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Ausgestrahlt und Abgedruckt

Für eine Welt ohne Armut von Mohammad Yunus

Foto: didiz @fotoahwin.com

von Leonhard Markert

Mithilfe einiger Studenten macht Yunus sich daran, systematisch Dörfer zu besuchen und die ansässigen Bauern davon zu überzeugen, bei ihm Kredite aufzunehmen und ihre Lebensverhältnisse selbst in die Hand zu nehmen.

„Für eine Welt ohne Armut“ ist die Autobiographie des
Friedensnobelpreisträgers von 2006, Mohammad Yunus. Sie ist 2008
in der dritten Auflage bei Bastei Lübbe erschienen, Grundlage
dieser Rezension ist allerdings die 1. Auflage von 2006.

Das Buch ist in sieben Teile gegliedert. Die ersten drei Teile
beschreiben die Idee, später die Gründung und Entwicklung der
Grameen-Bank, einer Bank für Arme. Yunus, selbst
Wirtschaftprofessor an der Universität von Chittagong,
Bangladesch, will etwas gegen die Armut der Menschen in dem nahe
der Universität gelegenen Dorf tun und beginnt Mitte der 1970er,
mit einigen Studenten den Bauern zu helfen. Bald kommt ihm die
Erkenntnis, dass die Armen sich nicht selbst aus ihren
Abhängigkeitsverhältnissen mit den örtlichen Geldverleihern oder
den Besitzern ihrer Felder oder ihres Werkzeugs helfen können, es
sei denn, man gibt ihnen einen kleinen Kredit, der sie aus diesen
Verhältnissen befreit und es ihnen ermöglicht, selbstständig zu
werden.

Mithilfe einiger Studenten macht Yunus sich daran, systematisch
Dörfer zu besuchen und die ansässigen Bauern davon zu überzeugen,
bei ihm Kredite aufzunehmen und ihre Lebensverhältnisse selbst in
die Hand zu nehmen. Dabei muss er mit großen Schwierigkeiten
kämpfen: Er vergibt die Kredite grundsätzlich nur an Frauen, da
sie seiner Meinung nach viel besser mit dem Geld umgehen können
und das Geld eher im Sinne der Kinder und der Familie einsetzen
als Männer. Doch die Purdah, eine Sammlung alter
Glaubensvorschriften, die von den einheimischen Mullahs tradiert
wird, verbietet den Frauen, mit fremden Männern zu sprechen oder
sogar aus dem Haus zu gehen.

Mit Geschick und Geduld gelingt es Yunus und seine Mitstreitern,
Kreditnehmerinnen zu finden. Gegen die Widerstände anderer Banken
und der Regierung schaffen sie es 1985, die Grameen-Bank zu
gründen.

Diese Bank bezeichnet Yunus gerne als „das genaue Gegenteil
konventioneller Banken“: Sie gibt Kredite nur an die Ärmsten,
also an Menschen, die keinerlei Sicherheiten (in Geld oder
Besitz) bieten können. Außerdem müssen sich immer Gruppen von
fünf Armen zusammenfinden, die füreinander bürgen, bevor sie
einen Kredit aufnehmen können; dadurch entsteht ein sozialer
Druck, den Kredit zu bedienen. Das Ergebnis: Eine Rückzahlquote
von 98 %, Millionen von Menschen, die sich aus der Abhängigkeit
befreien konnten, und hunderttausende durch Baukredite
finanzierte Häuser (beziehungsweise Hütten/Unterstände).

In vielen Entwicklungsländern lassen sich Unternehmer von Yunus’
Projekt inspirieren und gründen Banken auf ähnlichen Prinzipien,
sowohl in Asien als auch in Afrika. Auch in einigen Großstädten
der Vereinigten Staaten, beispielsweise in Chicago, sowie auch in
manchen europäischen Staaten werden ähnliche Projekte angestoßen;
zur Zeit der Veröffentlichung des Buchs gab es in Deutschland
noch kein Projekt in diese Richtung.

Zum Ende des Buches erläutert Yunus die Philosophie hinter dem
Grameen-Projekt und seine Meinung zu Entwicklungs- und
Arbeitslosenhilfe sowie zur Rolle des Staates. Dazu nur ganz
kurz: Die zum Beispiel von den Vereinten Nationen unterstützte
klassische Entwicklungshilfe (Geldgeschenke und
Bildungsprogramme) funktioniert nicht und kann auch nicht
funktionieren; Arbeitslosenhilfe wie Hartz IV „beraubt [die
Armen] ihres Unternehmungsgeistes und ihrer Würde“ und der Staat
hat sich aus den sozialen Bereichen völlig zurückzuziehen. In die
Bresche springen sollen eine neue Art von Unternehmen, nämlich „
soziale Privatunternehmen“ — wie eben Grameen.

Um einem möglichen schnellen Urteil zuvorzukommen: Man muss
bedenken, dass diese (zugegeben steilen) Thesen von einem Mann
stammen, der selbst dreißig Jahre seines Lebens dem Kampf gegen
die Armut gewidmet hat — ein Lebenswerk.

Das ganze Buch ist mit lebendigen Beispielen und Dialogen
gespickt, die Yunus’ Erläuterungen gut ergänzen und einen
Einblick in die Verhältnisse seiner Arbeit ermöglichen. Eine
klare Leseempfehlung für alle Weltverbesserer.

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 26. February 2010
Kategorie: Ausgestrahlt und Abgedruckt

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Ein Kommentar zu “Für eine Welt ohne Armut von Mohammad Yunus”

  1. Hi!

    Ist es das, wo er beispielsweise eine Ziege als Kredit gibt und dann später ein kleines Zicklein des ersten Wurfes zurückverlangt? Finde ich eine wirklich geniale Idee, wahrscheinlich sinnvoller als das Geld, das sich immer irgendwo im Sande verläuft.
    Schöner Artikel über ein sehr interesssantes Thema!

    Geposted von Florangels@web.de | March 1, 2010, 20:24 | Antworten

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