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Die Welt da draußen

Die Haltbarkeit eines Helden

Foto: Sörn @ flickr.com

Sie sind Superstars, sie können wunderbar singen, tanzen oder Tore schießen. Sie sind politische Hoffnungsträger, charismatische Redner oder Visionäre. Für Millionen von Menschen sind sie ein echtes, real existierendes Vorbild, Ideal oder Idol – sie sind moderne Helden.Durch mehr oder weniger bedeutende Taten wurden moderne Helden zu dem, was sie so besonders für die breite Masse macht. Doch die Würde, die ihnen zuteil wird, avanciert häufig auch zu einer Bürde. Und diese kann einem auch schnell über den Kopf wachsen oder ganz zu Fall bringen. Denn Helden sind keine unsterblichen Götter – sondern auch nur Menschen.

Michael Jackson’s „This Is It.“ Nur zwei Wochen lang wurde der Film ab dem 28. Oktober in mehr als 15.000 Kinos rund um den Globus gezeigt. Die letzten Aufnahmen des selbst ernannten „King of Pop“, gefilmt unmittelbar vor seinem plötzlichen Tod im Juni 2009. Millionen Menschen wollten sich das auf gar keinen Fall entgehen lassen.
Sein Name ist in der Wahrnehmung vieler noch immer präsenter als der von manchem hochrangigen Staatsoberhaupt. Die Plattenverkäufe Michael Jacksons schnellen nach seinem Ableben in neue unbekannte Rekordhöhen und sein musikalisches Vermächtnis in Form von Schallwellen durchflutet und bewegt die ganze Welt. „Er mag nicht mehr unter uns weilen, doch eines steht außer Frage: Der größte Star, den die Welt je erleben durfte, ist nach wie vor unübertrefflich.“ Mit diesen Worten kündigte das Szenemagazin „King“ (Ausgabe 10/09) den Film an. „Der größte Entertainer aller Zeiten“ und seine Musik seien „auf ewig unsterblich“.

Foto: Sir George Martinn @ flickr.com


Regisseur Kenny Ortegas hat aus über 100 Stunden Filmmaterial die besten 112 Minuten zusammengeschnitten und in ein bewegendes Werk verwandelt, ein Rausch von Emotionen, Dynamik und scheinbarer Vitalität. Die Bilder zeigen in atemberaubender Weise noch einmal Michael Jackson als vermeintlich topfitten Vollblut-Performer. Es scheint ganz so: Niemand vermag diesem Pop-Genie das Wasser zu reichen.

Doch die Wahrheit ist eine andere. Denn schon seit mehr als einem Jahrzehnt war der „King of Pop“ nur noch ein Schatten seiner selbst. Hinter der Superstar-Fassade verbarg sich ein gebrochener und sehr verletzlicher Mensch, der sich zutiefst missverstanden fühlte.

Die Wahrheit ist: Jacksons letzte neu veröffentlichte Single „Stranger in Moscow“ ist inzwischen zwölf Jahre alt. Wie der „Spiegel“ (44/2009) berichtet, war dieser Song damals wie heute ein totaler Flop. Auch seine im selben Jahr aufgezogene „HIStory“-Welttournee war ein absoluter Reinfall. Michael Jackson „stolperte mit glasigen Augen“ durch die Gegend, verpatzte den „Moonwalk“ und erkannte oft seine eigenen Teammitglieder nicht mehr. Bereits 1997 musste der damals erst 38-Jährige 24 Stunden am Tag ärztlich betreut werden. Sein Programm konnte er nur mit Hilfe von Medikamenten und Aufputsch- beziehungsweise Schlafmitteln absolvieren. Und auch damals schon war für Insider kaum übersehbar, dass Jackson mutmaßlich pädophil veranlagt war.

Der „größte Entertainer aller Zeiten“ – er war alles andere als ein großer Held. Und schon gar nicht war er unsterblich. Das Leben von Michael Jackson war einerseits triumphal. Vor allem aber war es eines: tragisch.

Michael Jackson war nicht der Held, der ewige bestehende Gott nach dem sich die Massen so sehr sehnen. Er konnte dieser „Rolle“ gar nicht gerecht werden, denn auch er war und das zeigt sein Tod, ein sterblicher Mensch. Umso paradoxer scheint es, dass der gefallende Star im Tode wieder zum unsterblichen Held erklärt wurde.
Er verfügte zweifelsohne über große Begabungen, zu denen er sich bekannte, und die ihn in den Fokus der Öffentlichkeit rückten und Micheal Jackson weltbekannt machten. Doch schnell wandelten, die auf ihn projizierten idealistischen Wünsche und Hoffnungen, den „King of Pop“ zu einem alles überstrahlenden Helden. Hinter dieser irrealen Fassade befand sich ein Mann, der dieser unendlich großen Bürde nicht gewachsen war. Seine Fehler, alles was er falsch machte im Leben, wurde von den Menschen nicht akzeptiert, denn für sie war er ein unfehlbarer Gott. Dies wurde für ihn zur Tragik seines Lebens.
Den Zenit seines Daseins, hatte er ihn jenem Moment überschritten, als er zur Projektionsfläche der Wünsche der Menschen wurde.

Michael Jacksons Niedergang als Held, ist sicherlich nur eines von vielen Beispielen dafür, wie begrenzt die Zeit ist, in der jemand dem unverhältnismäßig hohen Anspruch, der an einen Helden gestellt wird, gerecht werden kann.
Menschen wie Barack Obama, die suggerieren sie könnten in kürzester Zeit alleine die Welt retten und die noch so größten Probleme lösen, können nur scheitern und uns, die wir ihren charismatischen Reden lauschen nur enttäuschen. Denn jene werden letzten Endes nach ihren eigenen Maßstäben und Zielsetzungen gemessen und diese sind mitunter Lichtjahre vom eigentlich Machbaren entfernt.

Oder Miley Cyrus gerade einmal 16 Jahre alt, Disney-Star und Idol vieler junger Mädchen schockierte die Öffentlichkeit, als Fotos auftauchten, auf denen sie küssend und leicht bekleidet mit einem Jungen zu sehen war. Viele empfanden dies als zu tieft anstößig und forderten eine Verbannung Miley Cyrus aus der sehr erfolgreichen Serie Hanna Montana, in der sie die Hauptrolle spielt. Jeden Sommer, kann man hunderte Pärchen in Grünanlagen antreffen, die sich küssen und leicht bekleidet sind. Zu stören schien dies bisher jedoch noch niemanden.

Dieser Vorfall zeigt, wie abgehoben die (Werte-)Vorstellungen der Menschen in Bezug auf Helden sind. Helden scheinen für uns etwas in jederlei Hinsicht vollkommendes zu sein. Etwas, das nur dann ein Vorbild, Idol oder Ideal sein kann, wenn es immer das richtige tut. Doch so etwas wird sich auf der Erde nicht finden lassen. Und so muss die Haltbarkeit eines Helden, von dem Standpunkt aus betrachtet er müsse unfehlbar sein, immer begrenzt, wenn nicht sogar sehr kurz sein.

Vielleicht ist ein wahrer Held vielmehr der, der sich für seine Mitmenschen aufopferungsvoll einsetzt, ohne an den eigenen Nutzen oder Schaden zu denken und auf diese Art und Weise die Welt ein kleines bisschen besser macht. Beispielhaft zu nennen ist an dieser Stelle vielleicht  Chesley Sullenberger, der in einer Meisterleistung die ihres gleichen sucht, einen Airbus A 320 am 15. Januar 2009 auf dem Hudson River in New York notlanden konnte, nachdem beide Triebwerke ausgefallen waren. Er konnte mit dieser beeindruckenden Tat 155 Passagieren vor dem sicher geglaubten Tod bewahren.
Dieses wahre Beispiel soll verdeutlichen, dass der moderne Held, den wir so vergöttern, nicht immer die wirklich entscheidenden Werke vollbringt, sondern vielleicht gerade der so unscheinbare Nachbar von nebenan. Er erhält vielleicht nicht den Ruhm oder die Ehre, die einem Superstar zuteil wird, doch gerade dies schützt ihn davor nicht zu schnell seine „Haltbarkeit“ zu überschreiten und daran zu zerbrechen.
Und so kann ein jeder von uns zum Helden des Alltags werden immer und immer wieder.

David Irion

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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 10. January 2010
Kategorie: Die Welt da draußen

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