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Die Welt da draußen

Wie werde ich ein Politiker?

Du willst ein Politiker werden? Ein richtig guter Politiker sogar? Du hast keinen blassen Schimmer, wie du das anstellen sollst? Dann lass dir von mir helfen.

Ich zeige dir, wie man ein Politiker wird. Ein richtig guter Politiker sogar. Vielleicht schaffst du es bis zum Bundeskanzler. Wer weiß?

Aber zuerst musst du dich entscheiden. Nimmst du den leichten Weg oder den Harten? Willst du Diktator mit allen Vollmächten sein oder willst du dich im Parlament um jedes noch so kleine Gesetz zanken? Wie ich dich kenne, entscheidest du dich bestimmt für Letzteres (schon allein, weil der Begriff Diktator in Deutschland ein kleines bisschen verpönt erscheint). Es wird kein leichter Weg werden, bis hin zu Gipfel des Berges, viele Talente für eine Politiker-Karriere müssen sogar angeboren sein. Solltest du diese Eigenschaften, die im Leibe deiner Mutter einst entstanden, nicht mit dir führen, kannst du dich ja wieder deinem Afrikanistikstudium oder Quirkologiestudium widmen. Vielleicht findest du sogar noch einen sinnloseren Studiengang. Aber falls du diese gewissen Talente mit dir bringst, mach dich bereit, denn nach dieser ultimativen Politiker-Anleitung wirst du nicht mehr derselbe sein.

Schritt 1: Sei dir nicht zu schade, ein dauerhaftes Grinsen aufzusetzen, das dem eines Lottomillionärs gleicht, auch wenn du gerade eine Niederlage verkraften musst. Auch sehr empfehlenswert ist ein Grinsen, das so aufgesetzt wirkt, dass es schon wieder authentisch bei den Bürgern ankommt, siehe Horst Seehofer. Grinsen kommt bei den Wählern immer gut an oder warum ist wohl Angela Merkel Bundeskanzlerin geworden?

 

Schritt 2: Sei mediengierig. Du musst dein Gesicht so oft wie nur möglich in jedem nur vorstellbarem Medium zeigen, egal wie hässlich du bist. Ein omnipräsenter Politiker ist ein guter Politiker. Wenn möglich achte darauf, dass du während deiner Fernsehauftritte immer beim fleißigen Händeschütteln oder Babyabknutschen zu sehen bist. Und nicht vergessen, immer grinsen.

 

Schritt 3: Wenn dich jemand nach deiner bisherigen Erfahrung mit einem Sachverhältnis fragt, nenne stets die Zauberformel: Ach das tut mir jetzt leid, das ist leider nicht mein Fachgebiet. Fragen sie bitte den Kollegen Müller. Bei Bedarf kann deine Ausbildungsform auch stetig gewechselt werden, je nach Thema des Fragenden.

Schritt 4: Verwandle jede Niederlage deiner Partei in einen Sieg. Selbst wenn deine Partei einen herben Verlust eingestehen musste, stell sie immer als Gewinner in das Rampenlicht. Du solltest ganz nach dem Vorbild der SPD bei den Landtagswahlen 2008 in Bayern handeln. Die SPD verlor selbst etliche Prozentpunkte, behauptete aber nach der Wahl sie sei der entscheidende Faktor dafür gewesen, dass die CSU auch verlor. Also SPD hatte verloren und CSU hatte verloren. Und wie wir bereits im Mathematikunterricht gelernt hatten macht Minus und Minus Plus. Die SPD war der absolute Gewinner der Landtagswahl.

 

Schritt 5: Lüge was das Zeug hält. Du musst dein Wählern vorgaukeln, du würdest alles genauso machen, wie du es zuvor im Wahlkampf versprochen hattest. Ohne Lügen würde das Kartenhaus der Politik in sich zusammenbrechen. Aber nicht, dass du jetzt auf die Idee kommst, kleine Lügen als Vorspeise aufzutischen. Nein, nein, es müssen richtige Hauptgerichtslügen sein. Es gibt zum Beispiel Lügen, die immer gut ankommen, wie Steuersenkungen, Verminderung der Arbeitslosenzahl oder mehr Sicherheit im Land. Um diese “Versprechen” glaubhaft präsentieren zu können empfiehlt sich Schauspielunterricht.

Schritt 6: Wenn du durch die gerade verbreiteten Lügen tatsächlich gewählt wurdest (Wahnsinn! Dieses schwachsinnige Programm hat wirklich jemanden zum Erfolg geführt!), diese aber nicht in die Tat umsetzen kannst, schieb es den anderen Parteien in die Schuhe. Du musst die Jungfrau Maria sein, die anderen der Teufel in Person. Eine immer glaubhafte Floskel könnte lauten: Wir hätten alles daran gesetzt, aber unser Koalitionspartner hat leider wieder einmal seine Wähler enttäuscht und zuwider dem Wohle der Bürger gehandelt. (Es ist übrigens hilfreich, die von mir aufgeführten Standardsprüche auswendig zu lernen, da man auf diese in jedem Interview zurückgreifen kann, sobald sie einmal im Repertoire vorhanden sind.)

 

Schritt 7: Lerne und beherrsche den Euphemismus. Er ist wie das Schwert eines Ritters, wie die Pistole eines Cowboys, wie das Atomwaffenprogramm Nordkoreas. Richtig angewendet kann er tödlich sein. Du darfst keine negativ belasteten Begriffe wie schlecht oder verlieren verwenden. Stattdessen sage einfach suboptimal oder nicht gewinnen. Schon alleine das Wort “gewinnen” löst im menschlichen Gehirn eine Kettenreaktion, ähnlich dem Domino Day aus, was die vermeintliche Niederlage zu einem Sieg werden lässt (siehe Schritt 4).

Schritt 8: Sobald das Wahljahr begonnen hat, finde keine positiven Worte mehr über deine Konkurrenten. Alles was du in den letzten drei Jahren geäußert hast, ist nun Schall und Rauch. Du musst die Schwächen der Gegnerparteien herausfinden (oder besser gesagt du lässt sie von deinen Lakaien, die für zwei Laib Brot und ein Glas Wasser am Tag in einem dunklen Kellerverlies für dich arbeiten, herausfinden) und pickst solange auf diesen Schwachpunkte ein, bis die Kette zerreißt.

 

Schritt 9: Versuche alles Gute mit dir zu assoziieren und alles Schlechte schiebst du ganz einfach auf die Seite deines Koalitionspartners. Zum Beispiel präsentiere das neue Gesetz als dein eigenes Werk und verheimliche, dass ohne die Stimmen der anderen Partei dieses Gesetzt gar nicht in Kraft hätte treten könne. Das kannst du dann immer noch im nach hinein sagen, wenn sich herausgestellt hat, dass das Gesetz bei den Wählern unbeliebt ist.

Schritt 10: Vermittle immer das Gefühl, du wärst Herr der Lage. Selbst, wenn du in der Opposition bist, tu so als ob du über Gesetzesentwürfe entscheiden könntest. Gib nicht zu, dass du nichts zu sagen hast.

Schritt 11: Kleide dich stets in einem schicken schwarzen Anzug und wenn du besonders smart wirken willst, setz dir eine Brille auf.

 

Schritt 12: Rede nur von der Zukunft, wenn sie zu deinem Vorteil ist. Sollte etwas schlechtes Geschehen, lenke die Blicke der Bürger auf die großen Taten, die du schon bewirkt hast.

Schritt 13: Bei jeder Erklärung musst du dich so kompliziert ausdrücken, dass dich kein Mensch versteht. Je mehr Fachausdrücke du verwendest, desto schlauer kannst du dich machen und desto sicherer kannst du dir sein, dass die Wähler nur noch Bahnhof verstehen. Am besten ist es, wenn du selbst nicht verstehst, was du gerade von einem goldenen Podium hinab in die breite und graue Masse des einfachen Volkes rufst.

Schritt 14: Verweise immer auf andere, wenn du Mist gebaut hast. Sehr hilfreich hierbei ist: Aber der Herr Huber hat gesagt…( … kannst du dann durch die gewünschte und erforderliche Aussage ersetzen.)

 

Schritt 15: Sei niemals du selbst.

So, wenn du diese 15 überaus qualifizierten Ratschläge aufgesaugt hast und mit ihnen eins geworden bist, dann bist du reif für eine politische Karriere à la Kohl. Es wird Jahre dauern um erst einmal die Aufmerksamkeit der Menschen auf dich zu ziehen, du wirst von weniger als Nichts leben müssen. Verwende diese Schritte, wenn möglich, bei jeder Gelegenheit und du wirst bald der erste Mann (oder Frau?) im Staat sein.

Oder du wirst doch einfach Diktator.

von Johannes Gansmeier

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 23. December 2009
Kategorie: Die Welt da draußen

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