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Eisbären werden impotent

Foto: Franz59 @ flickr.com

Von Anna Schweicher
Vom Weltuntergang und meinem Weg zur Selbstfindung.

Eisbären werden impotent. Riesige Inseln aus Plastikmüll schwimmen im Meer. Die Menschheit stirbt aus.

Das sind nur die schlimmsten der vielen erschreckenden Nachrichten, mit denen ich mich in der letzten Woche konfrontiert sah. So gibt es laut Zeugenaussage neuerdings eine Kampfente im schuleigenen Biotop und die Schülerzeitung konnte nur so viele Mitglieder um sich scharen, weil sie bei der Addita-Börse einen Preis vorzuzeigen hatte.

Ein Haufen Probleme also. Doch wie uns Herr Pollak am sadifo anschaulich erklärte, freut sich ein richtiger Biologe über ein jedes Problem. Es solle „Juhuu! Ein Problem!“ ausgerufen und ein Freudentanz aufgeführt werden. Und so machte ich mich daran, diese aufbauende Lebensweise zu übernehmen. Das Ergebnis fiel recht bescheiden aus. Ein fröhliches Gesicht aufzusetzen, wenn man eine traurige Nachricht zugetragen kriegt, bringt einem nicht nur viele schräge Blicke ein, auch die wirklichen Emotionen lassen sich anscheinend nicht immer eindämmen. Das lässt wohl darauf schließen, dass ich unglücklicherweise kein geborener Biologe bin, was mir, da ich in dieser Welt lebe, bei näherer Betrachtung reichlich deprimierend vorkommt.

Zu meinem Glück gibt es jedoch zahlreiche Ausweichmöglichkeiten. Das Leben eines Optimisten beispielsweise schien mir durchaus erstrebenswert: Spinat war zwar wenig schmackhaft, dafür aber gesund; Regen nass und kalt, roch aber gut und Navigationssysteme nervten unerträglich, aber in einigen seltenen Fällen brachten sie einen trotzdem ans Ziel. Doch ich habe so lange gebraucht, etwas Positives an kaputten Fernbedienungen zu finden, dass ich diese Idee schließlich verwarf.

Vielleicht war der Pessimist doch der glücklichere von beiden. Man hört selbst die Tomaten piepen, wie befreiend es sei, nie wieder enttäuscht zu werden. Einfach, weil man keine Erwartungen setzt: Der fehlende Sonnenaufgang ist völlig normal, wenn man auf ewige Nacht vorbereitet ist und in der Wüste ist Fanta beinahe genauso gut wie Cola.  Allerdings konnte ich mich nicht damit anfreunden, mich nicht jedes Mal wieder mit knurrenden Magen vom Mensaessen desillusionieren zu lassen. Also gab ich auch das Pessimisten-Leben am Mittag auf.

Eine andere Lösung musste her. Vielleicht sollte ich das Dasein einer verwöhnten Prinzessin, exzentrischen Yoga-Meisterin oder strengen Bundeskanzlerin wählen? Vielleicht das einer entrückten Künstlerin, sadistischen Lehrerin oder glückbringenden Schornsteinfegerin? All diese Fantasien sind schwer in die Praxis umzusetzen und ich muss gestehen, dass mir nicht die Hälfte der entsprechenden Kostüme passte, geschweige denn stand. Folglich bin ich am Ende zu der Erkenntnis gekommen, dass es weitaus weniger umständlich ist, über die Möglichkeiten, die sich einem bieten, nachzudenken, anstatt sie alle auszuleben.

In diesem Sinne möchte ich meine Exkursion in andere Leben beenden und all jenen, die den Drang verspüren, dieses Experiment selbst durchzuführen, viel Spaß und wohlmöglich sogar Erfolg dabei wünschen.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 17. October 2010
Kategorie: Farbflecken

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