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Wir hier drinnen

Schon wieder Gruppenarbeit?

von Kim Figiel

Bildet bitte Gruppen und schiebt die Tische zusammen, wir machen jetzt Gruppenarbeit!“
Welcher Schüler kennt diese Aussage nicht. Vor allem: welcher Lehrer versucht nicht, so viel Gruppenarbeit wie möglich in seine Unterrichtsstunden einzubauen?
Wenn Gruppenarbeit angekündigt wird, ist der Lehrer meistens ganz stolz auf sein Konzept, doch vonseiten der Schüler kommt nur ein „Oh“, „Ne“, „Nicht schon wieder“.
In den letzten Jahren meiner Schullaufbahn hat sich einiges geändert. Es wird versucht, mehr auf die Schüler einzugehen. Sie sollen selbständiger werden, eigenständig und vor allem teamfähig. Gerade auf Letzteres wird immer wieder eingegangen, da wir anscheinend nur Egoisten hervorbringen, die im wirklichen Arbeitsleben im Team untergehen.
Gruppenarbeit ist ein heikles Thema. Richtig ausgeführt bringt sie viele Vorteile mit sich. Es ist tatsächlich wichtig, im Team arbeiten zu können, selbst in der Wissenschaft ist das manchmal von Nöten. Außerdem lernt man das Zuhören und das Argumentieren in der Gruppe. Das Präsentieren der Gruppenergebnisse, meist vor der Klasse, hilft auch schüchternen Schülern und Schülerinnen, öfters vor die Klasse zu treten und eventuelle Unsicherheit bestenfalls zu verlieren.
Doch wer stellt in der Regel die gesammelte Arbeit vor? Eben nicht der schüchterne Schüler, sondern der, der es eigentlich kann und kein Problem hat, sich vor die Klasse zu stellen und sich für die Gruppe zu „opfern“. So jemand findet sich meist in jeder Gruppe. Genauso wie der „Parasit“. Er trägt so gut wie nichts zur Gruppenarbeit bei und ist froh, dass andere die Arbeit für ihn erledigen. Am Ende kassiert er auch noch eine gute Note dafür. Ziemlich ungerecht, aber wahr. Die meiste Arbeit erledigt oft ein Schüler, der sich mit dem Thema gut auskennt. Für ihn ist die Gruppenarbeit eher ein Sammeln seiner Argumente. Aus mangelnder Motivation werden alle seine Argumente aufgeschrieben, um endlich Ergebnisse zu haben. Der Lerneffekt in der Gruppe ist also gering. Ein bisschen Chaos gibt es meist auch. Zwischendurch wird erzählt, was man am Wochenende gemacht hat oder man schweift aus Versehen ein wenig vom Thema ab. Kommt der Lehrer vorbei, ist die Gruppe jedoch wieder plötzlich ganz bei der Sache und wild am Diskutieren. Ergo: Je größer die Gruppe, desto langsamer geht die Arbeit auch im Vergleich zur Stillarbeit voran. Der Spaßfaktor ist natürlich bei einer Stillarbeit geringer, aber so kann wenigstens sichergestellt werden, dass auch jeder den Text gelesen und auch sich selbst Gedanken dazu gemacht hat.

Mit vielen Dingen versucht uns die Schule auf die Uni vorzubereiten. Nicht umsonst schreiben wir 15-seitige Ausarbeitungen. Doch mir hat noch keiner von der Arbeit an einer Uni erzählt, dass sie alle aufgestanden wären, sich in Vierergruppen zusammengefunden und über einen Text diskutiert hätten. In der Uni herrscht meistens „Frontalunterricht“. Der Professor trägt vor, die Studenten schreiben brav mit und schreiben dann ihre Klausuren. Im Grunde nicht viel anders als unser Frontalunterricht.
In Finnland, das Land, das zum dritten Mal den ersten Platz bei der Pisa-Studie gemacht hat, besteht der Unterricht auch fast ausschließlich aus Frontalunterricht. Klar unterscheidet sich Finnlands Schulsystem im Vergleich zu unserem nicht nur davon, also ist es auch kein ausschlaggebendes Argument, trotzdem kann man das nebenbei mal erwähnen. Wenn man unsere Schüler fragt, ob sie ein Thema lieber in der Gruppe behandeln oder vom Lehrer beigebracht kriegen möchten, tendieren die meisten eher zum Lehrer. So schlecht und unbeliebt ist Frontalunterricht also gar nicht. Er bringt uns genau das bei, was wir für die Klausuren benötigen, er ist effektiv und verständlich, man ist ihn gewohnt und man kommt schneller mit dem Stoff voran, so dass unnötige Zeit eingespart wird und man im Prinzip mehr Zeit hat, auf Fragen der Schüler einzugehen.Gruppenarbeit kann jedoch auch mal eine ganz nette Abwechslung im Schulalltag sein. Wenn man jedoch in jeder Stunde Gruppenarbeit macht, wird sie nervig und man verliert die Motivation, die man bräuchte, um sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Außerdem sollte sie auch überlegt eingesetzt werden um Ergebnisse zu bekommen, die die Schüler und Schülerinnen auch wirklich weiterbringen.

Weiterführender Artikel: “Neue Medien im Unterricht?

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Quelle: derfarbfleck
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Autor: derfarbfleck
Veröffentlichung: 10. October 2012
Kategorie: Wir hier drinnen

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Ein Kommentar zu “Schon wieder Gruppenarbeit?”

  1. Zwei Punkte:
    1. Die Uni ist auch nicht mehr das was sie mal war. Gruppenarbeit ist auch hier an der Tagesordnung. Selbst Übungsaufgaben für zuhause werden oft nur noch als Gruppenarbeit zugelassen. Dabei ist das zwar manchmal störend aber oft auch nicht schlecht. Schließlich ist man alt genug eine eigene Meinung zu haben und diese auch auszutauschen.
    2. Eine Gruppenarbeit macht dann Sinn, wenn die Aufgabe als Einzelarbeit nicht funktionieren würde. Sollte das nicht gegeben sein, dann sagt das doch einfach: Gruppenarbeit? Nein, danke – das können wir schon allein!

    Geposted von blueyo | October 18, 2012, 08:34 | Antworten

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