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Ausgestrahlt und Abgedruckt

Virginia Woolf und Ian McEwan

Quelle: lordin, http://www.piqs.de/fotos/16956.html

Foto: lordin

von Maximilian Stumpp

Nachdem mein letzter Beitrag in diesem Schülermagazin um einige kommentierende Beiträge bereichert wurde, über die ich mich sehr gefreut habe, will ich zu Beginn der Fortsetzung meiner Kolumne die Leseempfehlung für Oscar Wilde auf „The Importance of Being Earnest“, den „glücklichen Prinzen“ und insbesondere auch auf seine kritische Prosa ausweiten.

Wildes gern zitierter Essay „The Soul of Man under Socialism“ lässt Wilde nicht nur als ein Bekämpfer jeglicher autoritären Staatsgewalt in Erscheinung treten, sondern auch als ein scharfen Verfechter eines individualistischen Idealismus erkennen. Wilde beweist in diesem Essay, dass auch ein politisch motivierter Essay durchaus von hoher literarischer Qualität sein kann. Der verfochtene Sozialismus Wildes ist vielmehr Mittel zum Zweck eines Individualismus, der nur eine angemessene Basis bietet, den Menschen von einer puren Existenz ins Leben zu rücken und ein Dasein zu ermöglichen, in dem er sich selbstständig von der „work of beasts of burden“ erleichtern kann. Auch wenn die politischen Tendenzen Wildes nicht im Einklang mit den eigenen stehen (noch mit denen des Autors, das muss an dieser Stelle dem journalistischen Objektivismus zur Liebe erwähnt werden), so ist dieser Essay doch sehr lesenswert. Oscar Wilde bleibt ein unvortrefflicher Besserwisser, wenn er richtig zu Beginn seines  intellektuellen Essays dessen Grenzen wahrhaftig aufzeigt: „The emotions of man are stirred more quickly than man‘s intelligence; and, as I pointed out some time ago in an article on the function of criticism, it is much more easy to have sympathy with suffering than it is to have sympathy with thought.“
In diesem zweiten Teil meiner Kolumne will ich nun zwei weitere englische Autoren erörtern, die ich mir für die Ferien vorgenommen hatte.

Virginia Woolf
Der Kunsthistoriker E. H. Gombrich schreibt in seinem Werk „The Story of Art“ einen Satz, der bemerkenswert zutreffend ist auf die Kunst im Allgemeinen, aber besonders auf Virginia Woolfs Arbeiten: „Each work refers to the past and points to the future.“
Woolfs „Orlando“, in dem sie die fiktive Biographie eines geschlechtswechselnden adligen Poeten erzählt ist gleichermaßen eine Auseinandersetzung mit Shakespeare als auch mit der literarischen Moderne. An vielen Stellen überspitzt Woolf die Biographie zur Pseudobiographie in der alles mit destruktiver Zerstörungswut niedergerissen wird, was die Literatur bisher zusammenhielt, nur um es sogleich wieder liebevoll Wort für Wort aufzubauen. Woolf, die das Werk vielmehr als einen freudigen Versuch als ein schwerwiegendes Produkt betrachtete, hat damit vielleicht mehr bewegt als sie selbst vermutete.

Ian McEwan
Von dem Literatur-Star McEwan habe ich zu meiner Beschämung bisher nur „Atonement“ gelesen und werde mich deshalb mit meinem Urteil nur auf dieses Buch beschränken. Der Roman ist ein sehr solides Buch, das elegant konstruiert den Verlust einer Liebe im Krieg, die Vieldeutigkeit einer Situation und die damit verbundene Unmöglichkeit des Urteilens thematisiert. Dennoch verliert in meinen Augen die manifeste Geschichte in der Mitte des Romans merklich an Fahrt und dümpelt dem Ende entgegen. Das aber zu recht. Ein tiefschürfendes Nachsinnen über die auktoriale Aporie in der Abbitte ist der Kern dieses Romans und die damit verbundenen Grenzen und Möglichkeiten des Schreibens. Für Literaturliebhaber deswegen ein definitives Muss, sonst war ich bei diesem Autor persönlich ein wenig enttäuscht.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 14. April 2010
Kategorie: Ausgestrahlt und Abgedruckt

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