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Eine Irrung und ihre belehrende Wirkung

Foto: lordin

von Maximilian Stumpp

In diesen Osterferien wollte ich meine Zeit einmal anders verbringen und so habe ich mich ein kritischen Literaturprogramm unterworfen. Nachdem ich mich vor einiger Zeit – gerade eine schwere Lektüre eines Schinkens von Chaucer bewältigt – ziemlich ungehobelt über die englische Literatur geäußert hatte, indem ich behauptete, dass man in der anglistischen Literaturlandschaft neben Shakespeare die großen Erhebungen mehr suche als finde, wohingegen man in der deutschen und französischen Literatur diese mehr finde als suche, wollte ich meine Behauptung einer tatsächlichen Prüfung unterziehen.

In der Frustration einer beschwerlichen und unglücklichen Lektüre hatte ich vorschnell geurteilt; dessen war ich mir bewusst und so suchte ich nun eine gründliche Neubeurteilung in der Expertise.

Für dieses Vorhaben hatte ich im Voraus anderthalb Wochen meiner Ferien reserviert und mir einige englische Dichter und Schriftsteller gesucht, von denen ich mir vorstellen konnte, dass sie meinen Geschmack treffen könnten: Virginia Woolf, eine Autorin, die eine der Symbolfiguren der klassischen Moderne darstellt, Oscar Wilde, englischer Dandy mit berüchtigtem Humor, Daphne du Maurier, gar für ihre herausragenden literarischen Fähigkeiten geadelt, Ian McEwan, ein zeitgenössischer Schriftsteller, der 2001 mit einem Werk für den Booker Prize auf der Shortlist stand und von der Presse immer wieder hoch gelobt wird, Julian Barnes, dessen Name vor allem in Intellektuellen- und Universitätskreisen immer wieder fällt und Hilary Mantel, eine Autorin deren Werk „Wolf Hall“ im letzten Jahr den Man Booker Prize gewonnen hat.

Das dabei natürlich nur ein geringer Teil der englischen Literatur von mir gelesen wird und dieser unter keinen Umständen einen differenzierten und objektiven Vergleich darstellt, dessen bin ich mir bewusst. Ich musste aber dennoch bei dieser geringen Anzahl an betrachtenden Schriftstellern feststellen, dass meine Aussage zu revidieren ist. Im Akt des Revidierens liegt gleichwohl ein Akt des Erkennens als Folge einer Auseinandersetzung zwischen Vorverständnis und Neugewonnenem. Beim Revidieren geht hier das Neugewonnene als Sieger hervor und so will ich im schnellen Durchlauf die Werke beleuchten, das Neugewonnene versuchen darzustellen und einige Empfehlungen aussprechen. Mit den ersten zweien will ich in diesem Artikel beginnen.

Oscar Wilde
Gleich der erste Autor, den ich vorstellen will, steht in Opposition zu meinem Vorhaben, Empfehlungen auszusprechen. „Gute Ratschläge gebe ich immer weiter. Das ist das einzige, was man damit anfangen kann. Selbst hat man ja nie etwas davon.“ behauptet Wildes Dandy Lord Goring selbstbewusst in seinem Drama „Der ideale Gatte“. Eine typisch wildescher Vierakter, der von Wilde selbst als sein bestes Stück bezeichnet wurde und 1895 erschien. Neben diesem Stück war insbesondere „Das Bildnis des Dorian Gray“ das Werk, dass mich am meisten beeindruckte. Der ewige Bund von Kunst und Leben – ewiges Leben und perfekte Oberfläche – gespickt von klugen, humorvollen Aphorismen folgen wie kaum ein anderes Werk (und wie kein vergleichbares deutsches oder französisches Werk zu dieser Zeit) dem Anspruch von Horaz „zu belehren und zu unterhalten“. Wer immer  schon einmal den britischen Humor vergeblich suchte, dem lege ich Oscar Wilde wärmstens ans Herz. Wer jedoch ethische Ansprüche an die Literatur per se stellt, dem muss ich abraten. Die Vorrede im „Dorian Gray“ stellt klar: “So etwas wie ein moralisches oder ein unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind entweder gut oder schlecht geschrieben. Das ist alles.“

Daphne du Maurier
Diese Autorin wurde vor allem durch die Verfilmungen ihrer Romane und Kurzgeschichten durch Hitchcock bekannt. Die Kurzgeschichten „Die Vögel“, „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und der Roman „Rebecca“ sind aber auch deswegen interessant, weil du Maurier hier ein Geschick für die menschliche Psyche offenbart. Mit subtilen Andeutungen und stimmungsschwangeren Naturbeschreibungen macht sie dem Titel einer Erbin Edgar Allen Poes alle Ehre. Besonders die Macht einer toten Geliebten über eine lebendige Welt, wie sie in der „Rebecca“ dargestellt wird, macht diesen Roman zu einem Juwel. Deswegen gilt auch für diese Autorin eine dringende Empfehlung, besonders für den einen oder anderen Leseabend, den man im Frühling vielleicht bei schlechtem Wetter noch erleben kann.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 06. April 2010
Kategorie: Farbflecken

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2 Kommentare zu “Eine Irrung und ihre belehrende Wirkung”

  1. Bravo! Ein hoechst unterhaltsam geschriebener Artikel, auf desssen Fortsetzung ich gespannt harre…
    In der Tat findet man auf der Suche nach Erhebung bei den zu besprechenden Autoren tatsaechlich den ein oder anderen Gipfel.

    Bei Wilde (Boch ein aphorismus fuers Poesiealbum: ‘The only way to overcome temptation is to give in to it’) wuerde ich noch zwingend ‘The Importance of Being Earnest’ erwaehnen, sein bekanntestes Theaterstueck, sowie ‘The Happy Prince’, meiner Meinung nach das schoenste Maerchen, das je geschreiben wurde.

    Ich empfehle ausserdem sehr Henry James (‘Portait of a Lady’, ‘The Europeans’) , der zwar halb Ami war, was seiner Kunst jedoch nicht geschadet, sondern sie eher noch befluegelt hat… Hier hat man Literatur auf allerhoechstem Niveau in stilistischer Vollendung. Will Shakespeare would have been proud.

    Geposted von Ulf Kaschl | April 7, 2010, 07:47 | Antworten
  2. da kann ich nur zustimmen, “the happy prince” ist wunderbar :)

    Geposted von Elisabeth | April 8, 2010, 13:57 | Antworten

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