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Die Welt da draußen

Debating Live Bericht: Die ersten Tage

Von Maximilian Stumpp

Zwei unserer Schüler sind Mitglied im Deutschen Debating Nationalteam und sind jetzt in Katar bei der Weltmeisterschaft. Wie es so läuft und wie Katar so ist könnt ihr in den nächste zwei Wochen alle zwei Tage hier nachlesen.

Katar ist nicht umsonst in die Liste der reichen Wüstenemirate wie Dubai und Bahrain einzuordnen. Beim Anflug auf die Halbinsel ist schon aus dem Flugzeug einiges von Katar zu sehen. Ein Lichtermeer aus weißen und bunten Lichtern überziehen die Insel, nur verbunden durch einzelne dünne Linien – Straßen, die den Wüstenstaat als ein sehr fortschrittliches Land kennzeichnen. Die Hauptstadt Doha, in der ich mich zur Zeit befinde ist mit seinen im Abendlicht blinkenden und bunt funkelnden Hochhäusern das Herzstück von Katar. Bei der Ankunft am Flughafen in Doha ist eines schon erkennbar: Katar ist gastfreundlich: ein Besuchervisum kann man problemlos bekommen, zumindest als ein Gast aus der westlichen Welt. Fast jeder spricht Englisch – die Kommunikation mit den Kataris stellt folglich kein Problem dar.

Auf der Straße fühle ich mich an ein zweites Amerika erinnert, das man in die Wüste versetzt hat und mit Palmen dekoriert wurde. Überall fahren große SUVs und Geländewagen auf den Straßen, die man sonst nur aus Amerika kennt. Auch die blinkende Neon-Werbung und die vielen englischsprachigen Schriftzüge (oft mit einer arabischen Übersetzung) zeugen von einer westlichen Orientierung des Landes – zumindest in ökonomischen Fragen. Doch gibt es auch viele gravierende Unterschiede. Schon vor der Anreise wurden wir auf den so genannten „Dress Code“ verwiesen. Das gilt besonders für die Mädchen. Lange Röcke sind erwünscht, auf gar keinen Fall kürzer als die Kniehöhe, ebenso keine eng anliegenden Kleidungsstücke und auch der Ausschnitt sollte verdeckt sein. Auf der Straße gibt einen ausgewogenen Mix aus Frauen, die ein Kopftuch tragen und denjenigen, die es nicht tragen. Die Männer tragen häufig die typisch arabischen Gewänder, es fehlen tatsächlich nur die Falken auf der Schulter, um hier Klischees zu bedienen.

Bei unserer Ankunft am Hotel sind wir endgültig überzeugt, dass Katar zu den reichsten Ländern gehört. Vor dem Mariott-Hotel, in dem wir für die Dauer der World Schools Debating Championships 2010 campieren, reiht sich eine weiße Mercedes S-Klasse an einen Porsche Panamera. Daneben stehen völlig gleichgültig und von den vorbeilaufenden Menschen nicht beachtet, zwei nagelneue Ferraris und ein Mercedes SLR – natürlich in weiß und mit einem persönlichen Logo des Besitzers.

Im Hotel scheint alles auf die kommenden debattierenden Gäste vorbereitet zu sein. Zwar sind auch andere Gäste im Hotel anwesend, doch wurde für die 350 Debaters und rund 60 Adjudicators, ein großes, weißes Zelt auf dem Tennisplatz aufgestellt. Selbst bei den Kronleuchtern haben die einheimischen Organisatoren nicht gespart – sechs Stück hängen im Zelt von der Decke, in dem wir ab jetzt bis zum Ende des Tournaments unsere Mahlzeiten einnehmen werden.

Doch bedeutet die Anwesenheit von internationalen Gästen in einem muslimischen Land im Nahen Osten auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Das bemerken wir im Hotel, wo eine ständige Sicherheitskontrolle jeden Eingang sichert. Kein Zugang zum Mariott ist möglich ohne vorher nicht einen Körperscanner und einen Gepäckscanner passiert zu haben.

Doch das soll den Eindruck über die sicherheitspolitische Situation in Katar nicht trüben, denn unsere Gastgeber geben sich wirklich alle Mühe, dass wir uns hier wohl und sicher fühlen. Das Essen ist ein gesunder Mix aus arabischen und typisch westlichen Speisen. So gibt es beim Frühstück baked beans, scrambled eggs, sowie bacon und sausages.

Unsere Vorbereitungen als deutsches Nationalteam starten bereits an unserem ersten Tag mit zwei Probedebatten – nicht nur um Anfangsschwächen zu vermeiden, sondern auch, um sich an das hohe internationale Niveau zu gewöhnen. Als Übungsgegner haben wir uns für den ersten Tag Korea mit der Motion This House would cancel all third world debt. und Team Kanada mit der Motion This would ban religious symbols in schools. vorgenommen. Beides sind Themen, die nicht angekündigt sind, von denen man aber zumindest vermuten könnte, dass sie als unvorbereitete Themen gewählt werden könnten. Das Ergebnis konnte sich doch sehen lassen und wir sind – wie immer – einigermaßen mit unserer Leistung zufrieden.

Am zweiten Tag unseres Aufenthalts in Doha beginnt auch das offizielle Tournament; ausgeschrieben sind es die 22. World Schools Debating Championships. Unser Eindruck des ersten Tags, dass die Organisatoren sich wirklich Mühe geben, verstärkt – ja, potenziert sich regelrecht – am darauf folgenden Tag. Die Kataris scheuen nicht nur keine Mühen, sondern auch kein Geld, die internationalen Gäste von den Qualitäten Katars und seinen ungeahnten Möglichkeiten zu überzeugen. Am Mittag ist eine Stadttour in Doha geplant, selbstverständlich von einem Event-Management geplant. Die Umsetzung verläuft reibungslos. 350 Debater werden erst in Busse und anschließend in Gondeln gesetzt, der Anblick der Wolkenkratzer, des Museum of Islamic Art und der künstlich angelegten Insel vor Doha tun ihr Übriges. Bei entspannter Musik haben die fotowütigen Touristen auf dem Sonnendeck der Schiffe über eine Stunde Zeit diese Momente festzuhalten, während der kleine Rest ohne Kamera sich in der Sonne zurücklehnt und den Augenblick genießt.

Anschließend geht es in die Innenstadt von Doha, ein reiner Business- und Shoppingdistrict, wo wir eine Stunde Zeit haben uns an den Schaufenstern von Gucci und Armani die Nasen platt zu drücken und die Preisschilder geflissentlich zu übersehen. Eingebettet in die hoch aufragenden Wolkenkratzer, ist die Mall in ihrem arabischen Baustil ein architektonischer Augenschmaus. Hier sieht man durchaus auch die reichen Scheichs in ihren charakteristischen weißen Gewändern (manchmal auch in Begleitung von mehreren verschleierten Frauen, selten bis zu zehn) beim gemütlichen Einkauf in den Edelboutiquen.

Nach der Stadttour kehren wir für eine kurze Pause in unser Hotel zurück, anschließend steht der Höhepunkt des Abends an: die Opening Ceremony im Hyatt-Hotel. Dieses Ereignis stellt, das muss ich zugeben, alle meine bisherigen Ball-Erfahrungen in den Schatten. Ein riesiger Ballsaal wird von bunten Spotlights erhellt, zehn Kronleuchter hängen von der Decke und drei große Leinwände geben das Geschehen auf der Bühne wieder. Es ist viel Prominenz geladen, die von mindestens zehn Fotografen und drei Kameramännern begleitet wird. Der Bildungsminister von Katar hält eine Rede auf Arabisch, das mit Übersetzungselektronik, die man eigentlich nur aus den UN-Sitzungen kennt, direkt ins Englische übersetzt wird. So langsam komme ich mir wirklich wie ein Profi-Diplomat vor, der nur darauf wartet das erste reale politische Problem durch Debattieren zu lösen oder wie ein einfacher Debater, der sich wie im falschen Film fühlt. So langsam bekommt auch das Motto des Wettbewerbs: Debaters Today, Leaders Tomorrow einen Beigeschmack.

Dennoch ist die Rede der Vorsitzenden bei der Opening Ceremony von Qatar Debate sehr aufschlussreich. Sie spricht von einem Land Katar im Nahen Osten, das sich durch Dialog, Freiheit und internationale Öffnung  in der Zukunft auszeichnen soll. Das Debating sei hierfür der ideale Partner in der Vermittlung dieser Grundwerte in der Bildungspolitik, da es genau diese Werte unterstützt und zusätzlich Fähigkeiten wie Ausdrucksstärke und Urteilsvermögen fördert. Ihre Vision ist eine Form der Renaissance der Debattierkultur in der arabischen Welt, die über Jahrhunderte vergessen ward und nun wieder erblühen soll. Bei dieser Veranstaltung wird den Gästen, spätestens nach dieser Rede, eines ganz deutlich bewusst: Katar nimmt die Bildungspolitik wirklich ernst.

Die Opening Ceremony wird durch ein eindrucksvolles Menü abgerundet. Nach einer ermüdenden Rückfahrt ins Hotel prüfen wir die Cases und Argumente für morgen und geben unseren Reden den letzten rhetorischen Schliff. Morgen haben wir einen harten Gegner: Australien.

Doha, 9.Februar 2010

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 11. February 2010
Kategorie: Die Welt da draußen

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3 Kommentare zu “Debating Live Bericht: Die ersten Tage”

  1. Hallo Max,
    hallo Leonie,
    ein super Bericht! Wünsche euch viel Spaß und vor allem Erfolg in Katar und freue mich bereits auf die Fortsetzungen.
    Liebe Grüße

    Geposted von Wolf | February 14, 2010, 12:02 | Antworten
  2. Hi ihr zwei!

    Wow, das hört sich ja wirklich gigantisch an! Ich finde es super, dass ihr es soweit geschafft habt und uns andere so daran teilhaben lasst.

    Liebe Grüße, viel Spaß & Erfolg!

    Geposted von Florence | February 14, 2010, 16:29 | Antworten
  3. Und meine Glückwünsche zu eurer gigantisches Performance :) Best Team Germany in the history of WSDC! Wünsch euch noch viel Spaß! :]

    Geposted von Margie | February 18, 2010, 19:15 | Antworten

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