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Steigt man in England in ein Auto und nimmt den Motorway in Richtung Norden, kommt man nach einiger Zeit an einem großen blauen Schild vorbei, auf dem zweierlei geschrieben steht:

„Welcome to Scotland“ und darunter „Fàilte gu Alba“.

Viele fragen sich sicher, was das für eine sonderbare Sprache ist. In Schottland spricht man doch Englisch?! Ja – und nein. Um zu verstehen, was es mit schottischem Gälisch bzw. „Gàidhlig“ auf sich hat, muss man ein wenig in die schottische Geschichte eintauchen.

Vom 3. Bis 9. Jahrhundert nach Christus lebten in ganz Schottland verteilt verschiedene Stämme. Im Norden waren die Normannen beheimatet, im Nordosten die Pikten und im Osten die Angeln. Durch die geografische Nähe zum Norden Irlands siedelten im Laufe der Zeit keltische Stämme nach Westschottland über, welche sich selbst „Goidil“ (alt-irisch für „Gälen“) nannten. Sie brachten die irisch-gälische Sprache „Gaeilge“ mit, aus dem sich über Jahrhunderte das schottisch-gälische „Gàidhlig“ entwickelte und im ganzen Königreich Schottland (Schottisch-Gälisch: Rìoghachd na h-Alba) verbreitete. So wurde ein sprachlicher und kultureller Fußabdruck hinterlassen, der heute noch sichtbar ist. Viele schottische Ortsnamen, vor allem in den Highlands und auf den Inseln vor der Westküste Schottlands, weisen einen gälischen Ursprung auf. Das berühmte „Mc“, das man sehr häufig vor schottischen Nachnamen findet, stammt vom gälischen Wort für Sohn, „mac“. „McDonald“, bzw. Gälisch „MacDòmhnall“ oder “Mac  a‘ Dòmhnall“  heißt übersetzt also etwa so viel wie „Sohn von Donald“. Auch viele Traditionen der schottischen Kultur, wie die ehemaligen Clan-Strukturen und das einzigartige Muster des Kilts, stammen aus der Zeit des gälisch geprägten Schottlands. Jedoch war der Einfluss des Gälischen je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt und beschränkte sich über Jahrhunderte hauptsächlich auf die Highlands im Norden und die Inselgruppen im Westen.

An Orten wie der Isle of Skye, einer Insel vor der Westküste Schottlands und Teil der Inselgruppe der Inneren Hebriden, war Gälisch jahrhundertelang die dominierende Sprache.
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Neben schottischem und irischem Gälisch gibt es noch eine dritte Form dieser Sprache, Manx, welche auf der Isle of Man gesprochen wird. Zusammen mit Walisisch, Bretonisch und Kornisch bilden sie die Familie der keltischen Sprachen. Die drei gälischen Sprachen sind zwar untereinander verwandt, unterscheiden sich jedoch in Schreibweise und Aussprache zum Teil sehr – ähnlich wie Spanisch und Portugiesisch.

Gälisch hatte es in Schottland nicht immer leicht. Ein heftiger Rückgang der Sprache fand beispielsweise zwischen 1750 und 1860 im Zuge der „Highland Clearances“ (Fuadaichean nan Gàidheal) statt, als zehntausende gälischsprechende Schotten, die vor allem die Highlands bewohnten, von englischen und schottischen Landlords aus ihren Häusern vertrieben wurden. Als Rechtfertigung für diese drastischen Maßnahmen diente das Vorantreiben der Schafzucht bzw. im weiteren Sinne der Industrialisierung. Die Folgen der Clearances waren tragisch: Das gesamte schottische Clansystem war am Boden und Gälisch so gut wie ausgestorben.

Heute ist Gälisch durch die fortschreitende Anglisierung und Globalisierung weiterhin akut gefährdet. Aktuell sprechen von 5,5 Millionen Schotten nur noch etwa 60 Tausend die ursprüngliche Sprache des Landes – das sind gerade einmal 1,1% der Bevölkerung. Doch vor allem seit der Jahrtausendwende gibt es vermehrt Bestrebungen, Gälisch vor dem Aussterben zu retten. Das schottische Parlament (Pàrlamaid na h-Alba) verabschiedete 2005 den „Gaelic Language Act“ (Achd na Gàidhlig) um die Anerkennung und das Sprechen von Gälisch zu fördern. So wurden im Laufe der Zeit zweisprachige Schilder im Straßenverkehr eingeführt. Zudem betreibt der britische Rundfunk BBC einen gälischen Zweig namens BBC Alba und es gibt jedes Jahr Festivals und andere kulturelle Angebote auf Gälisch wie Mòd, Fèis und An Comunn Gàidhealach. Auch werden immer wieder neue Schulen und Kindergärten eröffnet, die Unterricht und Freizeitaktivitäten auf Gälisch anbieten. Weiteren Aufschwung brachte auch die Aufnahme der Sprache in das Angebot der App „Duolingo“. Nach etwas über einem Jahr kann der Online-Kurs weit mehr als 500 Tausend Neulerner der Sprache verzeichnen. Das Interesse an Gälisch nimmt also glücklicherweise wieder zu. Ob eine echte Trendwende wie in Wales und Irland erreicht und Zweisprachigkeit in Schottland etabliert werden kann, wird sich zeigen. Doch um es mit einem schottischen Sprichwort abzuschließen:

„Is fheàrr Gàidhlig bhriste na Gàidhlig sa chiste.“

Gebrochenes Gälisch ist besser als totes Gälisch.

In diesem Sinne:

Tapadh leibh agus guma slàn dhut! – Vielen Dank und bleibt gesund!

Author: Clara Pfister

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