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“Hochbegabtenförderung ist etwas ganz Normales”

Bild: Uschi Pacher

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Kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg droht Ministerpräsident Stefan Mappus der Verlust der Mehrheit.

Die farbfleck-Chefredakteure Johannes Gansmeier und David Irion besuchten Mappus in dessen Amtssitz, der Villa Reitzenstein. Dort stellte sich der Ministerpräsident Fragen zu den Themen Stuttgart 21, Landtagswahl und Hochbegabtenförderung.

derfarbfleck: Guten Tag, Herr Ministerpräsident. Zunächst einmal vielen Dank, Herr Mappus, dass Sie uns die Möglichkeit für dieses Interview geben. Für uns ist es das erste Mal, dass wir ein Gespräch auf so einer hohen Ebene führen, weswegen wir auch ein wenig aufgeregt sind. Hatten Sie schon einmal das Vergnügen, von Schülern interviewt zu werden?

Mappus: Ja, durchaus, aber das kommt nicht allzu häufig vor. Deshalb freue ich mich, dass Sie hier bei mir im Staatsministerium sind. Und es ist für mich nicht nur spannend, sondern es ist mir auch wichtig, immer wieder mit Schülern ins Gespräch zu kommen und auf diese Weise mitzubekommen, was Sie beschäftigt, wo der Schuh drückt, welche Ideen Sie haben.

derfarbfleck: Wegen der recht kurzen Distanz erfolgte unsere Anreise aus Schwäbisch Gmünd per Zug, was ziemlich gut geklappt hat …

Mappus: …und was in Zukunft noch besser klappen wird!

derfarbfleck: Genau darauf zielt unsere Frage ab. Im Rahmen des Bahnprojekts Stuttgart 21 fanden des Öfteren Großdemonstrationen statt. Welche Assoziationen hatten Sie, als tausende Menschen gegen dieses Jahrhundertprojekt, sozusagen direkt vor Ihrer Haustür, aufbegehrten?

Mappus: Mir war relativ schnell klar, dass man mit den Skeptikern und Gegnern in Kontakt treten muss, um die Situation zu befrieden und alle Fakten auf den Tisch zu legen. Mein erster Versuch gemeinsam mit Herrn Kretschmann für eine Schlichtung, scheiterte noch, weil der Grünenfraktionsvorsitzende von seinen eigenen Leuten zurück gepfiffen wurde. Der zweite war zum Glück erfolgreich.

derfarbfleck: Hat der Schlichterspruch und damit einhergehend Stuttgart 21 plus Ihrer Meinung nach zu der erhofften Beruhigung der Gemüter geführt oder könnte Stuttgart 21 dennoch für Sie und Ihre Partei zu einem Stolperstein im Hinblick auf die Landtagswahlen im März werden?

Mappus: Der Schlichterspruch hat ganz offensichtlich zu einer Beruhigung geführt. Die ganze Situation hat sich versachlicht. Dass heute viel weniger auf die Straße gehen, führe ich nicht nur auf die veränderten Temperaturen zurück, sondern auch darauf, dass die Menschen, die verschiedene Ängste, Sorgen, Nöte und Veränderungswünsche hatten, durch den Schlichtungsprozess überzeugt wurden oder zumindest eingesehen haben, dass es viele gute Gründe für Stuttgart 21 gibt. Diejenigen, die den Schlichterspruch nicht akzeptieren, oder kein Interesse daran zeigen, werden auch weiterhin demonstrieren, aber vermutlich nicht nur wegen dieses Projektes, sondern auch, wie bereits öffentlich geäußert, wegen der anstehenden Landtagswahl. Solange das geordnet und friedlich abläuft, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Ich freue mich aber natürlich darüber, dass  mittlerweile die überwiegende Mehrheit der Baden-Württemberger für Stuttgart 21 und die Schnellbahnstrecke nach Ulm ist, mancher Skeptiker akzeptiert, dass es gute Argumente für das Projekt gibt. Mein Gefühl ist, dass unsere Standhaftigkeit und unser Kommunikationswille positiv anerkannt wird.

derfarbfleck: Jüngste Umfragewerte lassen erahnen, dass eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition in Baden-Württemberg aufgrund der Schwäche der FDP immer unwahrscheinlicher wird. Laut aktuellen Umfragen liegt die FDP bei rund vier Prozent (hierbei beziehen wir uns auf TNS Emnid, Anm. d. Red.). Wie gedenken Sie damit umzugehen?

Mappus: Wissen Sie: Die FDP war schon vor so mancher Landtagswahl unter fünf Prozent, und hat teilweise gerade dann die besten Wahlergebnisse erzielt. Ich will indes nicht dazu beitragen, dass aus lauter Sorge um die FDP viele Menschen, die eigentlich CDU wählen wollen, zur FDP wechseln. Ich bin mir sicher, dass die FDP deutlich über die fünf-Prozent-Hürde kommt, schon allein weil Baden-Württemberg ihr Stammland ist. Denn obwohl die Schwächen, die vornehmlich aus Berlin kommen, auch die hiesige FDP getroffen haben, ist diese wegen ihrer eindeutigen Positionierung in Sachen Stuttgart 21, aber vor allem wegen der erfolgreichen, gemeinsamen Landespolitik gut aufgestellt. Wir koalieren mit ihr, aber sie muss es aus eigener Kraft schaffen.

derfarbfleck: Wäre eine Koalition mit der SPD oder gar mit den Grünen überhaupt eine Option für Sie?

Mappus: Ich möchte den Bürgern verdeutlichen, dass wir natürlich eine Koalition mit der FDP anstreben. Es wäre allerdings arrogant gegenüber den Wählern, vor dessen Stimmabgabe bereits etwaige Koalitionsmöglichkeiten mit anderen demokratischen Parteien auszuschließen. Das darf man als Demokrat nicht machen. Hierbei unterscheiden wir uns deutlich von SPD und Grünen im Land, die bekanntlich keine Probleme hätten, eine Koalition mit den Linken zu bilden. Wir hingegen machen mit undemokratischen und radikalen Parteien keine gemeinsame Sache.

derfarbfleck: Das heißt, Sie würden den Grünen unterstellen, dass Ihnen jedes Mittel recht wäre, um in die Regierung zu kommen?

Mappus: Es geht nicht darum etwas zu unterstellen. Herr Kretschmann (Fraktionsvorsitzender von Bündnins90/Die Grüne im Landtag, Anm. d. Red.) hat ja bereits medienwirksam gesagt, dass er eine Koalition mit der Linken nicht ausschließt. Und nachdem deren Parteichefin Frau Lötzsch in einem Anflug von Ehrlichkeit klar definiert hat, was sie sich für Deutschland in Zukunft vorstellt, nämlich eine Rückkehr zum Kommunismus, muss sich jeder fragen, ob er das für ein geeignetes Zukunftsmodell für Baden-Württemberg hält. Ich wage die Prognose, dass die Mehrheit der Bürger das für kein gutes Modell hält.

derfarbfleck: In den nächsten Fragen wollen wir ein wenig von der Tagespolitik abrücken, und hin zu anderen Themengebieten. Das Landesgymnasium für Hochbegabte kann ja durchaus als Pilotprojekt auf dem Gebiet der Hochbegabtenförderung in Baden-Württemberg angesehen werden. Inwiefern kann das Modell unserer Schule Vorbildcharakter für andere speziell fördernde, aber auch für Regelschulen haben?

Bild: Uschi Pacher

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Mappus: Ich denke, dass gute und erfolgreich erprobte Modelle, wie das des Landesgymnasiums für Hochbegabte, immer Vorbildcharakter haben. Wir beobachten mit Freuden die äußerst positive Entwicklung dieser Schule und wissen die Arbeit dort sehr zu schätzen. Generell legen wir Wert auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Schulversuchen und Modellen in ganz Baden-Württemberg. Denn die prinzipielle Konzeption ist das eine, die bestimmte Variabilität an Schulen das andere. Wenn man dort gute Erfahrung macht, ist es ja durchaus sinnvoll darüber nachzudenken, wie man diese landesweit verwenden kann.

derfarbfleck: Das Thema Hochbegabtenförderung ist oftmals ein heikles, da der Begriff Elite in der deutschen Sprache nicht nur positiv wahrgenommen wird…

Mappus: … Für mich ist das überhaupt kein Problem. Eliteförderung ist nicht nur richtig, wenn es um die Eliteschulen des Fußballs geht.

derfarbfleck: Andererseits sind wir uns einig, dass wir am liebsten zielgerichtete Förderung für jedermann haben wollen. Wie stellen Sie sich Begabtenförderung im Land Baden-Württemberg idealerweise vor?

Mappus: Mit dem Landesgymnasium haben wir in Baden-Württemberg ein Vollzeitgymnasium, das Hochbegabte fördert. In Zukunft sollen diesem nach ähnlichem Muster weitere folgen. Des Weiteren bemühen wir uns um eine Ausweitung von Hochbegabtenzügen an Gymnasien. Auch in meinem Wahlkreis (Pforzheim, Anm. d. Red.) gibt es das zum Beispiel. Selbstverständlich gibt es Leute die behaupten, Hochbegabtenförderung sei etwas Elitäres und sprechen sich deshalb gegen eine solche Förderung aus. Diese Leute haben aber keine Ahnung von Pädagogik und anderen Erkenntnissen der Forschung. Denn jeder, der weiß, was mit Hochbegabten geschieht, die unterfordert sind, müsste eigentlich größtes Interesse an spezieller Förderung dieser Schülerinnen und Schüler haben. Unser Primat heißt: differenziert fördern und fordern. Das bedeutet, man muss etwas für diejenigen tun, die Probleme in der Schule haben, aber im gleichen Maße auch die fördern, die ein großes Potenzial haben, das verkümmern würde, sollte nicht entsprechend reagiert werden. Aus diesem Grund ist Hochbegabtenförderung für mich etwas ganz Normales und Elite ganz sicher nichts Negatives.

derfarbfleck: Abschließend noch eine persönliche Frage an Sie. Sie sind seit heute früh bereits vor 8 Uhr im Dienst, unten wartet bereits ihr Dienstwagen für den nächsten Termin und ihre letzte Veranstaltung heute endet um 0 Uhr. Wie schafft es ein Mann in Ihrer Position trotz der vielen Aufgaben und Termine Normalität ins Familienleben zu bringen?

Mappus: Das ist natürlich nicht immer leicht, nichts desto weniger ist mir meine Familie unglaublich wichtig und ich bemühe mich selbstredend darum, dass diese nicht zu kurz kommt. Deswegen geht es abends eigentlich fast immer noch heimwärts. Nur wenn es mal sehr spät wird, habe ich hier in der Villa Reitzenstein (der Amtssitz in Stuttgart, Anm. d. Red.) im wahrsten Sinne des Wortes ein kleines Kämmerchen, nicht viel mehr als Bett und Waschbecken. Ich glaube sogar, dass das Zimmer seit 40 Jahren nicht mehr verändert wurde (lacht). Ansonsten versuche ich, egal wie lang der Tag auch wird, nach Hause zu kommen, um meine Frau und meine beiden Söhne  wenigstens beim Frühstück um mich zu haben.

derfarbfleck: Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.

Das Interview führten David Irion & Johannes Gansmeier

Stefan Mappus, geboren am 4.April.1966 in Pforzheim,
Abitur 1985 in Mühlacker, anschließende Ausbildung zum Industriekaufmann,
Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hohenheim bis 1993,
seit 1985 CDU-Mitglied,
ab 1996 Direktmandat im Wahlkreis Pforzheim/Birkenfeld,
Ernennung zum Umwelt- und Verkehrsminister 2004,
Fraktionsvorsitzender der CDU 2005,
seit 2010 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg .

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Quelle: derfarbfleck
Website: http://www.derfarbfleck.de/old
Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 23. January 2011
Kategorie: Stars on Page

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5 Kommentare zu ““Hochbegabtenförderung ist etwas ganz Normales””

  1. Bis auf, dass ihr im Anzug erschienen seid, habt ihr alles super gemacht. Klasse Interview, Respekt und weiter so!

    Geposted von Bob | January 24, 2011, 13:57 | Antworten
  2. Hey!

    Super gemacht, konnte es selbst kaum abwarten, endlich das Interview lesen zu können!^^ Gute Fragen, finde ich – besonders toll ist meiner Meinung nach, dass ihr ihn auch eine persönliche Frage gestellt habt. *Lob*
    Wirkte Herr Mappus denn sehr gestresst/in Eile? Würde mich interessieren …

    LG,
    Medea

    Geposted von MedeaFarbfleck | January 24, 2011, 20:46 | Antworten
  3. Ganz nettes Interview – weiter so!

    Geposted von funearl | January 24, 2011, 21:23 | Antworten
  4. Wow, das ist doch mal was. Endlich gibt es mal Journalismus im Farbfleck. Hat sich doch ganz gut gemausert seit den fotokopierten Bindfadenanfängen. Mehr davon!

    Geposted von Dave | January 26, 2011, 23:57 | Antworten
  5. Was ich auch sehr interessant finde…

    ZEIT: Demonstrieren ist auch eine Form von Beteiligung von Bürgern, es ist eine Form von Interessebekunden und Mitmachen bei der Politik.

    Mappus: Ich bin ja nicht gegen die Grünen, weil sie vom Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Sie werden es kaum glauben, ich habe auch schon demonstriert. Ich habe mit der Jungen Union an Gegendemonstrationen teilgenommen…

    ZEIT: Ach, Sie waren auch dagegen…

    Mappus: …an Gegendemonstrationen gegen Demonstrationen, die gegen die Nato-Nachrüstung waren. Also dafür!

    Quelle.

    Geposted von Oscar | February 14, 2011, 16:04 | Antworten

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