag kommt.

derfarbfleck: Was würden Sie als erstes ändern, wenn Sie Ministerpräsident werden würden?

Kretschmann: Als erstes werden wir uns um die Energiepolitik kümmern und die Abschaltung der Atomkraftwerke, um die Sicherheitsfragen. Dann das Landesplanungsgesetz ändern, damit Windkraft nicht weiter blockiert wird, wie es die CDU mit ihrer Nein-Sager-Haltung macht.

derfarbfleck: Es gibt ja durchaus einige Medien, die munkeln, Boris Palmer könne Ihr designierter Nachfolger werden. Was würden Sie tun, wenn sich die Wahl nicht nach Ihren Vorstellungen entwickeln würde?

Kretschmann: Ich halte diese ganzen Kampagnen über irgendwelche Nachfolger oder, dass ich ferngesteuert sei, für unanständig. Ich bin unumstrittener Spitzenkandidat und wenn wir in die Regierungsverantwortung kommen, dann werde ich eine entsprechend dem Wahlergebnis führende Position einnehmen.

derfarbfleck: In mehreren Wahlkampspots der Grünen wurde mehr Wert darauf gelegt den politischen Gegner zu diffamieren, als auf inhaltliche Profilsetzung zu achten. Dieses Phänomen ist jedoch querbeet durch die ganze Parteienlandschaft zu bemerken.

Wird es nicht immer mehr zum Problem, wenn Parteien zu solchen Mitteln greifen müssen um die Wähler für sich zu gewinnen?

Kretschmann: Na gut, was kann man schon groß von einem Kinospot erwarten, der wenige Sekunden lang ist? Es ist was sehr plakatives und es soll die Leute eher dazu anregen, sich mit der jeweiligen Partei zu beschäftigen. Wir machen einen sehr inhaltsorientierten Wahlkampf und ich greife meine politischen Gegner nicht persönlich an. Es geht um eine sachlich geführte Auseinandersetzung, die auch zuweilen hart sein kann. Aber so wie es der Gegner im Moment macht, nämlich meinen Gesundheitszustand zu kritisieren, muss ich mich natürlich zur Wehr setzen. Generell sollte man aber immer an der Sache entlang streiten.

derfarbfleck: In der SPIEGEL-Ausgabe vom 15.11.2010 wird die These aufgeworfen, „Nur Grünen gelinge es, ungestraft Politik gegen sich selbst zu machen“. Als Beispiel dient der geplante Bau eines Pumpspeicherwerks südlich von Freiburg im Haselbachtal. Die Forderung nach umweltfreundlicher, regenerativer Energiegewinnung lässt sich sogar im Energiekonzept der Grünen Bundestagsfraktion finden. Dennoch sind die regionalen Kreisverbände der Grünen oftmals diejenigen, die den Widerstand vor Ort organisieren. Wie ist eine solche Diskrepanz zwischen Vorsatz und der Umsetzung vor Ort zu erklären und zu rechtfertigen?

Bild: GRÃœNE BW

Bild: GRÃœNE BW

Kretschmann: Wir sind prinzipiell für Pumpspeicherkraftwerke. Aber in einem dichtbesiedelten Industrieland, wie es Baden-Württemberg nun einmal ist, müssen wir davon ausgehen, dass solche Infrastrukturprojekte generell auf örtlichen Widerstand treffen, weil sie in die lokale Umwelt eingreifen. Deshalb ist Widerstand vor Ort erst mal ganz normal. Das was ich allgemein fordere, muss ich örtlich auch durchsetzen und deshalb wollen wir ja auch eine neue Bürgerkultur. Es muss auf gleicher Augenhöhe mit den Bürgern vor Ort debattiert werden, deren Argumente angehört und abgewogen werden, und dann müssen wir Entscheidungen treffen. Es gilt zu bestimmen, ob das übergeordnete Ziel die Argumente der Anwohner schlägt oder nicht. Diejenigen, die sich vorschnell für Atdorf ausgesprochen haben, bevor das Raumordnungsverfahren überhaupt abgeschlossen ist, zeigen den Bürgern die Alternativen nicht auf – das kann nur zu Verdruss führen, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Wie man es besser machen kann zeigt die Debatte im Nordschwarzwald, in der Gemeinde Forbach.

derfarbfleck: Das heißt, Sie sind der Meinung, die Glaubwürdigkeit solcher Forderungen leidet nicht unter derlei Verhalten?

Kretschmann: Nein, im Gegenteil. Glaubwürdig dem Bürger zu sagen „wir nehmen euch ernst und wir diskutieren mit euch auf Augenhöhe“ geht gar nicht anders. Das gehört zu Entscheidungsprozessen einfach dazu. Bei solchen Problemen geht es immer um Vertrauen. Und dieses Vertrauen entsteht nur dann, wenn ich Argumente sorgfältig abwäge.

derfarbfleck: Die Grünen schweben zurzeit auf einer Sympathie-Wolke sondergleichen. Ist es möglich, dass dieser Umstand durch die Tatsache bedingt ist, dass Ökologie per se momentan in der Gesellschaft ziemlich in Mode geraten ist?

Kretschmann: Nein, ganz und gar nicht. Ich bin der Meinung unsere Themen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und die Leute erkennen langsam, dass unser jetziges Wirtschaftsmodell nicht nachhaltig ist. Wir müssen zu einer echten sozialen-ökologischen Marktwirtschaft kommen, denn nur mit einer umweltfreundlichen Arbeitsweise schafft man die Arbeitsplätze der Zukunft. Heute sehen wir, dass unsere mittelständischen Unternehmen auf den Gebieten Ressourcenschonung und ökologisches Know-how weltweit mit ganz vorne dabei sind, was auch der Verdienst meiner Partei ist.

derfarbfleck: Viele werfen den Grünen vor, Sie seien außerhalb der eben erwähnten Ökologie thematisch schlecht aufgestellt. Wie begegnen Sie solchen Vorwürfen?

Kretschmann: Wir haben auf allen wichtigen Politikfeldern eine durchdachte Reformagenda. Schon seit 30 Jahren machen wir eine konstruktive Oppositionspolitik und es gibt kein Gebiet der Politik auf dem wir nicht gut finanzierbare Konzepte entwickelt haben.

derfarbfleck: Kommen wir nun zu einem Thema das Sie selbst immer wieder als eines der wichtigsten Wahlkampfthemen proklamiert haben: Bildung – genauer gesagt Hochbegabtenförderung. Dieses ist ja durchaus ein heikles, da der Begriff „Elite“ oftmals negativ verstanden wird.

Andererseits meinten Sie im September 2010 in einem Interview mit Grüne BW, dass sie für eine Öffnung der Schullandschaft sind, um so jedem, der, und hier dürfen wir Sie zitieren „gute Schule machen will“ dies auch ermöglichen wollen. Wie stellen Sie sich Begabtenförderung im Land Baden-Württemberg idealerweise vor?

Kretschmann: Unsere Grundidee heißt individuelle Förderung – sozusagen die Überschrift unserer ganzen Schulagenda. Was wir eigentlich nicht wollen, ist eine immer weiter fortschreitende Aufgliederung des Schulsystems. Wir stehen für ein integratives Schulsystem, in dem individuelle Förderung stattfindet. Individuelle Förderung heißt ja, dass niemand in der Klasse sitzt, der über- bzw. unterfordert wird. Das soll nicht in getrennten Schulen stattfinden, sondern an einer gemeinsamen. Insgesamt soll mehr Freiheit im Schulwesen herrschen, sodass diejenigen, die gute Schule machen wollen, dies auch können. Wenn wir aber jetzt an die Regierung kommen, werden wir eure Schule nicht schließen, denn sie hat uns sehr viele wertvolle Erkenntnisse im Bezug auf Hochbegabtenförderung gebracht. Weitere Schulen nach ähnlichem Modell einzurichten schließen wir jedoch aus.

derfarbfleck: Sie plädieren dann also für eine integrative Förderung von hochbegabten Jugendlichen. Bei unserer Schule wäre es jedoch eine segregative. Denken Sie nicht, dass eine solche Segregation zu einer optimalen Motivation Hochbegabter führen könnte? Oder denken Sie, dass dies auch an Regelschulen zustande kommen könnte, an denen unweigerlich Schüler mit mehr Begabung und Schülern mit weniger Begabung in einer Klasse sitzen?

Kretschmann: Wir müssen uns immer fragen, was wollen wir denn im Blick haben. Wir wollen eine Gesellschaft, die zwar aus Subkulturen bestehen darf, jedoch nicht aus Parallelgesellschaften. Also sind wir letztlich alle Bürgerinnen und Bürger eines Gemeinwesens und hier taucht die Frage auf, was eine individualisierte Gesellschaft zusammenhält. Und was sie unbestreitbar zusammenhält ist die Tatsache, dass wir alle gemeinsam auf dieselben Schulen gehen. Es darf sich nicht alles segregieren. Man muss auch beachten, dass begabte Schüler auch andere mitziehen können. Zurzeit haben wir eine Inklusionsdebatte, in der es darum geht, auch behinderte Kinder zu integrieren. Das kann nicht mit eigenen Schulen, extra für behinderte Kinder und Jugendliche funktionieren, auch wenn einige Eltern sagen, auf solchen Schulen würden sich ihre Kinder wohler fühlen. Das sind sicherlich widerstreitende Interessen und hier gilt es auch Kompromisse zu finden.

derfarbfleck: Sie haben den Pilotprojektcharakter unserer Schule angesprochen. Inwiefern denken Sie, dass das Modell des Landesgymnasiums für Hochbegabte Vorbildcharakter für andere ähnliche Schultypen sein könnte?

Kretschmann: Obwohl ich, wie bereits erwähnt, kein Anhänger davon bin, immer mehr Spezialschulen einzurichten, denke ich, dass das Landesgymnasium in Schwäbisch Gmünd viele wichtige Aspekte im Umgang mit jungen Hochbegabten gebracht hat, weshalb es auch für die ganze Bildungslandschaft in Baden-Württemberg sehr wichtig ist. Deshalb werden wir auch in einer grün-roten Regierung weiterhin genau die Entwicklungen an eurer Schule beobachten und fördern.

derfarbfleck: Herr Kretschmann, wir danken Ihnen für das Interview.

Das Interview führten Johannes Gansmeier & David Irion

Winfried Kretschmann, geboren am 17. Mai 1948 in Spaichingen,
nach Abitur und Grundwehrdienst Ablegung des Staatsexamens
an der Universität Hohenheim 1977,
bis 1980 Gymnasiallehrer für Biologie , Chemie & Ethik am Hohen-
Zollern-Gymnasium in Sigmaringen,
1979/80 Mitbegründer der Grünen BW, ab 1980 Mitglied des Landtages,
1985/86 Grundsatzreferent im  Umweltministerium in Hessen,
seit 1988 mit Unterbrechung Mitglied des Landtages BW,
seit 2002 Fraktionsvorsitzender Grüne BW,
Spitzenkandidat der Grünen BW für die Landtagswahl 2011.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 27. March 2011
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8 Kommentare zu ““Der Protest ist eher zu uns gekommen, als wir zum Protest””

  1. Ich bin auf die grün-rote Wirtschaftspolitik gespannt… Erneuerbare Energien um jeden Preis werden unserer Industrie sicherlich nicht helfen!

    Ich könnte mir auch vorstellen, dass es für die Grünen ganz schön schwierig zu regieren wird. Einerseits sind Konflikte innerhalb der Partei unausweichlich (die Forderungen vieler Fundis sind einfach nicht umzusetzen), andererseits müssen sie sich auf den praktisch gleich großen Koalititionspartner SPD einlassen, der auch ein gehöriges Wörtchen mitreden will.

    Noch ein kleiner Rechtschreibfehler: Wahlkampspots

    Geposted von Cornelius | March 27, 2011, 22:24 | Antworten
  2. Man kann davon ausgehen, dass Grün-Rot in Baden-Württemberg ein kurzes Intermezzo bleiben wird:

    Einerseits ist die Verankerung der Christdemokraten v.a. im ländlichen Raum noch ungebrochen. Das zeigt das Ergebnis von 39% TROTZ S21 und Fukushima. Die Ablösung von Schwarz-Gelb ist wohl eher auf die Westerwelle-bedingte Schwäche der Liberalen zurückzuführen, die ja bis zur nächsten Wahl vielleicht überwunden sein wird…

    Andererseits wird sich so mancher enttäuschter Bürgerlicher, der diesmal sein Kreuz bei den Grünen gemacht hat, ganz schön die Augen reiben, wenn Grün-Rot tatsächlich anfängt zu regieren: Zu den von Cornelius angesprochenen innerparteilichen Differenzen der Grünen kommen ein eklatanter Mangel an erfahrenem Spitzenpersonal und die S21-Frage, die für Grün-Rot m.E. bald schon ein größeres Problem darstellen wird als für Schwarz-Gelb: Wenn die neue Landesregierung tatsächlich eine Volksabstimmung über S21 herbeiführt, wird sie mit zwei Stimmen sprechen, denn die SPD unterstützt S21. Falls S21 dann im Plebiszit eine Mehrheit findet, was durchaus möglich ist, wäre ein grüner Ministerpräsident gezwungen, das Projekt, gegen das er vorher seine Anhänger mobilisiert hat, (notfalls gewaltsam) weiterhin durchzusetzen. Ich bin gespannt, wie er das seinem Stammklientel erklären wird… Hinzu kommen natürlich die grün-roten Ansichten zur Bildungspolitik, die laut Umfragen für die Wahl keine allzu große Rolle gespielt haben – anders wäre ein solches Ergebnis ja auch nicht zu erklären -, aber die sich schon bald wieder in den Fordergrund drängen werden, denn bisher hat noch niemand eine Antwort auf die Frage gefunden, wie die von Kretschmann geforderten Gegensätze “individuelle Förderung” und “integratives System”, die sich nach dem gesunden Menschenverstand doch eigentlich ausschließen, unter einen Hut gebracht werden sollen.

    In diesem Zusammenhang würde ich mir wünschen, dass der farbfleck die Politik der neuen Landesregierung gegenüber unserer Schule kritisch begleitet: Natürlich wird die Schule nicht geschlossen werden, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Grünen sie als Modellschule in ihrem Sinne umgestalten. Das hieße bspw.: Eine Forcierung der Aufnahme von “Underachievern”, mehr alternative Unterrichtsformen und eine entsprechende Ausrichtung der Forschung im KH. Ob wir das wollen, ist definitiv den einen oder anderen farbfleck-Artikel wert.

    Geposted von Cato | March 28, 2011, 16:58 | Antworten
  3. Toller Artikel, viele Informationen :)

    Inzwischen wissen wir ja, dass Herr Kretschmann neuer Ministerpräsident werden wird.
    Er möchte unsere Schule nicht schließen, schließt aber aus, dass weitere Schulen nach diesem Modell eingerichtet werden.
    Ich finde diese Entscheidung sehr schwach. Normalen Schulen ist es meistens nicht m̦glich, die vollen Bandbreite zu f̦rdern, selbst wenn man sich nur Gymnasien ansieht sind enorme Leistungsunterschiede sichtbar und da Leistungsabfragen einheitlich sein sollen, ist eine individuelle F̦rderung sehr schwer einzurichten. Wie soll dies auf Gesamtschulen Рwas ja wohl auf lange Sicht hin angestrebt wird Рfunktionieren k̦nnen?

    Auch die Wirtschaftspolitik der Grünen halte ich – wie schon Cornelius und Cato – nicht für optimal.

    Das Bahnhofproblem könnte ein wirklicher Knackpunkt werden – wenn es grün-rot nicht schafft sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen, dann wird die Regierung in spe daran kaputt gehen.

    Geposted von Sebastian | March 29, 2011, 10:00 | Antworten
  4. Ich bin nicht der Auffassung, dass sich integrative Schulsysteme und individuelle Förderung ausschließen.
    Als ich mich vor etwa zwei Jahren an dieser Schule beworben hatte, ging es in meinem Bewerbungsgespräch um genau dieses Thema, und wie man sieht, (denn sonst wäre ich nicht hier,) gab es einen Konsens: Wir können guten, d. h. individualisierten Unterricht nur dann erreichen, wenn wir wissen, wie das geht, wie man also den einzelnen Schüler, der nicht “dem Durchschnitt” entspricht, optimal fördern kann. Die Aufgabe des LGH ist es somit vor allem, eine Hochbegabtendidaktik zu entwickeln, die eine solche optimierte Förderung an der (potenziellen) Leistungsspitze anstrebt. Und nur aus dieser Aufgabe zieht diese Schule faktisch gesehen ihre Daseinsberechtigung, denn dieser Auftrag wäre an einer Regelschule nicht durchführbar.
    Selbstverständlich haben wir hier ein kognitiv homogeneres Feld als an einem normalen Gymnasium oder gar einer Gesamtschule, aber eben nur bezüglich dieses Kriteriums des Kognitiven. (Und dies ist, nebenbei bemerkt, eine absolut willkürliches Kriterium, das zur Differenzierung herangezogen wird. Es gäbe genügend andere, die ebenso viel oder so wenig Sinn machen würden.) Wir versuchen – völlig menschlich, denn ohne Vereinfachung kämen wir nicht durch den Alltag – nach “Typen” zu ordnen: Hochleister, Minimalisten,… – aber es ist doch klar, dass dies immer nur die Annäherung an eine Facette ist und nicht im Entferntesten den ganzen Menschen abbildet. Wer denkt, dass man das Problem der Individualisierung durch ein immer weiter aufgefächertes Schulsystem löst, jagt demzufolge einer Illusion nach: “dem” (kategorisierbaren) Menschen. Segregation mit dem Ziel der Homogenisierung ist ein Fass ohne Boden, geht gegen Unendlich. Und es ist auch nicht gut für uns: Die Heterogenität ist es, die das Leben bereichert und an der wir wachsen; die Auseinandersetzung mit Menschen, die anders sind als wir, bringt uns weiter.
    Das Ziel von Schulentwicklung kann nur sein, innerhalb einer Lerngruppe – ganz egal an welcher Art von Schule – immer stärker den Einzelnen in den Blick zu nehmen. Hierfür bedarf es eines Umdenkens; zudem fehlen oft bestimmte fachliche Voraussetzungen (z. B. Stichwort Diagnostik). Deshalb ist der Weg zur von den Grünen (die ich übrigens wie immer gewählt habe – und wenn ich etwas lese wie “Erneuerbare Energien um jeden Preis werden unserer Industrie sicherlich nicht helfen”, werde ich latent aggressiv, ist aber nicht persönlich gemeint, Cornelius) angestrebten “Schule für alle” ein sehr langer. Und dabei ist klar, dass ein Schulsystem, das allen Schülern mit ihren Stärken und Schwächen zu 100% gerecht wird, eine Utopie ist – aber dennoch liegt der richtige Ansatz m. E. nicht darin, so zu tun, als ob man homogene Lerngruppen durch strukturelle Aufgliederung erreichen könnte, sondern darin, sich die Heterogenität bewusst zu machen und sich mit ihr auseinanderzusetzen – sich also trotzdem auf den Weg zu machen. Für mich ist das LGH genau der richtige Ansatz, weil hier die Verschiedenheit so sehr Thema ist: weg von der Illusion der durch Segregation erzielten “homogenen” Lerngruppen und hin zur Individualisierung in bewusst heterogenem Umfeld.

    Geposted von Katharina Matanovic | March 29, 2011, 23:19 | Antworten
  5. Mit Verlaub: Kognitive Leistungsfähigkeit ist KEIN willkürliches Segregationskriterium, sondern, neben dem zur Ausschöpfung derselben notwendigen Fleißes, das einzige, auf das es in der SCHULE ankommt und daher, neben dem Fleiß, auch das einzige, das für eine Segregation im Allgemeinen relevant ist.
    Es hat sich bewährt, die Schüler anhand dieser beiden Kriterien in drei Gruppen aufzuteilen, nach einem „immer weiter“ aufgefächertem Schulsystem verlangt niemand. (Wobei, nebenbei bemerkt, das Kognitive im Spezialfall unserer Schule nicht das einzige Kriterium ist, sondern aufgrund des speziellen Auftrags unserer Schule (s.u.) bei uns durch das Soziale ergänzt wird.) Natürlich sind auch diese Facetten des menschlichen Charakters nicht kategorisierbar und kein Schubladensystem wird einzelnen Persönlichkeiten gerecht, aber es hat sich herausgestellt, dass durch das dreigliedrige Schulsystem im Schnitt Gruppen zusammengestellt werden, die ausreichend groß sind, dass es sich noch lohnt, Lehrer für sie abzustellen, und trotzdem kognitiv homogen genug, um vernünftig zusammen unterrichtet zu werden.

    Denn mir ist auch nach Ihrem Kommentar immer noch nicht klar, wie individuelle Förderung in völlig heterogenen Klassen funktionieren soll. Dass Toleranz im Allgemeinen eine wichtige Sache ist, dass unsere Gesellschaft in dieser Hinsicht noch lange nicht so weit ist, wie sie sollte und dass wir uns im Alltag der prinzipiellen Heterogenität unserer Gesellschaft stärker bewusst sein sollten, steht außer Frage. Aber mir geht es um die Praxis im Schulsystem.
    Ich bitte Sie: Erklären Sie mir, wie Sie sich das vorstellen, wenn Sie können.
    Wie würden Sie persönlich – stark überspitzt formuliert – in ein und derselben Klasse einen Schüler fördern, der Probleme damit hat, Texte inhaltlich zu durchdringen, die einen Umfang von mehr als einer Seite und nicht ausschließlich Parataxe aufweisen, und einen Schüler, der gerade Goethes Faust gelesen hat und sich nun darüber unterhalten möchte, inwiefern der Faust als Prototyp des stets strebenden Menschen gesehen werden kann?
    Wie würden Sie persönlich in ein und derselben Klasse einen Schüler fördern, der an seinem Glauben verzweifelt, weil ihm klar geworden ist, dass Gott kein bärtiger Mann auf einer weißen Wolke sein kann, und einen Schüler, der sich über die Bedeutung der Sozialkritik bei Amos für unser tägliches Leben Gedanken macht?
    Bitte, erklären Sie es mir!
    Ich kann nicht verstehen, wie in solchen Klassen ein Unterricht gehalten werden soll, der nicht darauf hinausläuft, dass die einen sich über- und die anderen sich unterfordert fühlen. Natürlich wäre es schön, wenn der Lehrer jeden einzelnen Schüler gänzlich individuell fördern könnte, aber dazu bräuchte man ein Schüler-Lehrer-Verhältnis von 1:1. Lehrer sind keine Übermenschen, sie können nicht jedem einzelnen Schüler individuell gänzlich gerecht werden. Auch wenn sie natürlich auf Einzelne möglichst weit eingehen sollten, können sie was die Gesamtstruktur des Unterrichts angeht, letztlich nur versuchen, einen ungefähren Schnitt der Klasse zu bilden und dann diesem gerecht zu werden. Daher muss das Schulsystem dafür sorgen, dass es in einer Klasse von diesem Schnitt weder nach oben noch nach unten allzu große Abweichungen gibt.
    Daran werden auch neue Forschungsergebnisse nichts ändern, genauso wenig, wie die Wissenschaft eine Art der Addition erfinden kann, in der 1+1 nicht 2 ergibt.

    Es kommt daher meines Erachtens nicht darauf an, neue didaktische Konzepte zu entwickeln, sondern lediglich darauf, das bestehende System dahingehend zu optimieren, dass die Dicke des Geldbeutels der Eltern als Segregationskriterium eliminiert und die Durchlässigkeit zwischen den Schularten erhöht wird. Wie dies genau geschehen soll, wie viele verschiedene Schularten es geben soll, und wann und wie die Segregation stattfinden soll, darüber kann man diskutieren. Aber meines Erachtens sollte man es tunlichst unterlassen, sich „trotzdem auf den Weg“ zu machen.
    In diesem Zusammenhang finde es auch durchaus problematisch, dass Sie behaupten, die einzige „Daseinsberechtigung“ unserer Schule sei es, eine Hochbegabtendidaktik zu entwickeln, die dann Gesamtschulen o.ä. angewandt werden könne. Von meinen generellen Bedenken hinsichtlich eines integrativen Systems abgesehen, steht Ihre These, was auch immer bei Ihrem Bewerbungsgespräch dazu gesagt worden sein mag, meiner Ansicht nach. zudem in einem eklatanten Widerspruch zu unserem Leitbild. Dort heißt es nämlich, „unser oberstes Ziel“ sei es, „hochbegabten jungen Menschen die positive Entfaltung ihrer Talente zu ermöglichen“, um auf diese Weise letztlich „einen Beitrag zur Heranbildung einer Verantwortungselite in einer demokratischen Gesellschaft zu leisten.“ Will heißen: Unser Ziel ist es, denjenigen Schülern, die selbst an Gymnasien Gefahr laufen, unterfordert zu sein, und die obendrein sozial befähigt und engagiert sind, zu helfen, ihre Begabungen optimal auszuschöpfen und dabei ihre soziale Grundhaltung zu verstärken, damit sie sich möglichst positiv entwickeln und die Gesamtgesellschaft letztlich von ihrem Können und ihrem Engagement profitiert. Unsere Daseinsberechtigung ist der persönliche Gewinn, den unsere Schüler (zumindest in der Theorie) vom Schulbesuch hier haben, erwartete direkte Nutzen dessen für die Gesellschaft.
    So leid es mir tut: Meines Erachtens steht dieser Ansatz in einem Widerspruch zu dem Weg hin zu einem integrativen System.


    Auwei, war das jetzt ein langer Kommentar, der sich noch dazu ziemlich weit vom ursprünglichen Thema des Artikels wegbewegt hat…
    Liebes Farbfleck-Team, ich hoffe, ihr verzeiht mir ;-)

    Geposted von Cato | March 31, 2011, 07:14 | Antworten
  6. Im Zweifel kann man nur hoffen, dass die Sache im Hinblick auf die Gemeinschaftsschule ausgeht wie in Hamburg.

    Entscheidend finde ich allerdings, wie genau dieser Schultypus eingeführt werden soll – ein paralleles Angebot zum Gymnasium hätte für dieses höchstwahrscheinlich keinerlei negative Konsequenzen und würde eher noch zu einer Aufwertung desselben führen. Dass Schüler und Lehrer, die wählen können, ob sie an einem Gymnasium oder an einer Gemeinschaftsschule unterrichten und lernen möchten, mehrheitlich die Gesamtschule wählen würden, kann man sich wohl beim besten Willen nicht vorstellen – es sei denn, man sieht Schule ausschließlich als Versuchsfeld für soziale Integration und ist bereit, dafür die Erhaltung eines zukunftsfähigen Bildungsniveaus preiszugeben.

    Eine vollständige Ersetzung von Haupt-, Realschulen und Gymnasien durch Gesamtschulen halte ich jedoch mit Blick auf die Auswirkungen für alle Beteiligten für einen katastrophalen Fehler. Vor diesem Szenario könnte ich persönlich besser mit dem Restrisiko eines in ein Atomkraftwerk fliegenden Flugzeugs leben – da wäre die Wahrscheinlichkeit, dass Baden-Württemberg ernsthaft gefährdet wird, geringer.

    Geposted von Alumna | March 31, 2011, 14:07 | Antworten
  7. Es gibt einen Weg, wie das integrative System funktionieren könnte, der aber einen Klassenteiler von 6-12 Schülern verlangen würde, denn dann wäre es möglich, dass der Lehrer auf jeden eingeht oder ein Schienensystem, wobei das wiederum nicht sonderlich integrativ wäre und es müsste auf alle Fächer ausgeweitet werden…
    Dies hat nichts damit zu tun, dass man Menschen in Schubladen einordnen will, sondern Menschen sind einfach verschieden. Genausowenig kann man alle Menschen in ein Einheitssystem pressen und eine Gesamtschule ist der Beginn dessen.

    Es mag – wie schon oben erwähnt wurde – sicherlich nicht diskussionlos das jetzige System bebehalten werden, es muss Änderungen geben und jeden muss die Möglichkeit haben auch im System rutschen zu können, daher wäre eine Öffnung sicherlicher wünschenswert.

    Ich halte es jedoch für viel wichtiger den Klassenteiler herunterzusetzen und Unterrichtsausfälle zu minimieren, als das gesamte Schulsystem umzukrempeln. Klassen von über 30 Schülern sind für alle Beteiligten die reinste Zumutung und ich habe dies über fast 6 Jahre erleben müssen – es ist grausam. Selbst Klassen von 25 und auch noch Klassen von 20 Schülern sind nicht optimal. Wenn man die gut 1,5- 2,5 Mrd. € des Länderfinanzausgleiches in das Schulsystem stecken würde, wären sie sicher besser aufgehoben, aber das wird es wohl in den nächsten 5 Jahren sicher nicht geben. (http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A4nderfinanzausgleich#Finanzvolumen)

    Den Vergleich mit dem Restrisiko bezüglich der Atomkraftwerke finde ich sehr gewagt. Es sollte möglichst schnell zu einem Ausstieg kommen. Daher ist es richtig alle “unnötigen” Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, also alle AKW’s, die nicht für den aktuellen Strombedarf, inkl. Notreserven, Hochnachfragezeitausgleich, usw. vom Netz zu nehmen – das heißt Biblis A+B, Neckarwestheim 1, Brunsbüttel und das Dauerriskiokraftwerk Krümmel sofort vom Netz. Diese AKW’s sind veraltet und nicht mehr nötig.
    Dies heißt nicht, dass man nicht weiter danach schauen sollte Stromüberschüsse zu erzielen – jedoch möglichst mit Erneuerbaren Energien. Daher sollte jedoch auch der Widerstand gegen Erneuerbare Energien, wie er oft auch von Grünen Kommunalpolitikern gezeigt wird, aufgegeben werden.
    Weiter sollte es auch nicht der Fall sein, dass AKW’s durch Kohlekraftwerke oder Gas-/Ölkraftwerke ersetzt werden – die Ressourcen können besser verwendet werden, als zur Stromerzeugung.
    Ein weiterer Punkt, den man kritisieren muss – ist für uns jetzt zwar in der Mehrzahl (ausgenommen vielleicht die Lehrer) nicht so wichtig – ist der Versuch der Grünen, dass Betreuungsgeld abzuschaffen. Es sollte natürlich genügend Betreuungsplätze für Kinder geben, aber wenn Eltern ihre Kinder selbst betreuen wollen, sollte es auch möglich sein – zumindest bis zu einem gewissen Alter. Daher ist es sicherlich bedenklich, dass unsere Landesregierung in spe auch in diesem Punkt einen Einheitsmantel über alle zu spannen versucht.

    Wenn man nun auf die Wirtschaft zu sprechen kommt, muss man sehen, dass Baden-Württemberg ein Industrieland ist. Circa 31% der Wertschöpfung kommt aus der Industrie. Dies ist klar, wenn man BW, als Heimat von Daimler, Porsche, Bosch, Würth, usw. sieht – die Automobilindustrie und der Maschinenbau sind die Stützen des Landes. Dies kann man nicht einfach in 5-10 Jahren ändern. Es mag zwar wichtig sein, Arbeitsplätze im “Ökologischen Sektor” zu schaffen, sprich z.B. in der regenerativen Energiewirtschaft, usw. aber man sollte wirklich nicht eine 180°-Wende verlangen. Also ist der Slogan: Jobs made by Mutter Natur, zwar nett gemeint, aber sicherlich kein Wunderrezept. Es muss aber im Zuge des Atomausstiegs, v.a. in regenerative Energien investiert werden und dadurch werden in diesem Bereich neue Arbeitsplätze entstehen – jedoch sollte es auch ökonomisch und sozial vertretbar sein, nicht nur ökologisch, wenn 100.000 Jobs im “grünen”Sektor, 250.000 im Industriesektor kosten, ist es sicherlich keine Alternative. Noch haben wir eine sehr hohe Beschäftigungsquote, es bleibt zu hoffen, dass dies auch in 5 Jahren noch der Fall sein wird.

    Geposted von Sebastian | April 1, 2011, 20:00 | Antworten
  8. Cato: Ich mag ja nicht klugscheißen, aber in jedem beliebigen Restklassenring der ganzen Zahlen gibt es beliebig viele korrekte Antworten auf die Frage “Was ist 1+1?”. Im Restklassenring modulo 2 (auch bekannt als Z/2Z) ist jede gerade Zahl eine korrekte Antwort.
    Wenn du magst, kann ich dir auch noch einen Ring konstruieren, in dem 1+1≠2 gilt.
    Deiner Aussage stimme ich dennoch größtenteils zu – ich wollte nur anmerken, dass dein Vergleich dem mathematisch geneigten Leser erheitern könnte ;)

    Geposted von alumnus | April 1, 2011, 23:55 | Antworten

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