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Die Welt da draußen

Das Jahrhundertprojekt: Stuttgart 21

Foto: Wikipedia.org

von Kevin Wang

Stuttgart 21. Der unscheinbare Name der Landeshauptstadt in Kombination mit einer natürlichen Zahl ergibt den Namen eines Milliardenprojekts, das für viel Gesprächsthema sorgt. Dieser Beitrag beurteilt die unterschiedlichen Meinungen der Bürger zur Vision der Bahn.

Wir fahren am B-Wochenende alle nach Hause. Manche tun das mit dem Auto, aber eine bemerkenswerte Anzahl von Schülern bewältigen den teilweise langen Heimweg mit der Deutschen Bahn. Die Ziele sind denkbar verschieden, doch eins fällt auf: Wer mit der Bahn fährt muss entweder über Stuttgart oder über Aalen fahren. Einige wenige haben sogar die Wahl zwischen beiden Richtungen. Ihnen wird es wahrscheinlich nicht interessieren, dass sie diese Wahl bald nicht mehr haben, denn der Bahnhof Stuttgart wird in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut. In diesem Zusammenhang entsteht auch die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm, der ICE-Anschluss an den Flughafen Stuttgart und die eher unwichtige, neue S-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße. Das gigantische Vorhaben mit milliardenschweren Investitionen fasst die DB AG unter ihrer Lieblingszahl (Stuttgart) 21 zusammen. Es gab schon viele 21er, zum Beispiel Neu-Ulm 21, Berlin-Gesundbrunnen 21 u. v. a. mehr. Doch keines von diesen Projekten wird so folgenreich sein wie Stuttgart 21. Sicherlich gab es schon viel gigantischere 21-Projekte wie zum Beispiel Frankfurt, München oder auch Mannheim 21, doch 21-Projekte in Großstädten werden fast immer aufgegeben.

Doch Stuttgart ist trotz Protesten durchgekommen, wieso? Die Bürger wählten die Grünen, weil sie Stuttgart 21 stoppen wollten, um danach zu erfahren, dass S21 nicht mehr zu aufzuhalten ist. S21 war das erste 21-Projekt, das in Erwägung gezogen wurde, die Diskussion begann 1994. Trotzdem dauerte es bis 2010, das Projekt zu realisieren. Ein entscheidender Faktor ist wohl die NBS nach Ulm. Sie muss entstehen, weil der Verkehrsminister sich verpflichtet hat, die Magistrale Paris – Bratislava zu errichten.

Die Argumente der Befürworter von S21:

* Man wird viel schneller durch Stuttgart durchkommen, denn das Wenden bleibt uns erspart. Ich meine dagegen, dass es für die Passagiere keinen Unterschied macht, ob sie in einem Kopf- oder in einem Durchgangsbahnhof umsteigen. Die Durchreisenden werden durch den neuen Bahnhof nur eine Zeitersparnis von ungefähr 5 Minuten erreichen. Muss man dafür unbedingt so viele Behinderungen in Kauf nehmen?
* Der Flughafen Stuttgart wird später in 8 Minuten zu erreichen sein. Das stimmt, aber braucht man dafür unbedingt einen unterirdischen Bahnhof? Denn der Umbau des Bahnhofes wird schließlich die meisten Bürger verärgern. Man könnte den Fildertunnel an den S-Bahn-Tunnel anschließen.
* Die NBS Wendlingen-Ulm ist ein wichtiger Teil der Magistrale Paris – Bratislava. Das sehen die meisten ein, denn die Geislinger Steige ist sehr zeitraubend. Aber es wäre auch eine Linienführung von Wendlingen nach Esslingen denkbar.
* Wir befreien viel Nutzfläche von den Gleisen. Das ist zweifellos richtig, aber ist das wirklich den Bürgern lieber als keinen Baustellenlärm und -stress?

„Wir hinterlassen unseren Kindern eine moderne Stadt, einen schönen Bahnhof und sehr kurze Wege.“ Dies ist die Hauptaussage dieses gesamten Projektes. Aber die Bauzeit ist das Problem. Würde es den jetzt lebenden Menschen etwas bringen, würden sie den Stress auf sich nehmen. Aber selbst nichts zu bekommen, weil man beispielsweise in 10 Jahren wegzieht (so lange ist die geschätzte Bauzeit) oder man in 10 Jahren nicht mehr mit dem Zug fährt, weil man schon alt ist, ist frustrierend. Ich selbst weiß ziemlich genau, dass ich 2019 nicht mehr durch Stuttgart fahren werde. Dafür noch 4 Jahre Baustelle auf mich zu nehmen, um später irgendwelchen Fremden ein schönes Stuttgart zu bieten, ist nicht sehr anziehend.

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Quelle: derfarbfleck
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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 21. May 2010
Kategorie: Die Welt da draußen

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