derfarbfleck

Farbflecken

Es ist nicht meine Schuld…

Von Johannes Gansmeier

So ziemlich jeder Mensch auf dem Planeten hat diesen Satz schon einmal gesagt. Egal ob auf  dem Arbeitsplatz, der Schule oder dem Sportplatz. Es sind immer die anderen schuld.

Hat man zum Beispiel die Klassenarbeit nicht seinen Vorstellungen gemĂ€ĂŸ gestaltet, liegt es natĂŒrlich nicht daran, dass man schlicht und einfach zu wenig dafĂŒr getan hat, sondern an dem bösen, bösen Lehrer, der entweder die Aufgaben so schwer gestellt hat, dass es unmöglich war, diese zu lösen, oder der einen nicht leiden kann und deswegen beim Korrigieren Fehler “einschleust”. Das ist doch wohl klar.

Oder auf dem Arbeitsplatz. Wenn man das Projekt, das einem sein Chef aufgetragen hat, nicht rechtzeitig fertig gestellt hat, war nicht die Tatsache schuld daran, dass Kaffee trinken mit der besten Freundin oder die abendliche Kneipentour mit Freunden als wichtiger erachtet wurde, als sein Geld zu verdienen und den Auftrag zu erledigen. Nein, nein. Vielmehr war es die Kollegin am Arbeitsplatz, die einen immer wieder mit Tratsch ĂŒber “die Neue” aufgehalten hat oder der Nachbar, der das Arbeiten in den Möglichkeitsbereich einer Jupiterlandung gehievt hat, da er seine Stereoanlage doch so laut aufgedreht hat. Möglicherweise war auch der Papstbesuch in Israel der Auslöser fĂŒr die VerspĂ€tung, da man mit seinen Gedanken bei Benedikt XVI. war und ihm GlĂŒck gewĂŒnscht hat. Und außerdem soll sich doch der Chef nicht aufregen, er hĂ€tte es ja auch selber machen können.

Eines der wohl besten Beispiele ist ohnehin der Sportplatz. Bei einer Niederlage der Fußball-Nationalmannschaft war es natĂŒrlich nie die miserable Leistung dieser, sondern der Unparteiische, da der doch offensichtlich gegen das Team gepfiffen hat. Wahrscheinlich wurde er noch dazu bestochen. Und wenn an der Leistung des Schiedsrichters nun wirklich nichts auszusetzen war, dann waren es die Trainer, die falsch aufgestellt haben (die Nation hat ja bekanntermaßen 80 Millionen Bundestrainer)  oder gar der Zeugwart, der die Stollen eines Monsieur Ballack besser in die Schuhe drehen hĂ€tte mĂŒssen. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir tief in unserem Inneren, wer wirklich schuld an der Niederlage ist – Bastian Schweinsteigers Friseur, da er dem Nationalspieler bei seinem wöchentlichen Besuch die Haare zu lang gelassen hatte, worunter die Aerodynamik litt. Die Spieler aber werden nicht oder nur sehr selten beschuldigt.

Es ist die wohl beliebteste Ausrede der Menschheit. „Ich war‘s nicht“. Haben wir nicht alle schon im juvenilen Alter gelernt, diese Aussage zu perfektionieren und glaubhaft zu verkaufen? Haben wir uns nicht alle die Schuld gegenseitig in die Schuhe geschoben, bloß um selber ein besseres Bild abzugeben? Es ist vielleicht ein unbewusstes Erbe, das von Generation zu Generation ĂŒbergeben wird. Man hört es von den alten Leuten (bei denen frĂŒher sowieso alles besser gewesen ist), von Menschen mittleren Alters, wenn sie ĂŒber ihren Chef schimpfen (“Ich hab sowieso zu wenig Freizeit, und dann soll ich nicht mal mehr Kaffee trinken gehen, nur um das blöde Projekt fertig zu stellen?”), und von den Altersgenossen – “Ich hab nix gemacht.”

Es liegt wohl in der Natur des Menschen die Schuld bei anderen zu suchen. Nur Wenigen gelingt es den Grund des Versagens bei sich selbst zu finden und ein leises “mea culpa” ĂŒber die Lippen zu zwingen.

Das aktuellste Beispiel, das man im Zusammenhang mit Ausreden und Schuldzuweisungen bringen kann, ist die Weltwirtschaftskrise 2008. Ist es nicht allzu bequem, die alleinige Schuld bei den Bankern zu suchen? Die “profitgierigen”, “skrupellosen” Banker – die “bad boys” des 21.Jahrhunderts. Ist es nicht das, was alle sagen und vorwerfen? Anstatt sein eigenes Wirken kritisch zu reflektieren, rettet man sich in die VorwĂŒrfe gegen die Banker. Ohne Frage muss man eine Teilschuld an der aktuellen Lage den Vorsitzenden der Banken zuschieben, doch sich in die Lage zu bringen darĂŒber zu richten, wer Der Schuldige ist, wĂ€re vermessen. Stattdessen sollte sich jedermann an der eigenen Nase fassen und hinterfragen, was er besser hĂ€tte machen können. Wenn man diesen Schritt hinter sich gebracht hat, ist es immer noch nicht zu spĂ€t um die Verantwortlichen zu beschuldigen. Bevor man dies tut, sollte man sich jedoch speziell mit dem Thema befassen, um zu verstehen wie die einzelnen Ereignisse zustande kamen. Erst dann ist man in der Lage ein objektives Urteil zu fĂ€llen.

In Zeiten, in denen man auf das Wort eines Mannes (oder einer Frau, ganz im Auge des Betrachters) noch zĂ€hlen konnte, war die Feststellung “Ich hab von nichts gewusst” noch ernst zu nehmen – man konnte an die Moral der betroffen Person appellieren. Doch leider wurde diese Aussage immer mehr zu einer Ausrede, bis hin zu einer LĂŒge. Heutzutage wird man belĂ€chelt und ein spöttischer Kommentar wie “ist dir keine bessere Ausrede eingefallen oder wie?!” wird einem geantwortet, wenn man seine Unwissenheit beteuert, selbst wenn diese der Wahrheit entspricht. Das haben wir den Menschen zu verdanken, die immer wieder dies als LĂŒge benutzten, bis es niemand mehr glaubte.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass man ehe andere vorschnell und bequem als Schuldige fĂŒr etwas festzuhalten, erst die einzelnen Komponenten des Geschehenen analysieren sollte, um dann sachlich und neutral zu einem Endergebnis zu kommen. Auch wenn es oft die einfachere Variante ist, seine eigenen Fehler den anderen zuzuschreiben sollte man sich als (mehr oder weniger) selbststĂ€ndig denkendes Individuum seine SchwĂ€chen eingestehen und auch einmal in der Lage sein zu sagen:

“Ja, ich habe einen Fehler gemacht und es war ganz alleine meine Schuld!”

Wem dies gelingt, der wird in seiner Zukunft leichter mit eben solchen falschen Handlungen umgehen können oder vom Herren von seinen SĂŒnden auf ewig befreit werden – je nach Einstellung. FĂŒr all die, die es nicht schaffen ihr fast schon krankhaft großes Ego mit einem Makel “zu besudeln” kommen in die Hölle.

Um noch etwas zu “Ich habe von nichts gewusst” zu sagen: wie wir alle aus eigener Erfahrung am besten wissen ist Vertrauen gut (und fĂŒr das zivilisierte menschlichen Leben in einer globalen Gesellschaft notwendig, Kontrolle kann in manchen FĂ€llen jedoch besser sein.

Dieser QR-Code enthÀlt den Link zum Online-Artikel
Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 01. February 2010
Kategorie: Farbflecken

Der Artikel ist urheberrechtlich geschĂŒtzt und darf nur zu privaten Zwecken weiterverwertet werden. Jede andere Verwendung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. FĂŒr Leserbriefe nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion unterhalb des Online-Artikels.

Keine Kommentare bisher zu “Es ist nicht meine Schuld…”

Lass einen Kommentar da